Microsoft-WPC Die entscheidende Phase für Nadellas Strategie

In Kanada hat Microsofts Worldwide Partner Conference begonnen. Das Unternehmen steckt mitten im Wandel, den Satya Nadella 2014 begonnen hat. Vor diesen Herausforderungen steht das Partnergeschäft.

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Microsoft: Satya Nadella auf der WPC 2016. Quelle: Microsoft

Was man Satya Nadella lassen muss: Er schafft es, Wörter wie „cognitive analytics“ und „McDonald’s“ vor mehr als 16.000 Zuschauern in einem Satz zu verwenden und es gleichzeitig cool und wichtig klingen zu lassen.

Er spielt die Audioaufnahme einer typischen Bestellung an einem Drive-In-Schalter ab. „Ich hätte gerne zwei Happy Meals, äh, einen Cheeseburger und Chicken McNuggets, beides mit Pommes, eins mit Kakao, eins mit einem kleinen Organgensaft. Äh, ich hätte gerne noch zwei Cheeseburger, beide ohne Zwiebeln, und einer ohne Ketchup, dazu, äh, Pommes und einen großen Kaffee mit drei Stück Zucker.“

Die Bestellung dieses Kunden ist für das menschliche Hirn eine wirre Sache. Für einen Computer erst recht. Microsoft arbeitet gemeinsam mit McDonalds an einer Spracherkennung für Drive-Ins, die dieses Durcheinander entwirrt, die Bestellung aufnimmt, an die Küche weitergibt und dabei noch lernt. Das Ganze funktioniert auf Basis von Cloud-Daten und der künstlichen Intelligenz Cortana.

Damit hat Microsoft 2015 am meisten umgesetzt

Auf der Worldwide Partner Conference (WPC) präsentiert Microsoft seinen Partnern einmal im Jahr die Neuerungen. Da die Partner für mehr als 90 Prozent des Umsatzes verantwortlich sind, hat die WPC naturgemäß einen hohen Stellenwert für das Unternehmen. „Diesmal ist er besonders hoch“, sagt Axel Oppermann, Chef des IT-Analysehauses Avispador. „Es gibt zahlreiche Neuerungen, was das Portfolio angeht, aber auch in Bezug auf das Partnerbetreuungsmodell und die internen Strukturen bei Microsoft.“

So erleben die Besucher das erste Mal Gavrielle Schuster in ihrer neuen Rolle. Die einstmalige Leiterin des Marketing-Teams in der Server und Cloud-Sparte beerbt Phil Sorgen als Leiterin des Partnergeschäfts. Fortan verkörpert sie den größten und durchdringendsten Umbau der Konzerngeschichte: „Schuster wird die Partner noch stärker in Richtung Cloud treiben“, sagt Oppermann. Sorgen soll diesen Wandel nicht schnell genug umgesetzt haben. 

Damit hängt auch der Abgang von Kevin Turner zusammen, der COO war unter anderem verantwortlich für Vertrieb sowie die Support- und Partner-Kanäle.

Die WPC steht auch in diesem Jahr ganz unter der Devise: „Mobile first, Cloud first.“ Der Wandel, den Nadella 2014 eingeläutet hat, geht in die entscheidende Phase. Vor welchen Herausforderungen und Chancen Nadella und die neue Chefin des Partnergeschäfts stehen.

Die Cloud-Transformation

Die wohl größte Änderung für die Partner von Microsoft bringt die Cloud-Transformation – das betonten Nadella und seine Mitstreiter während der WPC unablässig. Im Interview mit der WirtschaftsWoche schwärmte Nadella von zehn Milliarden Dollar Cloud-Umsatz und einem Wachstum von 120 Prozent der Cloud-Plattform Azure. Microsoft arbeite daran, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in jede Anwendung einzubauen.

Das ist Satya Nadella

Partner, die auf klassisch installierte Software setzen, geraten durch die intelligente Cloud-Plattform stärker unter Druck, denn Microsoft verschiebt Marketinggelder weiter in Richtung Cloud-Partner. „Die meisten Partner haben die Chance erkannt“, sagt Oppermann. „Das Service-Geschäft rückt stärker in den Mittelpunkt– das ist ein Riesengeschäft für die Partner.“ Das hat allerdings seinen Preis: Das Lizenzgeschäft bricht weg.

Bis 2018 will Microsoft 20 Milliarden Dollar mit Azure umsetzen. In der hochumkämpften Cloud-Sparte ist das nicht einfach, denn Microsoft kämpft um Marktanteile mit Amazon und Alphabet, der Konkurrenzdruck ist enorm.

Der Erfolgsdruck ebenfalls. Nach Vorlage der jüngsten Quartalszahlen brach der Aktienkurs um zehn Prozent ein. Grund dafür war ein Umsatzrückgang der Cloud-Sparte von drei Prozent. Zu hoch hängen will Oppermann diesen Ausreißer nicht. „Der Cloud-Markt wird aktuell verteilt, da müssen Unternehmen viel investieren, um Umsätze zu erkaufen.“

Der Umbruch mit Dynamics 365

Microsoft hat für den Herbst 2016 ein neues Cloud-Paket angekündigt, das Unternehmen als „End-to-End-Lösung für intelligentes Business aus der Cloud“ dienen soll. Auf der WPC stellte Steve Clayton, Chief Storyteller von Microsoft, das System vor.

