Was man Satya Nadella lassen muss: Er schafft es, Wörter wie „cognitive analytics“ und „McDonald’s“ vor mehr als 16.000 Zuschauern in einem Satz zu verwenden und es gleichzeitig cool und wichtig klingen zu lassen.
Er spielt die Audioaufnahme einer typischen Bestellung an einem Drive-In-Schalter ab. „Ich hätte gerne zwei Happy Meals, äh, einen Cheeseburger und Chicken McNuggets, beides mit Pommes, eins mit Kakao, eins mit einem kleinen Organgensaft. Äh, ich hätte gerne noch zwei Cheeseburger, beide ohne Zwiebeln, und einer ohne Ketchup, dazu, äh, Pommes und einen großen Kaffee mit drei Stück Zucker.“
Die Bestellung dieses Kunden ist für das menschliche Hirn eine wirre Sache. Für einen Computer erst recht. Microsoft arbeitet gemeinsam mit McDonalds an einer Spracherkennung für Drive-Ins, die dieses Durcheinander entwirrt, die Bestellung aufnimmt, an die Küche weitergibt und dabei noch lernt. Das Ganze funktioniert auf Basis von Cloud-Daten und der künstlichen Intelligenz Cortana.
Damit hat Microsoft 2015 am meisten umgesetzt
Der Gesamtumsatz von Microsoft im Geschäftsjahr 2015 betrug 93,6 Mrd. Dollar.
Quelle: Microsoft
Ganze 41 Mrd. Dollar des Gesamtumsatzes entfielen auf Softwarelizenzen für Unternehmen wie die Datenbank-Management-Software SQL Server oder die Unternehmenssoftware Dynamics.
15 Milliarden Dollar kamen aus Softwarelizenzen für PC-Hersteller und Endkunden.
"Sonstige" Unternehmenserlöse (etwa die Cloud-Plattform Azure, das Cloud-Paket Office 365) brachten dem Konzern 11,1 Milliarden Dollar Umsatz.
10,2 Milliarden Dollar Umsatz generierte Microsoft aus dem Verkauf von Computer- und Spiele-Hardware (Xbox-Spielkonsole, Surface-Tablet)
Der App-Shop Windows Store und das Cloud-Paket Office 365 etwa, also sonstige Geräte- und Endkundenerlöse, brachten Microsoft 8,8 Milliarden Dollar Umsatz.
Die Lumia-Smartphones, also Microsofts Mobiltelefone, trugen 7,5 Milliarden Dollar zum Umsatz bei.
Auf der Worldwide Partner Conference (WPC) präsentiert Microsoft seinen Partnern einmal im Jahr die Neuerungen. Da die Partner für mehr als 90 Prozent des Umsatzes verantwortlich sind, hat die WPC naturgemäß einen hohen Stellenwert für das Unternehmen. „Diesmal ist er besonders hoch“, sagt Axel Oppermann, Chef des IT-Analysehauses Avispador. „Es gibt zahlreiche Neuerungen, was das Portfolio angeht, aber auch in Bezug auf das Partnerbetreuungsmodell und die internen Strukturen bei Microsoft.“
So erleben die Besucher das erste Mal Gavrielle Schuster in ihrer neuen Rolle. Die einstmalige Leiterin des Marketing-Teams in der Server und Cloud-Sparte beerbt Phil Sorgen als Leiterin des Partnergeschäfts. Fortan verkörpert sie den größten und durchdringendsten Umbau der Konzerngeschichte: „Schuster wird die Partner noch stärker in Richtung Cloud treiben“, sagt Oppermann. Sorgen soll diesen Wandel nicht schnell genug umgesetzt haben.
Damit hängt auch der Abgang von Kevin Turner zusammen, der COO war unter anderem verantwortlich für Vertrieb sowie die Support- und Partner-Kanäle.
Die WPC steht auch in diesem Jahr ganz unter der Devise: „Mobile first, Cloud first.“ Der Wandel, den Nadella 2014 eingeläutet hat, geht in die entscheidende Phase. Vor welchen Herausforderungen und Chancen Nadella und die neue Chefin des Partnergeschäfts stehen.
