Kooperation von Adobe und Microsoft „Wer sich nicht wandelt, geht unter“

Unternehmen, die sich nicht rund um Kundenbedürfnisse neu erfinden, werden untergehen. Das ist die Botschaft von Adobe. Zusammen mit Microsoft will der US-Konzern Firmen beim Wandel helfen. Ein Angriff auf die Rivalen.

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Diese Jobs mischen Roboter auf
IndustrieSchon heute werden viele Arbeitsschritte von Maschinen übernommen - doch die vernetzte Produktion setzt auch in den Werkshallen eine weitere Automatisierungswelle in Gang. Das muss unterm Strich aber nicht zwangsläufig zu Jobverlusten führen, heißt es aus der Wirtschaft: Bereits Ende 2016 lag Deutschland bei der „Roboter-Dichte“ weltweit auf Platz drei hinter Südkorea und Japan - und trotzdem sei die Beschäftigung auf einem Rekordstand, erklärt der Maschinenbau-Verband VDMA. Auch der Präsident des Elektronik-Branchenverbandes ZVEI, Michael Ziesemer, sagt: „Es können auch mehr Jobs entstehen als wegfallen.“ Die Digitalisierung werde eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und damit neue Stellen hervorbringen. „Wer kreativ ist, rangeht und sich Dinge überlegt, hat jede Menge Chancen.“ Quelle: dpa
Das vernetzte und automatisierte Fahren dürfte künftig viele Jobs überflüssig machen Quelle: dpa
BüroSchreibarbeiten, Auftragsabwicklung und Abrechnungen - Büro- und kaufmännische Fachkräfte erledigen nach Experteneinschätzungen Arbeiten, die heute schon zu einem hohen Grad automatisierbar sind. Dadurch könnten auch viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen: Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind in solchen Berufen tätig. Quelle: dpa
Der Handel wurde als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung erfasst - entsprechend laufen im Online-Handel viele Prozesse automatisiert ab Quelle: dpa
Sie melken die Kühe, füttern, misten aus und helfen beim Ernten - Roboter haben längst auch auf den Bauernhöfen Einzug gehalten Quelle: dpa
Roboter in der Pflege - was in Japan bereits zum Alltag gehört, bereitet vielen Menschen in Deutschland noch eher Unbehagen Quelle: dpa
Auch im Haushalt tun Roboter schon ihren Dienst Quelle: dpa

Wer sich nicht an die Kundenbedürfnisse anpasst, geht unter. Adobe-Chef Shantanu Narayen weiß genau, wovon er redet. „2008 haben wir an einem Scheideweg gestanden“, erklärte er freimütig am Dienstag vor mehreren tausend Zuhörern in Las Vegas beim Adobe Summit für digitales Marketing. Bei Kundenkonferenzen waren Adobe-Vertreter damals anwesend und die in der Werbeindustrie weit verbreiteten Produkte wie Creative Suite „liefen großartig“.

Aber Adobe war „einfach nicht mehr auf dem Radar“ der großen Medienunternehmen. Die suchten immer mehr integrierte Lösungen statt getrennt gekaufte Softwarepakete für einzelne Bereiche wie Anzeigengestaltung, Fotobearbeitung oder Kampagnenbewertung.

Was folgte, so Narayen, war „eine der größten Umstrukturierungen in der Gesichte der Softwareindustrie.“ 2009 erreichte die Adobe-Aktie ein Zehnjahrestief bei knapp 17 Dollar. Heute ist Adobe Marktführer bei digitaler Werbung und Marketing aus der Cloud.

Damit hat Microsoft 2015 am meisten umgesetzt

Die Aktie steht mit 125 Dollar nahe einem Allzeithoch. Das Digitalgeschäft stellte im ersten Quartal 2017 mit 1,14 Milliarden Dollar bereits die Mehrheit des Gesamtumsatzes von 1,68 Milliarden Dollar. Getragen wird das Geschäft von der Creative-Cloud für Medien- und Werbeunternehmen, der Document-Cloud (Datenverwaltung) sowie aus der neuen Marketing-Cloud mit 477 Millionen Dollar Quartalsumsatz. Vor allem mit der Marketing-Sparte greift Adobe jetzt Gegner wie Salesforce, Oracle und auch Amazons Cloud-Tochter AWS an.