Die Cloud-Dienste Dynamics ERP – zuständig für die Ressourcen-Planung von Unternehmen – und CRM – zuständig für das Kundenbeziehungsmanagement – verschmelzen. Das soll Geschäftskunden Services unter anderem für die Finanzabteilung, den Vertrieb und das Marketing bieten – sowie Pakete für bestimmte Branchen.

Servicemitarbeiter etwa unterstützt das Tool bei der Wartung von Maschinen: Auf Basis von Daten aus dem Internet der Dinge teilt es ihnen mit, welche Teile vorsorglich ausgewechselt werden sollten, um Ausfälle zu vermeiden.

Hassobjekt, Marktbeherrscher, Nachahmer
Die Belegschaft von Microsoft im Jahr 1978 Quelle: AP
Im Jahr 1981 posieren Bill Gates (rechts) und Paul Allen. Bill Gates hat sich mittlerweile auf eine Beraterrolle im Unternehmen zurückgezogen und ist als Philanthrop tätig. Paul Allen hat ebenfalls Milliarden mit Microsoft gemacht, spendet einen Teil seines Vermögens. Er investiert aber auch etwa in Sport-Mannschaften. Ihm gehören die Seattle Seahawks (American Football) und die Portland Trail Blazers (Basketball). Quelle: dpa/picture-alliance
Bill Gates stellt Microsoft XP vor Quelle: AP
Die Packung der ersten Version des Betriebssystems Microsoft Windows. Das damals als Erweiterung zu MS-DOS veröffentlichte Programm kam erstmals 1985 auf den Markt. In den Folgejahren sollte Windows das Fundament für ein Milliardenimperium werden. Es war allerdings nicht das erste Betriebssystem mit grafischer Benutzeroberfläche – IBM und Apple hatten bereits vorher die Idee umgesetzt. (Foto: Szilveszter Farkas) Quelle: Creative Commons
Ein undatiertes Foto zeigt den jungen Bill Gates in seinem Arbeitszimmer. Zum Start von Windows 1.0 gab es weltweit lediglich sechs Millionen Personal Computer. Erst rund fünf Jahre später, im Jahr 1990, gelang dem Software-Entwickler aus Redmond ein durchschlagender Erfolg mit Windows 3.0. Quelle: picture-Alliance/dpa
Bill Gates stellt die Version 95 des Betriebssystems vor. Quelle: dpa
 Ein Finger zeigt auf die Office Apps von Microsoft: Exel (l-r), Powerpoint und Word, die auf einem iPad Air zu sehen sind. Quelle: dpa

Zudem soll Dynamics 365 mit den Büro-Anwendungen Office 365 gekoppelt werden, sodass Nutzer beispielsweise via E-Mail-Programm auf Daten aus dem Finanzsystem zugreifen, um schnell und unkompliziert Informationen auszutauschen.

Integriert wird der Dienst über Microsofts Cloud-Plattform Azure. Inwieweit Dynamics 365 auch für andere Cloud-Plattformen geöffnet wird, verrät der Konzern nicht. Einen Preis hat Microsoft ebenfalls noch nicht angekündigt.

Die Tücken des Geschäfts mit der Hardware

Der Software-Hersteller ist im Hardware-Geschäft angekommen zu sein. Microsoft verbucht mit dem Tablet-PC Surface endlich Erfolge. „Gemessen an den derzeit bekannten Produkten, halte ich Microsoft momentan für innovativer als Apple“, lobt Patrick Moorhead, Branchenanalyst und ehemaliger Strategiechef des Halbleiterherstellers AMD.

Obwohl das Surface zum Rohrkrepierer zu werden drohte und 900 Millionen Dollar für unverkaufte Exemplare abgeschrieben wurden, hielt Nadella am Surface fest. Die Zahlen geben ihm recht: Das US-Marktforschungsinstitut IDC schätzt, dass im Weihnachtsquartal 2015 1,6 Millionen Surface-Rechner verkauft wurden. Zum Vergleich: Apples vergleichbares iPad Pro ging zwei Millionen Mal über die Ladentheke. So nahe kam Microsoft Apple schon lange nicht mehr.

Wie Windows wurde, was es ist

Das grämt die Hardware-Produzenten unter den Partnern, die der einstige Software-Gigant in ihrer eigenen Domäne übertrumpft. Microsoft-Kenner Oppermann wertet das aber nicht als Angriff: „Es geht darum, den Etablierten zu zeigen, was mit Windows möglich ist“, sagt er. Die Geräte die HP, Samsung und Co. produzierten, hätten über Jahre nicht den Marktstandards entsprochen. „Mittlerweile hat sich das geändert. Dell, HP und Co. bringen interessante Geräte auf den Markt, was dem Surface zu verdanken ist.“

Weniger gut läuft es auf dem Smartphone-Markt – zumindest für Windows Phone. „Da hat Microsoft ziemlich versagt“, meint Oppermann. Der Panikkauf von Nokia, der mittlerweile abgewickelt ist, konnte daran nichts ändern.

