
Der Brief kam überraschend und warf Fragen auf: Sie habe, schrieb Telefónica seiner Kundin, eingewilligt, dass O2 ihre Standortdaten vermarkten dürfe. Wie bitte?
Der hochverschuldete Telefonriese Telefónica war in die Schlagzeilen geraten, weil er mit einem Produkt namens Smart Step frisches Geld sammeln wollte. Smart Step kann den Standort des Telefonbesitzers mit Daten wie Alter und Geschlecht verknüpfen. Die Bewegungsdaten der deutschen Kunden wären hochinteressant, etwa für die Werbeindustrie: In welchem Straßenzug hält sich die Zielgruppe besonders lange auf? Vor welchen Schaufenstern verweilt ein potenzieller Kunde? Zur Verwertung der Daten gründete Telefónica Anfang Oktober die Tochtergesellschaft Telefónica Dynamic Insights. In einem Werbevideo im Internet heißt es auf Englisch: „Mit Telefónica Dynamic Insights können Sie sehen, wohin sich Kunden bewegen, während sie sich bewegen. Sie erfahren, wo Ihre potenziellen Kunden sind, wann sie da sind - und wie oft.“
Smart Step wird derzeit bereits in Großbritannien getestet. In einer Stellungnahme des Unternehmens hieß es zwar, dass „es keine konkreten Pläne“ gegeben habe ein solches Produkt in Deutschland einzuführen. Und „nach dem Feedback unserer Kunden haben wir uns nun allerdings entschieden, Smart Step in Deutschland nicht einzuführen." Der Brief jedoch wirft jetzt Fragen auf.
Denn allein der Gedanke daran, dass Telefónica Bewegungsdaten deutscher Kunden schwunghaft handeln könnte, rief das Wirtschaftsministerium auf den Plan. Gesetzliche Bestimmungen ließen es nicht zu, „dass ein Mobilfunkanbieter Standortdaten verkauft - auch nicht in anonymisierter Form oder mit Einwilligung des Betroffenen“, teilten die Berliner mit. Weiter hieß es: „Sollte ein deutscher Mobilfunkanbieter beabsichtigen, Standortdaten zu verkaufen, müsste dies vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz beanstandet und von der Bundesnetzagentur verfolgt werden.“ Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach von einem gefährlichen Trend. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagte, es gebe für Kunden, die sich den Handel mit ihren Daten nicht gefallen lassen wollten, „immer noch ein ganz einfaches Mittel: Anbieterwechsel". Was die Weitergabe der Daten angehe, gelte, dass der Kunde einwilligen müsse. Die Einwilligung dürfe „nicht irgendwo in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen" versteckt sein, sondern müsse separat erteilt werden.
Genau diese juristische Lücke nutzt der Brief aus: „Reagiert ein Kunde nicht auf ein solches Schreiben, kann der Mobilfunkanbieter die Daten nutzen“, sagt Michael Ebert, Rechtsanwalt für Handelsrecht. Der Kunde müsse schriftlich widersprechen. Dabei ist es offenbar egal, ob der Kunde zuvor zugestimmt hat oder nicht: Widerspricht er nicht, ist er einverstanden. Auch die O2-Kundin hatte bereits einem ähnlichen Brief aus 2011 offenbar nicht widersprochen.