Und dafür hat sich Narayen Verstärkung geholt. Die am Dienstag vorgestellte „Adobe Experience Cloud“, die jetzt als Schirm über die Marketing-Cloud, die Daten-Analyse-Cloud und die Advertising-Lösung gespannt wird, läuft auf Microsofts Cloud-Plattform Azure und wird mit den wichtigsten Microsoft-Diensten aus dem Business-Bereich wie Dynamics und Business Intelligence verbunden.

Damit wollen sich die Partner als Alternative zu Amazons Cloud-Dienst AWS oder Oracles Marketing-Software in Position bringen. AWS ist das größte Zugpferd im Stall von Amazon-Gründer Jeff Bezos - mit einem Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar im vierten Quartal 2016. Ein Jahr zuvor waren es noch 2,4 Milliarden. Doch Microsoft hat mit Azure erfolgreich den Kampf um die großen Unternehmenskunden aufgenommen.

Das ist Satya Nadella

Microsoft-CEO Satya Nadella will 2018 die Umsatzmarke von 20 Milliarden Dollar in der Cloud überschreiten. Es gilt heute die Kunden zu gewinnen, der Markt ist „red hot“, wächst dramatisch. Nach Berechnungen der Marktbeobachter von Canalys ist der globale Markt nur für Cloud-Infrastrukturen wie Rechenleistung und Basisdienste im vierten Quartal um 49 Prozent zum Vorjahresquartal auf 10,3 Milliarden Dollar angewachsen. AWS beherrscht 33,8 Prozent des Weltmarktes, die drei Nachzügler Microsoft, Google und IBM kommen zusammen auf 30 Prozent. Spätstarter Oracle kommt auf 1,7 Prozent.

Wie dramatisch die Auswirkungen der Neuorientierung eines gesamten Unternehmens auf die Kundenbedürfnisse sein können, sollte in Las Vegas die US-Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile US, zeigen. Der lange erfolglose Mobilfunkanbieter steckte ab 2012 sein gesamtes Geld in den Netzausbau und den kompletten Umbau des Geschäftsmodells. „Wir haben uns vor vier Jahren eine dämliche, arrogante und völlig abgehobene Branche vorgenommen“, die „jegliche Verbindung zu ihren Kunden verloren hatte“, so Nicholas Drake, Vizepräsident für Digitalentwicklung bei T-Mobile US. Wichtige Schritte, um diese Industrie bis ins Mark zu erschüttern, seien eine Neuorganisation der Betriebsstruktur um Kundenzentrierung herum und der konsequente Einsatz digitaler Techniken gewesen.

Neue Flexibilität beim Kundenservice

Ein absoluter Renner sei dabei der „T-Mobile-Tuesday“, der T-Mobile-Dienstag, gewesen. „Keine komplizierten Loyalitätsprogramme, Sammelpunkte, Einlösevorschriften, Wartezeiten, Beschränkungen“, so Drake. Jeden Dienstag gibt es ganz einfach über die T-Mobile-App einen freien Kaffee von Dunkin‘ Donuts oder eine Pizza oder Kinokarten oder sonst was. T-Mobile.com wurde komplett überarbeitet und die Zahl der Klicks bis zu einem Kauf um 60 Prozent reduziert. Statt bis zu 200 undurchschaubaren Mobilfunkplänen gibt es nur noch einen einzigen: Unbegrenzt Telefonieren, SMS-Service und Datenvolumen fürs Internet (in den USA).

Der Einsatz der Adobe-Cloud, der Software im Internet, sei ein zentraler Punkt für die Kundenorientierung gewesen. Was sonst „Tage oder Wochen“ gedauert hätte, passiert jetzt in Minuten. Die Kunden sehen auf ihrem Smartphone eine völlig auf sie zugeschnittene Web-App. Der Lohn: eine Steigerung von 32 Millionen Kunden in 2012 auf 73 Millionen in 2016.

Eine Kooperation mit Google ist der jüngste Versuch, mehr Kunden anzulocken. Ein Klick auf eine Anzeige verbindet sofort mit einem Verkaufsberater im nächstgelegenen T-Mobile-Shop. Und in San Francisco werden freigeschaltete Smartphones mit Vertrag schon am selben Tag ausgeliefert. Ziel ist: 23 Minuten vom Auftragseingang bis zum Kunden in der Innenstadt.