Der Marktanteil von Windows Phone ist laut IDC auf unter einen Prozent gerutscht ist. Im Mai mussten 1850 Mitarbeiter aus der Smartphone-Sparte gehen.

Dennoch präsentiert Konzernchef Nadella auf dem Smartphone-Markt Erfolge. Microsoft hat den Bestandsschutz für Windows fallengelassen und Office für die konkurrierenden Mobil-Plattformen Apple iOS und Google Android geöffnet. Getrieben von den Millionen Smartphones und Tablets der iOS- und Android-Nutzer wächst Office kräftig. „Nokia ist tot. Die mobile Strategie von Microsoft lebt und ist erfolgreich“, fasst Oppermann zusammen.

Die Möglichkeiten von Windows 10

Den größten Kulturbruch vollzog Microsoft mit der Einführung von Windows 10. Die neueste Version des Betriebssystems, das bisher mit Office rund 80 Prozent des Konzerngewinns erwirtschaftete, hatte Microsoft ein Jahr kostenlos zur Verfügung gestellt. Ende Juli läuft die Übergangsfrist aus, danach kostet das Upgrade auf Windows 10 zwischen 120 und 199 Dollar pro Lizenz.

Der Schritt hat einige Partner düpiert. PC-Produzenten wie Dell oder HP hatten lange ihr Geld damit verdient, wenig innovative Rechner mit der neusten Windows-Version auf den Markt zu bringen. Mit dem Gratis-Update war das vorbei. „Das hat die Abverkäufe noch weiter reduziert“, sagt Oppermann. Zumal die Verkaufszahlen für Computer ohnehin schon lange auf Talfahrt sind.

Profiteure vom Wandel sind andere: „Für Partner ist dadurch eine Reichweite entstanden, bei der es Sinn macht, groß in die Entwicklung von Applikationen für Windows 10 zu investieren“, sagt Oppermann. Bis dato wurde das Betriebssystem über 350 Millionen Mal installiert. Bis 2018 peilt Nadella die Milliarde an.

Von MS-DOS bis Windows 10
Gründung Quelle: dpa/picture-alliance
MS Dos Quelle: dpa Picture-Alliance
MS DOS Quelle: dpa Picture-Alliance
Windows 2 Quelle: Presse
Microsoft NT Quelle: Presse
Bill Gates stellt die Version 95 des Betriebssystems vor Quelle: dpa
Windows 98 (1998)1998 kommt Windows 98 als Weiterentwicklung von Windows 95 auf den Markt. Mit der 98er-Version unterstützt das Microsoft-Bertiebssystem unter anderem erstmals von Haus aus den damals neuen USB-Standard und auch die Verwendung von mehreren Monitoren an einem Rechner. Quelle: REUTERS

Große Hoffnungen dürften ihm und den Partnern die Unternehmenskunden machen, denn viele von ihnen nutzen noch Windows XP oder Windows 7, was aufgrund von Sicherheitslücken zunehmend gefährlicher wird.

Für Nadella ist Windows 10 vor allem eines: Ein Durchbruch. „Wir haben eine Entwickler-Plattform für alle Devices“, sagt er. „Windows 10 ist eine riesen Möglichkeit für jeden im Publikum.“

Willkommen in der virtuellen Realität

Vor eineinhalb Jahren hat Microsoft mit der Präsentation von Hololens auf der Entwicklerkonferenz Build den Markt überrumpelt. Die Brille ist der erste holografische Computer und braucht im Gegensatz zu anderen Virtual-Reality-Brillen keine Verbindung zu einem Rechner, sondern arbeitet selbstständig.

Sie blendet in die physische Umgebung dreidimensionale Hologramme ein, die nicht nur angesehen, sondern auch gestaltet werden können. Seit April dieses Jahres sind Prototypen im Umlauf, aber es war zuletzt relativ still um die Brille.

Was für Windows 10 spricht – und was dagegen
Microsoft Windows 10 Quelle: dpa
Windows 10 Quelle: dpa
Windows 10 Quelle: REUTERS
Windows 10 Quelle: dpa
Windows 10 Quelle: dpa
Windows 10 Quelle: dpa
Windows 10 Quelle: dpa

Bis zur WPC. Hier gab Nadellas Team einen Vorgeschmack, was mit Hololens alles möglich ist. Lorraine Bardeen vom Hololens-Team stellte etwa vor, wie Flugzeugmechaniker anhand von Hologrammen in Originalgröße lernen können.

Nadella hat bewiesen, dass er dem angestaubten Software-Riesen neues Leben einhauchen konnte. „Seine Ansätze sind allesamt richtig“, sagt Analyst Oppermann. „Er hat neue Ideen in das Unternehmen gebracht, das Cloud-Geschäft vorangetrieben und den Bereich künstliche Intelligenz gestärkt.“

Was noch aussteht, ist der Beweis, dass seine Strategie aufgeht und die Erwartungen der Aktionäre erfüllt. Die erwarten mehr Umsatz und höhere Margen. Noch ist er im Umbauprozess. Bald wird er liefern müssen.

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