Klage gegen Facebook Mit einem Vergleich wird Facebook dieses Mal nicht davonkommen

Die US-Wettbewerbsbehörde FTC sowie 46 US-Bundesstaaten und Territorien haben das soziale Netzwerk Facebook verklagt. Quelle: AP

Im Silicon Valley ist es bewährte Tradition, Innovation zuzukaufen. Nun stellen gleich mehrere Klagen gegen Facebook sie in Frage. Müssen jetzt auch Milliarden-Deals wie jüngst der von Salesforce gestoppt werden?

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Es ist gerade mal zwei Monate her, als der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses die früher bewunderten und hofierten Tech-Konzerne Amazon, Apple, Facebook und Google als wettbewerbsschädlich und gefährlich für Wirtschaft und Gesellschaft geißelte. Sie hätten Demokratie und Innovation unterhöhlt. Das von der demokratischen Mehrheit der Antitrust-Gruppe verfasste Papier ätzte förmlich mit Kritik, zog Vergleiche zu Ölbaronen und Eisenbahn-Tycoons. Schließlich standen Wahlen vor der Tür.

Es war nicht nur Rhetorik, wie sich nun zeigt: Seitdem hat das US-Justizministerium Anti-Trustklage gegen Google erhoben. Nun geht es auch Facebook an den Kragen. Die US-Wettbewerbsbehörde FTC sowie 46 US-Bundesstaaten und Territorien haben das soziale Netzwerk verklagt. Nur South Dakota, South Carolina, Alabama und Georgia machen nicht mit. Federführend sind New York sowie Facebooks Heimatstaat Kalifornien.

Die FTC sowie die Generalstaatsanwälte in ihrer separaten Klage wollen gerichtlich feststellen lassen, dass das von Gründer Mark Zuckerberg geformte und geführte Imperium den Wettbewerb behindert. Unter anderem, indem es planmäßig tatsächliche und mögliche Konkurrenten aufkauft, um sie rechtzeitig zu eliminieren oder für sich arbeiten zu lassen. Facebook soll Übernahmen im Wert von über zehn Millionen Dollar ab sofort den US-Bundesstaaten vorab mitteilen müssen.

Sehen das Richter ebenso (und es ist dank E-Mails, Chat-Protokollen und Zeugenaussagen gut dokumentiert), dann müsste Facebook seine zugekauften Dienste Instagram und WhatsApp abspalten und entweder ganz oder teilweise in die Unabhängigkeit entlassen. Facebook-Chef Zuckerberg und seine Anwälte bereiten sich schon seit Monaten auf Klagen vor. Sie argumentieren, dass die FTC die Übernahmen nach langen Prüfungen genehmigt habe. Seit einem Jahr hat Zuckerberg zudem Anstrengungen verstärkt, WhatsApp und Instagram noch stärker mit dem sozialen Netzwerk zu verschmelzen.

Vollendete Tatsachen zu schaffen, ist eine bewährte Taktik im Silicon Valley. Das Kalkül ist, dass die Verbraucher so angetan sind, dass sie bei einem Verbot auf die Barrikaden gehen würden. So sind auch der Logistiker Uber und der jetzt an die Börse gehende Touristikkonzern Airbnb trotz Verstößen gegen Gesetze groß geworden.

Sollte die Regierung Zuckerberg zum Aufspalten zwingen, so machte der Tycoon seinen Mitstreitern im vergangenen Jahr bei einem von den US-Medien geleakten Mitschnitt einer Mitarbeiterversammlung klar, sei das eine existenzielle Bedrohung. Deshalb „werde er in den Ring steigen und kämpfen.“ Die Dienste müssten auch nicht voneinander gelöst werden. „Wir werden uns vor Gericht durchsetzen.“

von Peter Steinkirchner, Henryk Hielscher, Matthias Hohensee, Andreas Macho, Cornelius Welp, Silke Wettach

Das bekräftigte Zuckerberg in einer internen Nachricht an seine Mitarbeiter am Mittwoch nochmals. Von Monopol könne keine Rede sein. Man habe starke Konkurrenten wie Google, Twitter, Snapchat, iMessage, TikTok und Youtube. „Wir gehen davon aus, dass individuelle Teams oder Positionen nicht beeinträchtigt werden“, müht er sich um Normalität in seinem Unternehmen.

