WirtschaftsWoche Online: Mister Benioff, Sie wollen in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Dollar in Deutschland investieren. Warum?
Marc Benioff: Deutsche Unternehmen wollen mit deutschen Anbietern Geschäfte machen; sie wollen mit Menschen zu tun haben, die so ticken wie sie selbst. Und sie wollen, dass Softwareanbieter die Unterschiede in Deutschland berücksichtigen, etwa die Art und Weise, wie hierzulande mit Datenschutz und IT-Sicherheitsvorgaben umgegangen wird. Es ist eben so, im Internet gibt es aktuell eine starke Tendenz zur Balkanisierung. Darauf möchten wir uns einstellen. Früher hatte Salesforce ein globales Produkt in Deutschland, jetzt wollen wir ein wirklich lokales, ein deutsches Produkt anbieten.
Was bedeutet das genau?
In Kürze eröffnen wir in Frankfurt unser erstes lokales Rechenzentrum. Unsere Kunden fordern, dass Salesforce hierzulande aus Sicherheitsgründen ein Rechenzentrum betreibt und deutsche Mitarbeiter beschäftigt – sprich, dass wir ein nationales Gut werden. Wir wollen nicht Salesforce in Deutschland sein, sondern Salesforce Deutschland.
Top 10 der Softwareunternehmen nach Umsatz 2013
Umsatz: 3,8 Milliarden Dollar
Wachstum: 33,3 Prozent (gegenüber dem Vorjahr)
Quelle: Gartner, März 2014
Umsatz: 4,2 Milliarden Dollar
Wachstum: -2,6 Prozent
Umsatz: 4,8 Milliarden Dollar
Wachstum: 14,1 Prozent
Umsatz: 4,9 Milliarden Dollar
Wachstum: -2,7 Prozent
Umsatz: 5,6 Milliarden Dollar
Wachstum: 4,9 Prozent
Umsatz: 6,4 Milliarden Dollar
Wachstum: -0,8 Prozent
Umsatz: 18,5 Milliarden Dollar
Wachstum: 9,5 Prozent
Umsatz: 29,1 Milliarden Dollar
Wachstum: 1,4 Prozent
Umsatz: 29,6 Milliarden Dollar
Wachstum: 3,4 Prozent
Umsatz: 65,7 Milliarden Dollar
Wachstum: 6,0 Prozent
Wo wollen Sie noch investieren?
Wir werden starke regionale Vertretungen in den sechs größten deutschen Städten einrichten und weitere Rechenzentren eröffnen. Und wir werden mehr Geld für Anteile an deutschen Unternehmen ausgeben. Wir haben uns beispielsweise mit einer größeren Summe an dem Berliner IT-Beratungshaus YourSL beteiligt. Solche Deals wird es in Zukunft verstärkt geben.
Sie haben schon in der Vergangenheit das Ziel ausgegeben, Deutschlands größter Softwareanbieter werden zu wollen. Bis wann?
Das können wir nicht genau sagen, aber es ist unsere Vision. Genauer formulieren können wir dieses Ziel: Wir wollen in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro umsetzen. Und wir sind uns sicher, das relativ kurzfristig erreichen zu können.
Im vergangenen Jahr erzielte Salesforce in ganz Europa einen Umsatz von einer Milliarde Dollar – bis Sie das für Deutschland schaffen, dürfte es also noch etwas dauern. Wie schwer ist es für Salesforce, sich im Heimatmarkt Ihres größten Konkurrenten SAP zu behaupten?
Wir haben damit keine Probleme. Viele deutsche Unternehmen kommen auf uns zu, weil sie Innovationen und Veränderungen wollen. SAP versorgt sie mit dem Rückgrat ihrer IT-Landschaft, aber dieses Rückgrat ist starr und hat sich in den vergangenen Jahren nicht sonderlich weiterentwickelt.
Vorstandschef Bill McDermott treibt SAP stark in Richtung Cloud Computing, also die Softwarebereitstellung über das Internet, und hat bereits einige Anbieter übernommen. Rückt SAP Ihnen damit bedrohlich auf die Pelle?
Nein, denn wir konzentrieren uns voll auf Kundenmanagement-Software. Bereits 2016 werden wir hinter Microsoft, Oracle und SAP der viertgrößte Softwareanbieter der Welt sein. SAP hat zwar Cloud-Anbieter wie Concur oder SuccessFactors gekauft, die bewegen sich aber nicht in unserem Markt.
Noch mehr Übernahmen geplant
Salesforce ist 2014 um mehr als 30 Prozent gewachsen und hat einen Börsenwert von mehr als 45 Milliarden Dollar. Wie lange tolerieren Ihre Aktionäre denn noch Verluste zugunsten von Wachstum?
Die veröffentlichten Verluste beeinflussen nicht unsere Liquidität. Diese Buchverluste hängen unter anderem mit immateriellen Kosten wie etwa den ausgegebenen Aktienoptionen zusammen, die wir als Ausgaben verbuchen müssen. Das hat aber nichts mit unserem Geschäftsmodell zu tun.
Im Markt für Unternehmenssoftware gab es jüngst eine Konsolidierungswelle, bei der Salesforce weitgehend an der Seitenlinie stand. Wird sich das ändern?
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren mehr als zwei Dutzend Unternehmen gekauft. Und wir werden in Zukunft sogar noch mehr Übernahmen durchziehen.
Im Frühjahr gab es umgekehrt Gerüchte, Sie könnten Salesforce an Microsoft oder einen anderen IT-Konzern verkaufen. Haben Sie das Interesse an dem Unternehmen verloren, das Sie vor 16 Jahren gegründet haben?
Nein. Ich war noch nie so begeistert von der langfristigen Perspektive von Salesforce wie aktuell. Ich möchte das Unternehmen und die Marke weiter ausbauen – auch und gerade in Deutschland.
Sind hierzulande Themen wie die Digitalisierung und Industrie 4.0 im Bewusstsein des deutschen Mittelstands angekommen?
Absolut. Im Gegensatz zu SAP, die vor allem auf Konzerne fokussiert sind, bedienen wir auch kleinere Unternehmen. Und die wissen, dass sie sich verändern müssen.
Deutschland rühmt sich einer kleinen, aber wachsenden Start-up-Szene, insbesondere in Berlin. Wie bewerten Sie den Markt aus der Perspektive des Investors?
Wichtig ist, dass noch mehr Risikokapital verfügbar ist und dass man Entrepreneure darin schult, wie man weltweit expandiert, statt zu früh zu verkaufen.
Ist die Start-up-Szene schon groß genug, dass sie überlebt?
Auf jeden Fall. Ich bin mir sicher, dass Deutschland langfristig eine wichtige Quelle von Technologie-Start-ups sein wird. Das Silicon Valley nimmt eine Ausnahmerolle ein. Aber verglichen mit der Szene in Israel, China, Brasilien oder Großbritannien, steht Deutschland schon ganz gut da.