Mobile World Congress Ralph Dommermuth ist nur als Zaungast in Barcelona

Niemand hat sich derartig kopfüber in das OpenRAN-Abenteuer gestürzt wie der CEO von United Internet, Ralph Dommermuth. Quelle: dpa

Die alternative Netztechnologie Open RAN gilt in Barcelona auf der größten Mobilfunkmesse der Welt bestenfalls noch als lauwarmes Thema. Daran ändert auch ein Blitzbesuch von United-Internet-CEO Ralph Dommermuth nichts.

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Der Mobile World Congress wird von einem besonderen Gast besucht – Ralph Dommermuth. Der CEO von United Internet, der für Deutschland ein viertes Mobilfunknetz aufbauen will, soll zu Hintergrundgesprächen nach Barcelona kommen. Vielleicht besucht er auf der größten Mobilfunkmesse der Welt das Ministerialprogramm, das unter Ausschluss von Presse und Öffentlichkeit in Hinterzimmern im zweiten Stock der Messehalle Fira stattfindet. Er könnte sich dort mit Vertretern des deutschen Verkehrsministeriums oder der Bundesnetzagentur austauschen.

Auf die öffentliche Keynote Stage ist Dommermuth jedenfalls nicht geladen – dabei wird dort ein Panel zum Thema Open Ran veranstaltet. Doch dort wird kein Netzbetreiber über den Aufbau der neuen Technologie referieren und auch keiner, der es noch werden will. Auf dem Panel wird der CEO des Rüstungsunternehmens Lockheed Martin, James Taiclet, sich mit dem Chef der kalifornischen Cohere Technologies austauschen, einem Anbieter von Software für die neue Netztechnologie. Statt auf Huawei, Ericsson und Nokia zu setzen nutzt OpenRAN amerikanische Standardhardware, etwa von IBM und Cisco.

Ein Flugzeugbauer spricht über OpenRAN

„Es ist sehr bezeichnend, dass kein großer Netzwerkbetreiber zum Thema Open RAN spricht, sondern ein Flugzeugbauer“, sagt der dänische Telekommunikationsberater John Strand. Denn noch gebe es keinen Netzbetreiber als Referenzkunden unter den rund 240 Mobilfunkanbietern aus 95 Ländern weltweit, die 5G-Netze aufbauen, der sein Netz erfolgreich mit Open RAN betreibt: „Für die japanische Rakuten, die auch Dommermuth mit seinem Netzausbau beauftragt hat, ist das OpenRAN-Netz ökonomisch gesehen eine Katastrophe“, sagt Strand. Erst liefen die Kosten des Ausbaus aus dem Ruder, jetzt wechseln nicht genügend Kunden zu dem Angebot. Auch die amerikanische Dish will ein OpenRAN-Netz bauen. Die Amerikaner haben immerhin gerade eine Lieferung von 24.000 5G-Antennen für ihr Netz von Samsung erhalten. Ralph Dommermuth dagegen hat, seitdem er die 5G-Frequenzen ersteigert hat, gerade einmal eine gute Handvoll Antennen aufgebaut.

Der Aufbau eines eigenen Mobilfunknetzes gestaltet sich für United-Internet-Chef Ralph Dommermuth deutlich schwieriger als erwartet. Höhere Kosten stellen das Geschäftsmodell infrage. Eine radikale Lösung wird zur...
von Nele Husmann, Matthias Hohensee, Thomas Kuhn


Ein privates 5G-Mobilfunknetz mit OpenRAN auf dem Betriebsgelände eines Unternehmens aufzubauen und zu betreiben ist deutlich weniger komplex als ein nationales Netz. „Eine kleine Lösung aufzubauen ist nicht sehr komplex“, sagt Strand. Zum Beispiel betreibt auch schon der Kölner Flughafen sein eigenes OpenRAN-Campus-Netz. Technische Probleme könnten bei Campusnetzen zwar intern zu Problemen führen. „Für einen Netzanbieter, auf den sich Millionen Kunden verlassen, wäre das Risiko eines unstabilen Services in Kauf zu nehmen vernichtend“, sagt Strand.

