WirtschaftsWoche: Herr Yang, können Sie sich an Ihre erste Computer-Erfahrung erinnern?
Yang Yuanqing: Ein Freund meiner Eltern hat mich darauf gebracht, er meinte: Computer werden das große Ding. Ich habe ihm das geglaubt und daher in Shanghai und Peking Computerwissenschaften studiert.
Lenovo ist heute eine der wenigen chinesischen Marken, die international bekannt sind. Was haben Sie anders gemacht als die Konkurrenz?
Unser Ziel war immer, ein globales Unternehmen zu werden. Lenovo ist hartnäckig und hat immer von seinen Mitbewerbern gelernt. Wir haben die PC-Sparte von IBM in den USA und Medion in Deutschland gekauft, sind mit NEC in Japan ein Joint Venture eingegangen – von all diesen Unternehmen haben wir gelernt. Wir haben deren Stärken genutzt und uns einverleibt. Deswegen sind wir heute ein diversifiziertes, internationales Unternehmen.
Zur Person
Yang, 49, steht seit 2009 zum zweiten Mal an der Spitze des Lenovo-Konzerns. Der studierte Computertechniker startete dort 1989 und machte das Unternehmen zum weltgrößten PC-Hersteller.
Was hat Lenovo denn von IBM gelernt?
Zum Beispiel haben bei Meetings unsere amerikanischen Kollegen immer geredet, die Chinesen aber geschwiegen. In unserer Kultur redet man nur, wenn der Chef einen explizit nach seiner Meinung fragt. Wenn man schweigt, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass man derselben Meinung ist. Das gab anfangs viele Probleme. Der Leiter der Meetings dachte, okay, wir sind alle derselben Meinung. Später war er erstaunt, als sich herausstellte, dass dem nicht so war. Beide Kulturen haben ihre Vorteile. Nur wenn man die Unterschiede nicht versteht, hat man Probleme. Heute ermutigen wir alle unsere Mitarbeiter, ihre Meinung zu sagen.
Das Klischee sagt, Chinesen scheuen sich vor Eigenverantwortung. Ist das so?
Mehr Verantwortung wollen alle, auch die chinesischen Mitarbeiter. Aber in der westlichen Kultur nimmt sie sich jeder proaktiv. In China warten die Leute, bis der Chef ihnen Verantwortung zuteilt.
Lenovo ist heute der weltgrößte PC-Hersteller. Ihre Marktanteile wachsen sogar noch weiter – nur schrumpft der Markt. Wie gehen Sie damit um?
Das ist noch immer eine 200-Milliarden-Dollar-Industrie, in der es sich lohnt, die Nummer eins zu sein. Gerade außerhalb Chinas können wir noch wachsen.
Wo genau?
In Europa und den USA, aber auch in Ländern wie Indonesien oder Indien.
Noch immer macht das PC-Geschäft 84 Prozent Ihres Umsatzes aus. Wie wollen Sie diese Abhängigkeit reduzieren?
Nachdem der Kauf von Motorola abgeschlossen ist, wird sich das ausbalancieren. Mobiltelefone und Tablets werden damit mittelfristig rund 30 Prozent unserer Umsätze ausmachen. Mit dem Motorola-Deal haben wir den Grundstein dafür gelegt, auch im Mobilbereich die Nummer eins zu werden. Das ist kein einfaches Ziel, das wir in ein oder zwei Jahren erreichen werden. Das wird länger dauern.
Wie lange denn? Fünf Jahre?
Ich kann keine Zahl nennen. Wenn Lenovo einmal ein Ziel formuliert, dann erreichen wir es auch. Das ist aber noch zu früh. Wird der Motorola-Deal genehmigt, rechnen wir damit, 100 Millionen mobile Endgeräte im Jahr zu verkaufen.
Motorola ist praktisch nur noch in den USA vertreten und spielt in Europa kaum eine Rolle. Wie wollen Sie hierzulande vorgehen – eher mit Lenovo-Smartphones oder Motorola-Geräten?
Motorola hat auch in Europa einen guten Ruf, auch wenn die verkauften Stückzahlen gering sind. Der Erwerb wird uns auf Märkten helfen, in denen wir Smartphone-Business noch nicht gestartet haben. Wir möchten mit Lenovo und Moto eine Zwei-Marken-Strategie fahren und jeweils die Marke positionieren, die sich auf dem jeweiligen Markt besser eignet.
Immer die Stärksten sein
Wollen Sie die Marke Motorola mittelfristig beibehalten, oder tragen irgendwann alle Geräte ein Lenovo-Label?
Unsere Markenstrategie steht noch nicht abschließend fest. Auf jeden Fall aber ist die Marke Moto legendär, besonders bei mobilen Endgeräten. Wir werden die Marke schützen und ausbauen – ähnlich wie wir das bei PCs mit „Think“ getan haben.
Warum ist Ihnen so wichtig, die Nummer eins zu sein? Apple etwa hat mit seinen iPhones eine sehr profitable Position.
Unsere Philosophie ist: Wenn man nicht die Nummer eins werden will, braucht man gar nicht erst antreten.
Wie wollen Sie auf dem Weg zur Spitze bei mobilen Geräten die innovativsten Unternehmen der Welt schlagen?
Im Gegensatz zu Ihren Konkurrenten fertigen Sie einen Großteil Ihrer Komponenten selbst. Welchen Vorteil hat das?
Der Anteil der In-Haus-Fertigung liegt bei etwa 50 Prozent. Dadurch haben wir mehr Einsicht in die Kostenstruktur und wissen besser, welche Preise man verlangen kann. Das macht uns flexibler, die Kundenwünsche zu erfüllen. Steigt die Nachfrage schnell, können wir ohne große Probleme die Produktion erhöhen. Der Mix ermöglicht uns, selbst innovativer zu sein, und bietet die Kontaktkanäle, um mit Zulieferern enger zusammenzuarbeiten. Und wir können Erfindungen leichter vor Kopien schützen. Deshalb möchten wir das so beibehalten.
In China steigen die Löhne jedes Jahr um fast zehn Prozent. Verlagern Sie Ihre Produktion bald in billigere Länder?
China ist immer noch billig. Aber Lohnkosten sind nicht das Einzige. Man braucht geeignete Arbeitskräfte und die Infrastruktur. Das sehe ich in anderen Ländern so nicht.
Ein Teil Ihres Erfolgs in China liegt an Ihrem Händlernetzwerk. Dort ist kein Kunde weiter als 50 Kilometer vom nächsten Lenovo-Händler entfernt. Wird es das so auch in anderen Märkte geben?
Als wir das Vertriebsnetz in China aufgebaut haben, war das Pionierarbeit. In jeder Provinz konnten wir so von Anfang an gewährleisten, immer die Stärksten zu sein. Das ist ein großer Vorteil bis heute. Wir können das auf westliche Märkte nicht übertragen. Aber es geht zum Beispiel in Indien oder Indonesien. Dort wollen wir das wiederholen.
Wie wichtig sind Sie selbst für Lenovo?
Lenovo war mein erster Job und mein einziger. Das Unternehmen ist mein Zuhause und meine Familie. Ich hoffe, ich kann die Mitarbeiter inspirieren. Das ist das wichtigste Element von Führung.