Kommentar zu Netflix Zur Größe verdammt

Netflix begeistert die Aktionäre: Millionen neuer Abonnenten nutzen die Online-Videothek. Doch das Unternehmen geht mit seinen massiven Investitionen ein hohes Risiko ein – Wachstum geht über alles. Ein Kommentar.

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Mit Eigenproduktionen wie „House of Cards“ hat Netflix den TV-Markt in den USA umgekrempelt. Ob das auch weltweit gelingt? Quelle: dpa

Die Zuschauer lieben neue Serien wie „Narcos“, der Geschichte des kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar. Und weil das so ist, lieben die Investoren Netflix: Der Plattform ist es im vergangenen Quartal gelungen, mit selbstproduzierten Inhalten wie dem Drogendrama Millionen neuer Abonnenten zu gewinnen. Um fast 20 Prozent legte der Aktienkurs nach der Vorlage der Zahlen zu.

Doch das Happy End ist längst nicht in Sicht. Denn für die Expansion in alle Welt und die eigenen Produktionen gibt Konzernchef Reed Hastings Milliarden von Dollar aus. Um die Investitionen wieder einzuspielen, muss er auch außerhalb der USA Erfolg haben und sich gegen mächtige Anbieter wie Amazon durchsetzen. Gelingt das nicht, könnte das Unternehmen selbst Stoff für ein Drama bieten.

Der Konzern hat eine hehre Mission: Er will der erste globale Anbieter für Internet-Fernsehen werden. Nach dem erfolgreichen Start im Heimatmarkt USA hat er zu einer rasanten Expansion angesetzt, in mehr als 190 Ländern ist der Online-Dienst inzwischen verfügbar. Gelingt es ihm, zum Synonym für Online-Videotheken zu werden, wie es Amazon und Google in ihren Domänen gelungen ist, lockt ein gigantisches Geschäft.

In den USA ist Netflix bereits eine Marke, die jeder kennt. 46,5 Millionen Haushalte abonnieren den TV-Dienst, teilweise als Ersatz für die überteuerten Kabelpakete. Kein anderes Unternehmen hat das Fernsehverhalten in der jüngeren Vergangenheit so verändert, beispielsweise mit dem „binge watching“ ganzer Staffeln an einem Wochenende. Diesen Erfolg will der Pionier auf die ganze Welt übertragen.

Das aber ist gar nicht so einfach. Das erste Problem: Netflix ist stark vom Heimatmarkt abhängig. Hier verdient das Unternehmen das Geld für die internationale Expansion. Doch das Wachstum lässt seit zwei Jahren nach – einerseits, weil der Dienst bereits in vielen Haushalten über die Bildschirme flimmert und es somit schwieriger wird, neue Kunden zu gewinnen. Andererseits, weil die Konkurrenz um Aufmerksamkeit und Dollars härter wird. Zuletzt kamen 400.000 zusätzliche Abonnenten hinzu – mehr als prognostiziert, aber weniger als vor einem Jahr. Immerhin ist dank einer Preiserhöhung der Umsatz pro Kunde gestiegen.

Das zweite Problem: Im Ausland ist die Marke längst nicht so stark. Natürlich haben Produktionen wie „House of Cards“ und „Breaking Bad“ Fans in aller Welt. Doch solche Blockbuster allein reichen nicht, Netflix muss lokale Inhalte anbieten und massiv Werbung machen. Zumal die Konkurrenz ebenfalls investiert, ob Amazon, Hulu oder lokale Anbieter wie Maxdome. Wenn das Unternehmen im nächsten Jahr sechs Milliarden Dollar für eigene Produktionen ausgeben will, ist das auch der internationalen Expansion geschuldet. Das macht sich in der Bilanz bemerkbar. Der freie Cashflow, der als Indikator für die Rückzahlungsfähigkeit von Krediten gilt, ist seit zwei Jahren negativ und betrug im dritten Quartal fast minus 500 Millionen Dollar.

Netflix gibt also massiv Geld aus, um zu einer weltweiten Marke zu werden. Das Unternehmen ist dazu allerdings auch verdammt: Nur wenn in den nächsten Monaten und Jahren weiter Millionen von Abonnenten hinzukommen, rechnet sich das.

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