Die Cloud-Transformation
Die wohl größte Änderung für die Partner von Microsoft bringt die Cloud-Transformation – das betonten Nadella und seine Mitstreiter während der WPC unablässig. Im Interview mit der WirtschaftsWoche schwärmte Nadella von zehn Milliarden Dollar Cloud-Umsatz und einem Wachstum von 120 Prozent der Cloud-Plattform Azure. Microsoft arbeite daran, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in jede Anwendung einzubauen.
Das ist Satya Nadella
Satya Nadella wurde 1967 in der indischen Großstadt Hyderabad als Sohn eines hochrangigen Beamten geboren. Nach der Schulausbildung studierte er zunächst Elektroingenieurwesen in Indien, dann Computer Science und Management in den USA.
Bevor Nadella 1992 zu Microsoft wechselte, arbeitete er als Elektroingenieur beim Silicon-Valley-Urgestein Sun Microsystems. Das Unternehmen wurde später von Oracle übernommen.
Nadella war bei Microsoft maßgeblich an der Entwicklung der Suchmaschine Bing sowie des Bürosoftwarepakets Office beteiligt. Bevor er zum CEO aufstieg, leitete er beim Softwarekonzern das wichtige Cloud- und Unternehmensgeschäft.
Nadella ist verheiratet und hat drei Kinder. Mit seiner Familie lebt er in Bellevue im US-Bundesstaat Washington. Medien beschreiben ihn als einen Mann der leisen und überlegten Töne.
Partner, die auf klassisch installierte Software setzen, geraten durch die intelligente Cloud-Plattform stärker unter Druck, denn Microsoft verschiebt Marketinggelder weiter in Richtung Cloud-Partner. „Die meisten Partner haben die Chance erkannt“, sagt Oppermann. „Das Service-Geschäft rückt stärker in den Mittelpunkt– das ist ein Riesengeschäft für die Partner.“ Das hat allerdings seinen Preis: Das Lizenzgeschäft bricht weg.
Der Erfolgsdruck ebenfalls. Nach Vorlage der jüngsten Quartalszahlen brach der Aktienkurs um zehn Prozent ein. Grund dafür war ein Umsatzrückgang der Cloud-Sparte von drei Prozent. Zu hoch hängen will Oppermann diesen Ausreißer nicht. „Der Cloud-Markt wird aktuell verteilt, da müssen Unternehmen viel investieren, um Umsätze zu erkaufen.“
Der Umbruch mit Dynamics 365
Die Cloud-Dienste Dynamics ERP – zuständig für die Ressourcen-Planung von Unternehmen – und CRM – zuständig für das Kundenbeziehungsmanagement – verschmelzen. Das soll Geschäftskunden Services unter anderem für die Finanzabteilung, den Vertrieb und das Marketing bieten – sowie Pakete für bestimmte Branchen.
Servicemitarbeiter etwa unterstützt das Tool bei der Wartung von Maschinen: Auf Basis von Daten aus dem Internet der Dinge teilt es ihnen mit, welche Teile vorsorglich ausgewechselt werden sollten, um Ausfälle zu vermeiden.
Zudem soll Dynamics 365 mit den Büro-Anwendungen Office 365 gekoppelt werden, sodass Nutzer beispielsweise via E-Mail-Programm auf Daten aus dem Finanzsystem zugreifen, um schnell und unkompliziert Informationen auszutauschen.
Integriert wird der Dienst über Microsofts Cloud-Plattform Azure. Inwieweit Dynamics 365 auch für andere Cloud-Plattformen geöffnet wird, verrät der Konzern nicht. Einen Preis hat Microsoft ebenfalls noch nicht angekündigt.
Die Tücken des Geschäfts mit der Hardware
Der Software-Hersteller ist im Hardware-Geschäft angekommen zu sein. Microsoft verbucht mit dem Tablet-PC Surface endlich Erfolge. „Gemessen an den derzeit bekannten Produkten, halte ich Microsoft momentan für innovativer als Apple“, lobt Patrick Moorhead, Branchenanalyst und ehemaliger Strategiechef des Halbleiterherstellers AMD.
Obwohl das Surface zum Rohrkrepierer zu werden drohte und 900 Millionen Dollar für unverkaufte Exemplare abgeschrieben wurden, hielt Nadella am Surface fest. Die Zahlen geben ihm recht: Das US-Marktforschungsinstitut IDC schätzt, dass im Weihnachtsquartal 2015 1,6 Millionen Surface-Rechner verkauft wurden. Zum Vergleich: Apples vergleichbares iPad Pro ging zwei Millionen Mal über die Ladentheke. So nahe kam Microsoft Apple schon lange nicht mehr.
