




Sie hätten es wissen müssen in Redmond. Wenn Microsoft – wie gerade Ende Juli mit dem neuen Windows 10 – eine neue Version seines Betriebssystems auf den Markt bringt, hagelt es Kritik: „Microsoft schert sich nicht um deutsches Datenschutzrecht“, schrieben die Tester der Computer-Bibel C’t.
Die Computer-Bild riet, „so verhindern Sie die Weitergabe persönlicher Daten“. Und die Spezialisten vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) meldeten sich mit dem Hinweis, man sehe "einige kritische Aspekte" beim Einsatz von Windows.
So vertraut das in diesen Tagen klingt, da Nutzer und Datenschützer in gedruckten und sozialen Medien wortreich die Schnüffelneigung von Windows 10 monieren – die Zitate beziehen sich auf die Vor-Versionen 7, 8 und 8.1. Und tatsächlich gehört das tendenziell überbordende Interesse des Software-Riesen aus Redmond zu Windows, seit der Konzern das Internet als Kommunikationsweg für sich entdeckt hat.
Wie Windows wurde, was es ist
Der Urahn des inzwischen meistgenutzten PC-Betriebssystems kam im November 1985 auf den Markt. Damals war Microsoft noch ein Außenseiter, während der Platzhirsch IBM und der Aufsteiger Apple den Kampf um den PC-Markt auszufechten schienen. Anfangs arbeitete sich Windows nur mühsam ins Geschäft – denn Microsoft verzichtete zunächst angesichts eines jahrelangen Patentstreits mit Apple auf grafische Bedienungselemente.
Mit dieser Version lernte Windows 1992, Videos abzuspielen, bekam die ersten integrierten Spiele und neue Schriften. Die Grundansicht mit den überlappenden Fenstern und einem Desktop für Programm-Symbole blieb – mit einigen Design-Änderungen – lange erhalten.
Parallel zu den Consumer-Versionen von Windows entwickelte Microsoft nach dem Scheitern des OS/2-Projektes mit IBM eine Windows-Version mit einem neuen Programm-Kern („Windows New Technology“). NT wurde mit Windows 2000 fortgeführt und ging später in Windows XP auf.
Die radikale Erneuerung von 1995 brachte in Grundzügen das Windows, das heute praktisch jeder kennt. Unter anderem wurde der „Start“-Knopf mit dem Balken am unteren Bildschirmrand eingeführt. Nachdem nachträglich der Web-Browser Internet Explorer zum Windows-Grundpaket hinzugefügt wurde, setzte sich Microsoft zum Ärger der Wettbewerbshüter in diesem Bereich gegen den Pionier Netscape durch. Auf die Version folgten die kleineren Aktualisierungen Windows 98 und ME.
2001 brachte Microsoft die bisher langlebigste Version seines Betriebssystems auf den Markt. Mit Windows XP wurden viele visuelle Effekte hinzugefügt, ebenso wie wichtige Funktionen wie etwa schneller Benutzerwechsel, eine integrierte Firewall für mehr Sicherheit und verbesserter Medienwiedergabe.
Das Betriebssystem Windows Vista sollte XP verdrängen, wurde von den Nutzern aber weitgehend ignoriert. Die 2007 veröffentlichte Version bot zwar neue Bildschirmansichten, aber eine für viele Nutzer verwirrende Rechteverwaltung für Benutzerkonten. Erst mit der Vorstellung von Windows 7 im Oktober 2009 konnte Microsoft die Anwender wieder überzeugen.
Mit Windows 8 rüstet sich Microsoft für den Wandel der Computer-Welt: Die neue Kacheloberfläche ist für Touchscreens ausgelegt und eignet sich damit auch für Tablet-Computer – äußerlich ähnelt das System damit dem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone. Microsoft stellte Windows 8 im Oktober 2012 vor. Gerade an der neuen Bedienung wurde jedoch schnell viel Kritik laut.
Ein Update für Windows 8 kam im Oktober 2013 auf den Markt. Das kostenlose Windows 8.1 soll die größten Kritikpunkte an dem Vorgänger ausräumen. So können Nutzer direkt auf den Desktop starten und so die Kacheloberfläche umgehen. Zudem kehrt der Startknopf zurück, wenn auch nicht das klassische Startmenü.
Mit Windows 10 bietet Microsoft eine einheitliche technische Plattform für PCs, Tablets und Smartphones an. Das von Nutzern ersehnte Start-Menü kehrt auf den Desktop zurück. Am 29. Juli 2015 stellte der Softwaregigant das jüngste Betriebssystem vor. Ein Jahr lang war das Upgrade auf Windows 10 für Computer mit Windows 7 und 8.1 kostenlos. Was das neue System bringt und für welche Nutzer es sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Kritik aus dem Justizministerium
Was nicht heißt, dass es nicht besser werden könnte. Nur leider – wie gesagt – die Programmierer und Strategen in der Microsoft-Zentrale werden offenbar nicht schlau aus der anhaltenden Kritik. In der WirtschaftsWoche kritisiert denn auch Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesjustizministerium in Berlin eine ganze Reihe „aus Verbrauchersicht bedenklicher Punkte“. Er kritisiert „unpräzise und pauschale Aussagen in den Datenschutzbestimmungen“ und moniert, Microsoft gebe bei der Installation des neuen Betriebssystems Standardeinstellungen vor, die nur wenig den Schutz der Privatsphäre gewährten.
Noch harscher brachte es in der vergangenen Woche die rheinland-pfälzische Verbraucherzentrale auf den Punkt: Das neue Windows verwandle den Computer "in eine Art private Abhöranlage", wer die Datenschutzbestimmungen akzeptiere, willige in "eine umfassende Ausforschung" der Nutzung ein. Neben Personendaten wie Name, Adresse, Alter, Geschlecht und Telefonnummer, ermittele Microsoft auch den Standort des Geräts, die in den unternehmenseigenen Diensten aufgerufenen Websites, genutzte Suchbegriffe, Kontakte zu anderen Personen und gekaufte Artikel.





Nicht alles ist zwangsläufig ein Problem, manches nützlich oder – je nach Anwendung – unumgänglich. Wer etwa will, dass der digitale Assistent Cortana auf Zuruf Rufnummern von Freunden heraussucht oder diesen Terminanfragen schickt, der muss dem elektronischen Agenten nun einmal Zugriff auf die Kontakte oder den Kalender gewähren.
Lieber gar nicht erst fragen
Das Problem ist nur, und damit steht Windows nicht alleine, Microsoft hat sich mehrheitlich für eine „Opt-Out“-Strategie entschieden, und nicht für „Opt-In“. Wer seine Daten nicht freigeben, einen Dienst nicht nutzen will, der muss das selbst unterbinden. Facebook und teils auch Google haben mit solchen Opt-Out-Ansätzen in der Vergangenheit regelmäßig unrühmliche Schlagzeilen erzeugt. Die Chance, sich mit einer konsequenten Opt-In-Politik von den Internet-Konkurrenten abzusetzen, hat Microsoft leider vertan … wieder einmal.
Immerhin, wer will (und rechtzeitig damit anfängt) kann einen Teil der hintergründigen Kommunikation seines Rechners mit den Servern in Redmond auch unterbinden. Was da geht, und wie es geht: