
Der Betrag war spektakulär. Im vergangenen September forderte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den US-Giganten Apple auf, 13 Milliarden an Steuern an den irischen Staat nachzuzahlen. Apple-Chef Tim Cook nannte die Entscheidung „politischen Scheiß“. Apple ging - ebenso wie der irische Staat - in Berufung, musste das Geld aber erst einmal auf ein Sperrkonto einzahlen. Die Brüsseler EU-Kommission ist in ihrer Funktion als Europas Kartellhüter sehr mächtig.
Cooke hatte EU-Wettbewerbskommissarin Vestager versucht, im persönlichen Gespräch von der Steuernachzahlung abzubringen. Ein solches Vorgehen würde er eher von Venezuela erwarten als von Europa, sagte er ihr in ihrem behaglich eingerichteten Büro im Berlaymont-Gebäude. Aber auch die Unterstellung, die EU agiere wie ein willkürliches Regime, brachte die Dänin nicht von ihrem Kurs ab. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg muss nun entscheiden, ob ihre Aufforderung Rechtens war. Ein Urteil ist erst in einigen Jahren zu erwarten.
Unternehmen haben kein Interesse, EU-Wettbewerbsregeln zu ignorieren. Die EU-Kommission greift regelmäßig hart durch, wenn sie EU-Wettbewerbsrecht verletzt sieht. Hohe Geldbußen sollen Manager davor abschrecken, Kartelle zu bilden oder eine dominante Position im Markt auszunutzen. Der Kampf gegen Steuerdeals ist ein relativ neues Phänomen, bei dem sich die EU-Kommission auf Beihilferegeln stützt. Den italienischen Autohersteller Fiat und die US-Cafékette Starbucks hat Vestager ebenfalls aufgefordert Steuern nachzuzahlen, allerdings sind die Beträge deutlich unspektakulärer als bei Apple. Als nächstes wird eine Entscheidung zu McDonalds erwartet. Vestager wirft dem US-Burgerbrater ebenfalls vor, zu wenig Steuern bezahlt zu haben.





Mit ihrer Geldstrafe für Google von 2,4 Milliarden Euro hat Vestager nun den bisherigen Rekord weit hinter sich gelassen. Vor acht Jahren hatte der Chiphersteller Intel eine Strafe von 1,09 Milliarden Euro auferlegt bekommen. Microsoft hat in mehreren EU-Kartellfällen Strafen von insgesamt 1,64 Milliarden Euro bezahlen müssen.
Auch wenn in den USA der Eindruck entstanden ist, die EU-Kommission lege sich besonders gerne mit US-Unternehmen an, untersucht die Generaldirektion Wettbewerb Unternehmen aus unterschiedlichen Gegenden der Welt. Einen wichtigen Fall, den Vestager in diesem Jahr abschließen will, ist das Verfahren gegen den russischen Energiegiganten Gazprom. Vestager wirft dem Konzern vor, seine dominante Stellung im Gasmarkt in Mittel- und Osteuropa ausgenützt zu haben. Der Fall lag eine Zeit lang aus politischen Gründen auf Eis. Ein Wettbewerbsverfahren sollte das ohnehin schwierige Verhältnis von Russland und Europa nicht weiter belasten.
Auch europäische Unternehmen bekommen die Härte der EU-Kartellwächter regelmäßig zu spüren. Im vergangenen Jahr verhängte Vestager eine Geldbuße von 2,93 Milliarden Euro gegen Lkw-Hersteller, die ein Kartell gebildet hatten. MAN, Volvo, Daimler und DAF hatten über 14 Jahre hinweg Preise abgesprochen, Die Kartellwächter kamen der illegalen Praxis auf die Spur, als MAN Brüssel davon informierte. Die Unternehmen teilten sich rund 90 Prozent des europäischen Markts für schwere und mittelschwere Laster.
Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia begann bereits mit der Untersuchung von Kartellen bei Autozulieferern und fand dabei heraus, dass unerlaubte Absprachen in der Branche weit verbreitet waren. Hersteller von Kabelbäumen waren betroffen, was dem deutschen Zulieferer Leoni 2013 eine Buße von 1,4 Millionen Euro einbrachte. Der Leuchtenhersteller Hella bekam erst vergangene Woche eine Geldstrafe von 10,4 Millionen Euro aufgebrummt, weil das Unternehmen drei Jahre lang mit Wettbewerbern Preise absprach. „Kartelle haben keinen Platz in Europa“, sagt Vestager. Mit ihrer Milliardenstrafe gegen Google unterstreicht sie, dass Verstöße gegen EU-Wettbewerbsrecht von ihr hart sanktionieret werden.