Wie Windows wurde, was es ist
Der Urahn des inzwischen meistgenutzten PC-Betriebssystems kam im November 1985 auf den Markt. Damals war Microsoft noch ein Außenseiter, während der Platzhirsch IBM und der Aufsteiger Apple den Kampf um den PC-Markt auszufechten schienen. Anfangs arbeitete sich Windows nur mühsam ins Geschäft – denn Microsoft verzichtete zunächst angesichts eines jahrelangen Patentstreits mit Apple auf grafische Bedienungselemente.
Mit dieser Version lernte Windows 1992, Videos abzuspielen, bekam die ersten integrierten Spiele und neue Schriften. Die Grundansicht mit den überlappenden Fenstern und einem Desktop für Programm-Symbole blieb – mit einigen Design-Änderungen – lange erhalten.
Parallel zu den Consumer-Versionen von Windows entwickelte Microsoft nach dem Scheitern des OS/2-Projektes mit IBM eine Windows-Version mit einem neuen Programm-Kern („Windows New Technology“). NT wurde mit Windows 2000 fortgeführt und ging später in Windows XP auf.
Die radikale Erneuerung von 1995 brachte in Grundzügen das Windows, das heute praktisch jeder kennt. Unter anderem wurde der „Start“-Knopf mit dem Balken am unteren Bildschirmrand eingeführt. Nachdem nachträglich der Web-Browser Internet Explorer zum Windows-Grundpaket hinzugefügt wurde, setzte sich Microsoft zum Ärger der Wettbewerbshüter in diesem Bereich gegen den Pionier Netscape durch. Auf die Version folgten die kleineren Aktualisierungen Windows 98 und ME.
2001 brachte Microsoft die bisher langlebigste Version seines Betriebssystems auf den Markt. Mit Windows XP wurden viele visuelle Effekte hinzugefügt, ebenso wie wichtige Funktionen wie etwa schneller Benutzerwechsel, eine integrierte Firewall für mehr Sicherheit und verbesserter Medienwiedergabe.
Das Betriebssystem Windows Vista sollte XP verdrängen, wurde von den Nutzern aber weitgehend ignoriert. Die 2007 veröffentlichte Version bot zwar neue Bildschirmansichten, aber eine für viele Nutzer verwirrende Rechteverwaltung für Benutzerkonten. Erst mit der Vorstellung von Windows 7 im Oktober 2009 konnte Microsoft die Anwender wieder überzeugen.
Mit Windows 8 rüstet sich Microsoft für den Wandel der Computer-Welt: Die neue Kacheloberfläche ist für Touchscreens ausgelegt und eignet sich damit auch für Tablet-Computer – äußerlich ähnelt das System damit dem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone. Microsoft stellte Windows 8 im Oktober 2012 vor. Gerade an der neuen Bedienung wurde jedoch schnell viel Kritik laut.
Ein Update für Windows 8 kam im Oktober 2013 auf den Markt. Das kostenlose Windows 8.1 soll die größten Kritikpunkte an dem Vorgänger ausräumen. So können Nutzer direkt auf den Desktop starten und so die Kacheloberfläche umgehen. Zudem kehrt der Startknopf zurück, wenn auch nicht das klassische Startmenü.
Mit Windows 10 bietet Microsoft eine einheitliche technische Plattform für PCs, Tablets und Smartphones an. Das von Nutzern ersehnte Start-Menü kehrt auf den Desktop zurück. Am 29. Juli 2015 stellte der Softwaregigant das jüngste Betriebssystem vor. Ein Jahr lang war das Upgrade auf Windows 10 für Computer mit Windows 7 und 8.1 kostenlos. Was das neue System bringt und für welche Nutzer es sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Das grämt die Hardware-Produzenten unter den Partnern, die der einstige Software-Gigant in ihrer eigenen Domäne übertrumpft. Microsoft-Kenner Oppermann wertet das aber nicht als Angriff: „Es geht darum, den Etablierten zu zeigen, was mit Windows möglich ist“, sagt er. Die Geräte die HP, Samsung und Co. produzierten, hätten über Jahre nicht den Marktstandards entsprochen. „Mittlerweile hat sich das geändert. Dell, HP und Co. bringen interessante Geräte auf den Markt, was dem Surface zu verdanken ist.“
Weniger gut läuft es auf dem Smartphone-Markt – zumindest für Windows Phone. „Da hat Microsoft ziemlich versagt“, meint Oppermann. Der Panikkauf von Nokia, der mittlerweile abgewickelt ist, konnte daran nichts ändern.
