
Im Streit um die Marktmacht von Google droht die EU-Kommission dem Suchmaschinenbetreiber mit einer Milliardenstrafe. Die EU-Behörde wirft Google nun offiziell die Benachteiligung der Konkurrenz vor und verschickte am Mittwoch die Beschwerdepunkte an den US-Konzern. Damit verschärfte sie das seit 2010 laufende Verfahren. In letzter Konsequenz drohen Google ein EU-Bußgeld von aktuell bis zu 6,6 Milliarden Euro sowie Auflagen für sein Geschäftsmodell in Europa.
Zudem nimmt die EU-Kommission in einer getrennten Untersuchung die Dominanz von Googles Betriebssystem Android unter die Lupe, das auf Smartphones und anderen mobilen Geräten läuft.
Google in Zahlen
Der Umsatz des Internet-Giganten lag im vierten Quartal 2014 bei 18,1 Milliarden Dollar. Den größten Teil seiner Umsätze (12,4 Milliarden Dollar) erzielte Google dabei auf den eigenen Seiten, den Rest (3,7 Milliarden Dollar) auf den Webseiten von Geschäftspartnern.
Wenn es um das Geldverdienen geht, ist Google quasi ein „One-Trick Pony“, also ein Zirkuspferd, das nur einen einzigen Trick beherrscht, nämlich Werbung. Von den 18,1 Milliarden Dollar Umsatz im vierten Quartal 2014 entfielen gut 16,1 Milliarden auf Online-Werbung.
In der Google-Bilanz wird neben Online-Werbung nur noch ein Umsatz-Segment mit dem Namen „Other“ (Anderes) aufgelistet. Hinter diesen Umsätzen von knapp zwei Milliarden Dollar, die Google nicht weiter aufschlüsselt, stehen nach Experten-Einschätzung vor allem die Gebühren aus dem Play Store, die der Internet-Riese von den Entwicklern von Android-Apps und Unterhaltungsanbietern verlangt.
Google Suche, G-Mail, Google Maps, der Online-Speicher Google Drive, das Smartphone-Betriebssystem Android mit dem App-Store Google Play: Die Liste der Google-Dienste wird von Jahr zu Jahr länger. In seinen geheimen Labs arbeitet der Konzern außerdem bereits an weiteren Produkten wie einem selbstfahrenden Auto oder Heißluft-Ballons, über die auch entlegene Gegenden mit Internet-Zugängen versorgt werden sollen.
Nach aktueller Einschätzung der Kommission bevorzugt Google bei seiner Suchmaschine in der Trefferliste eigene Dienste gegenüber Konkurrenzangeboten. Dies schade Wettbewerbern, aber auch Verbrauchern. Konkret nannte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den Preisvergleich im Online-Handel. Der Internet-Konzern bevorzuge seinen eigenen Dienst Google Shopping, Treffer aus dem bei Suchanfragen prominent platziert werden. Andere Geschäftsbereiche wie Karten oder Reisen würden weiter geprüft.
Vestager sagte, sie habe die Befürchtung, dass Google sich „einen unfairen Vorteil verschafft“ habe. Der Internet-Konzern hat im Suchmaschinen-Geschäft in Europa einen Marktanteil von 90 Prozent. „Dominanz an sich ist kein Problem“, betonte sie. Dominierende Unternehmen hätten aber die Verantwortung, ihre Position nicht auszunutzen, indem sie den Wettbewerb behindern.
Hier dominiert Google den Suchmaschinenmarkt
In Europa hat Google sage und schreibe 92,8 Prozent des Suchmaschinenmarkts inne.„Aussichtsreichster“ Konkurrent ist mit 2,5 Prozent die Microsoft-Suchmaschine Bing, gefolgt von Yahoo mit 2,1 Prozent.