Wie geht es nun weiter? Mit einem Vergleich, wie im vergangenen Jahr, wird Facebook diesmal nicht davonkommen. Damals hatte der Konzern akzeptiert, wegen Verstößen gegen Datenschutzgesetze ein Rekord-Bußgeld von fünf Milliarden Dollar zu zahlen und mehr auf Privatsphäre zu achten. Seitdem darf Zuckerberg in solchen Dingen nicht mehr allein entscheiden, sondern muss unabhängige Experten konsultieren und der FTC alle drei Monate darüber Bericht erstatten. Aber diesmal ist es eben nicht nur die Wettbewerbsbehörde. Sondern auch die Bundesstaaten. Sie fordern grundlegende Änderungen. Die jeweiligen Generalstaatsanwälte wollen dies auch politisch vermarkten, wie einst beim Feldzug gegen Nikotin und Microsoft, was es eine Einigung erschwert.

Es wird ein Gefecht, an dem vor allem Anwälte verdienen werden. Die Klagen gegen Google und Facebook werden sich Jahre hinziehen. Aber es ist auch eine weitere Zäsur für US-Techkonzerne. Das Damoklesschwert hängt nicht nur über den beiden Angeklagten sowie Amazon und Google, sondern der gesamten Branche.

Das große Fragezeichen für die Tech-Konzerne

Die gezielte Übernahme von Unternehmen, statt alles selbst zu entwickeln, ist eine langjährig erprobte und zudem erfolgreiche Strategie. Nun ist sie mit Fragezeichen behaftet. Muss etwa der gerade vereinbarte 27,7 Milliarden schwere Kauf des Kommunikationssoftware-Spezialisten Slack durch Salesforce wieder abgeblasen werden? Oder ist der okay, weil er sich vornehmlich gegen den Tech-Giganten Microsoft richtet und Slack sonst über kurz oder lang plattgemacht worden wäre? Aber ist Salesforce nicht selber ein Tech-Gigant? Wo ist die Grenze?

Mehr noch: Ist das Einschränken von Zukäufen unfair gegenüber aufstrebenden Unternehmen, die im Gegensatz zu Google oder Amazon sich nun nicht mehr durch Übernahmen groß und breit machen können?



Es sind Fragen, die Gerichte allein nicht werden klären können. Der Gesetzgeber muss ran. Ob er das tut und wie, wird vor allem davon abhängen, ob die Demokraten bei der Stichwahl in Georgia am 5. Januar doch noch die Mehrheit im US-Senat erringen. Sie könnten dann Gesetze ändern.

Die Demokraten haben am lautesten über die Macht der Tech-Konzerne getönt, obwohl sie deren Mitarbeitern am nächsten stehen. Aber selbst, wenn sie die zwei Senatssitze aus Georgia erringen, ist ihre Mehrheit knapp und so von vornherein politisch aufgeladen.

Dabei wäre ein Vorgehen gegen Big Tech noch nicht mal schlecht für das Silicon Valley. Die Wagnisfinanzierer hier grummeln schon länger hinter vorgehaltener Hand, dass die Tech-Konzerne zu viel Macht haben und letztlich bestimmen, welche Jungunternehmen existieren dürfen und welche nicht. Die Sorge ist, dass Monokulturen entstehen und junge Unternehmen sich im Schatten der Großen nie richtig entfalten können und groß werden. Oder aber in deren Strahlkraft weggeschmolzen werden, wenn sie zu nah kommen, wie sich ein anonym bleibender Wagniskapitalgeber in Washington einmal poetisch über die Macht der „Sonne Amazon“ beschwerte.

Andererseits hat Google im Schatten beziehungsweise in den Sonnenstrahlen von Microsoft floriert. Ebenso wie später Facebook vor der direkten Haustür von Google.


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Aber damals waren die Tech-Giganten bei Weitem nicht so vernetzt und mächtig wie heute, wo sie die Regeln diktieren. Das Beste wäre, wenn Tech-Unternehmen gezwungen würden, ab einer bestimmten Größe den Zugriff auf ihre Plattformen leichter zu gewähren. Oder den Umzug auf konkurrierende Plattformen liberaler zu gestalten. Die Macht müsste stärker in die Hände des Verbrauchers gelegt werden.

Mehr zum Thema: Experten halten eine Zerschlagung von Facebook für möglich – doch effektiver wäre eine andere Regulierung.

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