Der Marktanteil von Windows Phone ist laut IDC auf unter einen Prozent gerutscht ist. Im Mai mussten 1850 Mitarbeiter aus der Smartphone-Sparte gehen.
Dennoch präsentiert Konzernchef Nadella auf dem Smartphone-Markt Erfolge. Microsoft hat den Bestandsschutz für Windows fallengelassen und Office für die konkurrierenden Mobil-Plattformen Apple iOS und Google Android geöffnet. Getrieben von den Millionen Smartphones und Tablets der iOS- und Android-Nutzer wächst Office kräftig. „Nokia ist tot. Die mobile Strategie von Microsoft lebt und ist erfolgreich“, fasst Oppermann zusammen.
Die Möglichkeiten von Windows 10
Den größten Kulturbruch vollzog Microsoft mit der Einführung von Windows 10. Die neueste Version des Betriebssystems, das bisher mit Office rund 80 Prozent des Konzerngewinns erwirtschaftete, hatte Microsoft ein Jahr kostenlos zur Verfügung gestellt. Ende Juli läuft die Übergangsfrist aus, danach kostet das Upgrade auf Windows 10 zwischen 120 und 199 Dollar pro Lizenz.
Der Schritt hat einige Partner düpiert. PC-Produzenten wie Dell oder HP hatten lange ihr Geld damit verdient, wenig innovative Rechner mit der neusten Windows-Version auf den Markt zu bringen. Mit dem Gratis-Update war das vorbei. „Das hat die Abverkäufe noch weiter reduziert“, sagt Oppermann. Zumal die Verkaufszahlen für Computer ohnehin schon lange auf Talfahrt sind.
Profiteure vom Wandel sind andere: „Für Partner ist dadurch eine Reichweite entstanden, bei der es Sinn macht, groß in die Entwicklung von Applikationen für Windows 10 zu investieren“, sagt Oppermann. Bis dato wurde das Betriebssystem über 350 Millionen Mal installiert. Bis 2018 peilt Nadella die Milliarde an.
Große Hoffnungen dürften ihm und den Partnern die Unternehmenskunden machen, denn viele von ihnen nutzen noch Windows XP oder Windows 7, was aufgrund von Sicherheitslücken zunehmend gefährlicher wird.
Für Nadella ist Windows 10 vor allem eines: Ein Durchbruch. „Wir haben eine Entwickler-Plattform für alle Devices“, sagt er. „Windows 10 ist eine riesen Möglichkeit für jeden im Publikum.“
Willkommen in der virtuellen Realität
Vor eineinhalb Jahren hat Microsoft mit der Präsentation von Hololens auf der Entwicklerkonferenz Build den Markt überrumpelt. Die Brille ist der erste holografische Computer und braucht im Gegensatz zu anderen Virtual-Reality-Brillen keine Verbindung zu einem Rechner, sondern arbeitet selbstständig.
Sie blendet in die physische Umgebung dreidimensionale Hologramme ein, die nicht nur angesehen, sondern auch gestaltet werden können. Seit April dieses Jahres sind Prototypen im Umlauf, aber es war zuletzt relativ still um die Brille.
Bis zur WPC. Hier gab Nadellas Team einen Vorgeschmack, was mit Hololens alles möglich ist. Lorraine Bardeen vom Hololens-Team stellte etwa vor, wie Flugzeugmechaniker anhand von Hologrammen in Originalgröße lernen können.
Nadella hat bewiesen, dass er dem angestaubten Software-Riesen neues Leben einhauchen konnte. „Seine Ansätze sind allesamt richtig“, sagt Analyst Oppermann. „Er hat neue Ideen in das Unternehmen gebracht, das Cloud-Geschäft vorangetrieben und den Bereich künstliche Intelligenz gestärkt.“
Was noch aussteht, ist der Beweis, dass seine Strategie aufgeht und die Erwartungen der Aktionäre erfüllt. Die erwarten mehr Umsatz und höhere Margen. Noch ist er im Umbauprozess. Bald wird er liefern müssen.