Hassobjekt, Marktbeherrscher, Nachahmer
Die Belegschaft von Microsoft im Jahr 1978 Quelle: AP
Im Jahr 1981 posieren Bill Gates (rechts) und Paul Allen. Bill Gates hat sich mittlerweile auf eine Beraterrolle im Unternehmen zurückgezogen und ist als Philanthrop tätig. Paul Allen hat ebenfalls Milliarden mit Microsoft gemacht, spendet einen Teil seines Vermögens. Er investiert aber auch etwa in Sport-Mannschaften. Ihm gehören die Seattle Seahawks (American Football) und die Portland Trail Blazers (Basketball). Quelle: dpa/picture-alliance
Bill Gates stellt Microsoft XP vor Quelle: AP
Die Packung der ersten Version des Betriebssystems Microsoft Windows. Das damals als Erweiterung zu MS-DOS veröffentlichte Programm kam erstmals 1985 auf den Markt. In den Folgejahren sollte Windows das Fundament für ein Milliardenimperium werden. Es war allerdings nicht das erste Betriebssystem mit grafischer Benutzeroberfläche – IBM und Apple hatten bereits vorher die Idee umgesetzt. (Foto: Szilveszter Farkas) Quelle: Creative Commons
Ein undatiertes Foto zeigt den jungen Bill Gates in seinem Arbeitszimmer. Zum Start von Windows 1.0 gab es weltweit lediglich sechs Millionen Personal Computer. Erst rund fünf Jahre später, im Jahr 1990, gelang dem Software-Entwickler aus Redmond ein durchschlagender Erfolg mit Windows 3.0. Quelle: picture-Alliance/dpa
Bill Gates stellt die Version 95 des Betriebssystems vor. Quelle: dpa
 Ein Finger zeigt auf die Office Apps von Microsoft: Exel (l-r), Powerpoint und Word, die auf einem iPad Air zu sehen sind. Quelle: dpa

Die nahtlose Zusammenführung von Werbegestaltung, -einkauf und –kontrolle sowie Marketing, Datenanalyse und die Verbindung von Kundendaten mit externen Quellen wie LinkedIn (von Microsoft für 26 Milliarden Dollar gekauft), Facebook oder Twitter bringt nach Meinung von Adobe eine völlig neue Flexibilität bei der Kundenansprache und beim Kundenservice. Der gesamte adressierbare Markt, um den sich die großen Anbieter schlagen werden, liege bei über 40 Milliarden Dollar, so Narayen. Adobe erwartet für das laufende Jahr im Cloud-Bereich mindestens 4,4 Milliarden Dollar Umsatz.

Gartner-Analyst Mick MacComascaigh hält die neuen Angebote für vielversprechend: „Adobe zementiert damit seine Marktführerschaft in angestammten Bereichen und expandiert in die Bereiche des Kundenservice“, erklärt er im Gespräch mit dem Handelsblatt. Hier ist zum Beispiel der Cloud-Marketing- und Vertriebsriese Salesforce.com besonders erfolgreich.

Brisant ist noch ein weiterer Vorstoß der Allianz Adobe-Microsoft: Zusammen mit anderen Partnern wird an einem gemeinsamen Standard für Cloud-Daten gearbeitet. Dadurch soll es einfacher werden, Datenbestände nahtlos zwischen den großen Cloud-Gesellschaften hin und her zu schieben. Solche Veränderungen treffen in erster Linie Marktführer und Spätstarter. Amazons AWS und auch Oracle sind auch nicht auf der Unterstützerliste des Projekts zu finden. Updates will Microsoft auf seiner Hausveranstaltung Build im Mai in San Francisco liefern.

IBM derweil nutzt die Gunst der Stunde auf seine Weise. Wer als Teilnehmer der Adobe-Veranstaltung im Venetian Hotel gebucht ist, der braucht nur seinen Teilnehmer-Plakette vorzuzeigen und darf dann kostenlos bei der parallel stattfindenden Hausmesse IBM Amplifly im benachbarten MGM Grand Hotel reinschauen und sich „Watson“, die Cloud-Antwort von Big Blue anschauen. Reisezeit mit dem Taxi: zehn Minuten.

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