Koenzens Netzauge

WLAN-Verbote: Die verkehrte Welt

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Grundrecht auf Privatsphäre ist in Gefahr

Vor wenigen Tagen dann, und als Folge der neuerlichen Terroranschläge in Paris im November, wurde ein Arbeitspapier aus dem Innenministerium bekannt, das deutliche Einschränkungen in Bezug auf die Nutzung des Internets vorsieht. Laut einem Bericht in Le Monde sieht das Papier neben einem generellen Verbot des TOR-Netzwerks in Frankreich, über das Internet-Nutzer anonym surfen und kommunizieren können, und dem Ruf nach Hintertüren für VoIP-Dienste auch vor, dass offene WLAN-Netze im Fall eines Ausnahmezustands geschlossen werden müssen. Ähnliche Forderungen kennt man bislang nur aus China.

Frankreichs Premier Manuel Valls erteilte den Forderungen der französischen Sicherheitsbehörden im Rahmen eines Fernseh-Interviews zwar postwendend eine Absage, doch die Debatte dürfte damit nicht beendet sein.

So schön sieht WLAN aus
Zu Hause, im Büro und an öffentlichen Plätzen: WLAN ist überall. Aber wie sehen die Wifi-Strahlen eigentlich aus, haben sich der Tech-Blogger Nickolay Lamm und die Astrobiologin M. Browning Vogel Ph.D von der Nasa gefragt. Also griffen sie sich Bilder der Gegend um die Washingtoner National Mall und legten darüber Muster, wie das drahtlose Internet aussehen könnte. Wifi-Wellen haben eine gewisse Höhe und einen bestimmten Abstand zueinander. Er ist kürzer als bei Radiowellen und länger als bei Mikrowellen, sodass eine einzigartige Übertragung entsteht, die nicht durch andere Signale unterbrochen werden kann. Verschiedene Sub-Kanäle werden hier in verschiedenen Farben dargestellt. Quelle: gigaom.com
Die entstandenen Bilder zeigen eindrucksvoll, wie sich die unterschiedlichen Frequenzen der WLAN-Strahlen in der Öffentlichkeit verhalten. Hier werden die Impulse als bunte Kugeln visualisiert. Die Quelle ist rechts im Bild zu sehen. Jede Farbe steht für einen eigenen Ausschnitt aus dem elektromagnetischen Feld. Wifi-Felder sind meist sphärisch (wie hier) oder ellipsenförmig und erstrecken sich an öffentlichen Orten bis zu 300 Meter. Quelle: gigaom.com
Dieses Bild soll zeigen, dass die Impulse etwa sechs Zoll voneinander entfernt sind. Es wird auch deutlich, warum ein öffentlicher Platz nicht immer gleich gut mit Netz abgedeckt ist. Quelle: gigaom.com
Wifi-Antennen können an Bäumen, Laternenmasten oder auf Gebäuden befestigt werden. Mehrere Antennen können das komplette Gebiet um die National Mall abdecken. Das Internet legt sich hier wie eine Decke auf den Platz. Quelle: gigaom.com
Internetwellen sind überall - das machen uns die Bilder eindrucksvoll klar. Aber allen Berichten über schädliche Wirkungen zum Trotz: Sie sind einfach wunderschön. Quelle: gigaom.com

Falsche Signale

Für das digitale Deutschland kommt diese Diskussion zur Unzeit. Gerade hatten sich auch Innen- und Sicherheitspolitiker einigermaßen mit den Plänen für offene Netze arrangiert – diese hatten stets befürchtet, flächendeckende Hotspots würden zu einem Anstieg der Kriminalität führen und den Terrorismus befördern – denkt der erste unserer beneideten Nachbarn über eine veritable Rolle rückwärts nach.

Dabei müssen sowohl die Wirksamkeit, als auch die Durchsetzbarkeit und die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen massiv angezweifelt werden. Oder glauben wir ernsthaft, Terroristen planten im Starbucks Hotspot ihre Anschläge? Und wie würde Frankreich ein Verbot des TOR-Netzwerkes technisch realisieren? Experten halten das für ein extrem komplexes Unterfangen.

Allein die offenbar ebenfalls angedachten Hintertüren für die verschlüsselte VoIP-Kommunikation könnten einen realen Erkenntnisgewinn bringen. Aber sie bergen eben auch große Risiken für die Wirtschaft und gefährden das Grundrecht auf Privatsphäre von Millionen von Bürgern. Spätestens der Europäische Gerichtshof dürfte hier begründete Bedenken haben.

Bleibt zu hoffen, dass sich die deutsche Politik von den Diskussionen jenseits der Grenzen nicht beirren und von ihrem Weg abbringen lässt. Das wäre ein herber Dämpfer für all jene, die sich seit Jahren dafür einsetzen, dass der deutsche Sonderweg in Sachen öffentlicher und freier WLAN-Zugänge endlich ein Ende hat. Und ein herber Dämpfer für diejenigen, die auf Basis dieser breitbandigen Drahtlosnetze neue, innovative Geschäftsmodelle realisieren möchten.

Ein schneller, mobiler Internet-Zugang ist ein fester Teil des modernen Lebens. Den sollten wir uns durch reflexartigen Anti-Terror-Aktionismus nicht nehmen lassen.

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