Die Deutsche Telekom spricht deshalb wohl mit zwei Zungen über OpenRAN. Auf der einen Seite veröffentlichte sie gerade erst ein White Paper, das die mannigfachen Schwierigkeiten und Bedenken zu OpenRAN anspricht mit dem Fazit: „Die aktuelle OpenRAN-Readyness spricht noch nicht für einen unmittelbaren Einsatz im Telekom-Netz mit seinen architektonischen und performativen Ansprüchen“. Zugleich aber gab die Deutsche Telekom auf dem Mobile World Congress eine Zusammenarbeit mit Nokia und Fujitsu bekannt, die noch in diesem Jahr einen kommerziellen OpenRAN-Roll-Out beginnen sollen.

Experten des amerikanischen Fachdienstes „LightReading“ erwarten, dass dieser Einsatz zunächst vielleicht nicht einmal über die Neubrandenburgische Versuchsanlage „O-RAN Town“ hinausgeht. Die Deutsche Telekom verlässt sich in 70 Prozent ihrer Antennen noch immer auf den chinesischen Anbieter Huawei. Allerdings ist seit 2020 auch beim OpenRAN-Standard, der eigentlich eine amerikanische Alternative zu den drei Telekommunikationsausrüstern Nokia, Ericsson und Huawei darstellen sollte, auch Huawei mit von der Partie. Die Hoffnung ist, die heftigen Netzausbaukosten langfristig zu drücken.

Dommermuths Abenteuer 

Niemand aber hat sich derartig kopfüber in das OpenRAN-Abenteuer gestürzt wie Ralph Dommermuth. Bislang scheitert seine Initiative, für seine Telekommunikationstochter 1&1 ein eigenes Netz zu bauen, statt überschüssige Kapazität bei O2 einzukaufen. Aber bislang scheitert er allein schon an den Antennentürmen. Dommermuth will sein Netz vor allem in Städten aufbauen, wo viele Menschen auf engem Raum wohnen. Dort stellt man Antennen meist auf Dächern auf. Als Dommermuth im vergangenen Jahr das Vodafone-Spin-Off Vantage Towers mit dem Ausbau der Antennen beauftragte, unterschätzten wohl beide Partner, wie lange die Entwicklung eines neuen Daches oder überhaupt nur die Installation einer weiteren Antenne auf einem bestehenden Dachmast dauert. Oft reicht die Statik nicht für weitere Last, dann erfordert es neue Verhandlungen mit den Vermietern. Dazu gibt es regulatorische Auflagen, die die Menge an Strahlung einschränken. Gerade gab Vantage Tower bekannt, dass CEO Vivek Badrinath seine Amtszeit „aus persönlichen Gründen“ nicht über Ende 2023 verlängern werde.

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Doch wenn Dommermuth das Antennenproblem gelöst hat, fängt das eigentliche OpenRAN-Kopfzerbrechen überhaupt erst an. Tests von Strand zufolge schluckt das nicht auf die Bedürfnisse der Telekommunikation ausgerichtete Equipment aktuell deutlich mehr Strom als klassische Netze. Das dürfte angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise den Business-Plan ins Wanken bringen.

Mitbewerber spekulieren bereits darüber, ob es Dommermuth überhaupt jemals ernst war mit dem Ausbau eines eigenen Netzes. Oder ob er sein OpenRAN-Abenteuer überhaupt nur inszeniere, um seinen Kooperationspartner O2 dadurch unter Druck zu setzen, ihm auch Kapazitäten in deren 5G-Netz zum Weitervermarkten anzubieten. Allerdings verfolgen die durchaus eigene Interessen: Zum einen wollen sie wegen Dommermuth nicht in eine weitere teure Spektrum-Auktion genötigt werden. Zum anderen sorgen sie sich, dass Dommermuth sie am Ende wirklich in einen neuerlichen Preiswettbewerb zwingen könnte.

Telekommunikationsanalyst John Strand aber erwartet, dass Dommermuth durchzieht, es aber bei einem sehr kleinen Netz mit sehr viel Roaming belassen wird: „Die Ausbaukosten sind sonst einfach zu groß, dazu bräuchte er weitere Investoren“. Mittelfristig sei 1&1 dann ein „perfektes Übernahmeziel für O2“.

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