In Deutschland hält Google einen Marktanteil von 94 Prozent. Bing ist auch hier der größte Konkurrent – und liegt weit abgeschlagen mit zwei Prozent Marktanteilen auf Platz zwei. T-Online, eine der am meisten besuchten deutschen Webseiten, hat gerade einmal 1,1 Prozent des Suchmaschinenmarkts inne.
Google vereint in Italien 95 Prozent der Marktanteile auf sich. Yahoo und Bing verfügen insgesamt über vier Prozent des Markts. Ask, die viertgrößte Suchmaschine der USA nach Google, Yahoo und Bing kommt in Italien auf 0,3 Prozent der Marktanteile.
Googles Marktmacht ist für Google Verhältnisse relativ gering. Lediglich 90 Prozent des Markts hat der US-Konzern inne. Bing und Yahoo beanspruchen gemeinsam acht Prozent des Markts für sich – für europäische Verhältnisse ein vergleichsweise hoher Wert.
Polen hat seine eigene Suchmaschine – Onet. Die hält allerdings nur 0,4 Prozent der Marktanteile – Google dagegen kommt auf einen Wert von 97 Prozent. Yahoo und Bing vereinen 1,8 Prozent auf sich.
„Google hat nun zehn Wochen Zeit, um zu antworten“, sagte Vestager. Eine Frist für eine Entscheidung der EU-Kommission gibt es nicht, Experten rechnen aber mit mindestens einem Jahr. Alle Wege seien noch offen, betonte Vestager. Aber wenn es am Ende keine Lösung gebe, werde die Kommission nicht vor einer Strafe zurückschrecken.
Die Kommission wolle sich allerdings nicht in die Funktionsweise von google Sucheformel einmischen, betonte Vestager.
Das Android-Verfahren könnte tief in Googles Geschäftsmodell mit dem meistgenutzten Smartphone-Betriebssystem schneiden. Android ist an sich frei und kostenlos, aber Hersteller müssen Gebühren bezahlen, wenn sie Google-Dienste wie Maps oder GMail auf ihren Geräten anbieten wollen. Dabei muss man das gesamte Paket buchen und darf sich nicht einzelne Dienste wie Google Maps aussuchen. Brüssel stört sich an dieser Praxis.





Die Kommission will außerdem prüfen, ob Google mit Anreizen für Hersteller, seine Dienste und Anwendungen exklusiv vorzuinstallieren, Konkurrenten illegal beeinträchtigt habe. Außerdem soll untersucht werden, ob der Konzern Anbieter behindert habe, die eigene Android-Versionen vermarkten wollten.
Android hat aktuell weltweit einen Marktanteil von über 80 Prozent im Smartphone-Geschäft. Zugleich werden vor allem in China viele Android-Geräte komplett ohne Google-Dienste verkauft.
Vestager betonte, bei Android wolle sie „sicherstellen, dass die Märkte in diesem Bereich sich entwickeln können, ohne dabei von einem Unternehmen durch wettbewerbswidrige Handlungen behindert zu werden.“
Google hatte sich im Zuge des Verfahrens zur Internet-Suche mehrfach zu Zugeständnissen bereiterklärt, die Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia ausreichend fand. In der Kommission gab es jedoch Widerstände gegen eine Einstellung des Verfahrens. Den Konkurrenten und Unternehmen aus der Medienbranche gingen Googles Zugeständnisse nicht weit genug. Sie wollen unter anderem einen prominenteren Platz bei der Anzeige von Suchergebnissen.
In einem Wettbewerbsverfahren in der EU kann die Strafe bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes erreichen. Im vergangenen Jahr setzte Google 66 Milliarden Dollar um. Angesichts der Geldreserven von über 60 Milliarden Dollar wäre für Google auch eine Milliardenstrafe zwar leicht zu stemmen. Veränderungen in der Suchmaschine könnten den Konzern aber empfindlich treffen: Google macht sein Geld nach wie vor hauptsächlich mit Anzeigen im Umfeld der Internetsuche.