Microsoft setzt auf Bots Satya Nadella ruft das Ende der Apps aus

Microsoft lässt die von Apple und Google beherrschten Apps verschwinden: Digitale Software-Butler – Bots – sollen sich vor die Programme schalten – und die Befehle des Nutzers erfüllen. Ein riskantes Abenteuer.

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Microsoft-Chef Satya Nadella Quelle: AP,AP

Was macht man, wenn die Konkurrenz von Apple und Google uneinholbar die Welt der Apps beherrschen? Man macht Apps einfach überflüssig oder degradiert sie zu unsichtbaren Helfern im Hintergrund.

So sieht die Zukunft aus, wie sie Microsoft-Chef Satya Nadella am Dienstag in San Francisco gezeichnet hat. Der Mensch der Zukunft spricht mit seinem Computer, genauer gesagt seinem digitalen Assistenten so wie mit einem andren Menschen in normalen Sätzen. „Cortana“ heißt dieser Assistent bei Microsoft. Oder er tippt einen Wunsch in das Fenster seines Lieblings-Chatdienstes wie Whatsapp oder Skype ein.

Ein „Bot“, sozusagen ein Software-Butler, greift den Wunsch auf, nimmt Kontakt zur gewünschten App oder Webseite auf und bucht oder bestellt auch gleich. Oder er empfiehlt dank künstlicher Intelligenz eine App, die man aufrufen sollte. Sind die Rahmendaten wie Zahlungsdetails und ähnliches einmal eingegeben, nimmt der Mensch die App nie mehr wirklich wahr.

Von MS-DOS bis Windows 10
Gründung Quelle: dpa/picture-alliance
MS Dos Quelle: dpa Picture-Alliance
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„Bots sind wie neue Apps. Es ist Schluss mit der Suche nach verschiedenen Apps und Webseiten. Man ruft einfach jede gewünschte App aus einer Unterhaltung heraus auf“, verspricht Nadella tausenden Software-Entwicklern auf der Konferenz Build 2016. Die bekommen die Werkzeuge an die Hand, um entsprechende Schnittstellen zu programmieren. Irgendwann werden dann auch Bots mit Bots reden, zum Beispiel der persönliche Autobot mit dem Werkstattbot und dem Kalenderbot, um den nächsten Ölwechsel zu planen.

Holger Müller, Analyst bei Constellation Research in San Diego, hält die neue Strategie für vielversprechend. „Apps“, sagt er, „werden bald nicht mehr aus dem App-Store, sondern aus einem Chat-Programm gezogen.“ Der Nutzer sieht nur noch eine einheitliche Oberfläche, mit der er sich auskennt. Viel Lernaufwand und Software-Pflege oder Updates werden überflüssig.

Wie Sie Windows 10 das Schnüffeln abgewöhnen

Das Ganze funktioniert nicht nur auf Windows, wie Nadella ausdrücklich betont. Cortana spricht auch mit Android-Apps und soll auch auf Smartphones und Tablets von Apple laufen.

Microsofts Angriff auf breiter Front hat seinen Grund. Laut des Konzerns arbeiten bereits 270 Millionen Menschen mit Windows 10. Aber die wenigsten davon nutzen es auf ihrem Smartphone oder Tablet. Will der 41 Jahre alte Konzern aus Redmond seine Relevanz in die Zukunft retten, muss er sich also öffnen. Und das hat oberste Priorität für Nadella. Gelingt dem Microsoft-Chef die Neudefinition der menschlichen Interaktion mit dem PC unter Umgehung von Windows, wird sein Konzern zur verbindenden Plattform zwischen Nutzern und Unternehmen sowie Dienstleistern.
Chatbot „Tay“ wurde zum Fiasko

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Microsofts Skype mit über 300 Millionen aktiven Nutzern wird dabei nicht der einzige Dienst sein, mit dem man in Zukunft über Bots Autos mieten oder Tickets kaufen kann – und das auf iOS, Android oder Windows. Die Konkurrenz versucht bereits ähnliches, wie etwa Apple mit Siri. Allerdings ist Messenger-Dienst des iPhone-Herstellers auf konzerneigene Geräte beschränkt und bislang nicht für Entwickler außerhalb des Apple-Imperiums geöffnet.

Microsoft hingegen öffnet mit dem neuen „Microsoft Bot-Framework“ seinen intelligenten Assistenten für alle Messenger, von Facebooks WhatsApp über Line, Telegram, Slack bis hin zu SMS.

Doch so kreativ der Ansatz ist, Microsoft ist damit nicht alleine. Der 48-jährige Nadella, der 2014 Steve Ballmer an der Spitze des Konzerns abgelöst hat, muss sich also beeilen. Die Konkurrenz steht bereits in den Startlöchern.

Auf der kommenden Entwickler-Konferenz F8 von Facebook wird Mark Zuckerberg weitere Informationen über die Messenger-Plattform von Facebook geben. Bereits heute kann man über den Chat–Dienst Uber-Fahrten buchen. Dem Messenger fehlt nur noch die Verbindung zu einem digitalen Assistenten wie Cortana. Dann hat Microsofts Bot-Welt einen Konkurrenten mit einer Milliarde Nutzern. Google ist ebenfalls nicht untätig und baut mit Google Now an einem eigenen digitalen Assistenten für sein mobiles Betriebssystem Android.

Der Erfolg mit künstlicher Intelligenz wird für Nadellas Zukunft entscheidend sein. Er hat die Devise „Cloud first, Mobile first“ ausgegeben und Microsoft eine komplette Offenheit für alle Plattformen verordnet. Dabei nimmt er einen weiteren Bedeutungsverlust von Windows billigend in Kauf.

Doch die Rechnung wird nur aufgehen, wenn Cloud- und Big-Data-Dienste wie die Bots tatsächlich irgendwann die Umsätze und Gewinne einspielen, die bei Windows wegschmelzen. Insofern tut eine Rückversicherung gut. Windows 10 bekommt im Sommer ein neues, großes Update zum ersten Jahrestag. Man weiß ja nie, wie lange man es noch braucht.

Den ersten Flop mit der neuen Technik hat es bereits gegeben. Der Microsoft-Chatbot „Tay“, ein selbstlernender digitaler Teenager, wurde von den Nutzern mit gezielten Aktionen innerhalb von 24 Stunden vom Unschuldslamm zum rassistisch-sexistischen Hitler-Fan umprogrammiert. Tay ist jetzt offline und Microsoft geht, wie Nadella in San Francisco einräumte, „wieder zurück ans Reißbrett“, und fängt noch einmal von vorne an. Allzu oft darf das nicht passieren.

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