Mobilfunk „Wir geben Deutschland das fortschrittlichste landesweite Open-RAN-Netz“

Rabih Dabboussi ist Chief Revenue Officer bei Rakuten Symphony Quelle: PR

Rakuten werde den ehrgeizigen Zeitplan beim Aufbau eines neuartigen 5G-Mobilfunknetzes für die United Internet-Tochter 1&1 einhalten, verspricht Top-Verkäufer Rabih Dabboussi im Interview. Er arbeitet für die Tochter Rakuten Symphony, die die japanische Mobilfunklösung in die ganze Welt tragen will.

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WirtschaftsWoche: 1&1 ist der erste Kunde von Rakuten Symphony, der ein komplettes virtualisiertes Open RAN 5G-Netz bestellt hat. Welche Faktoren waren dafür ausschlaggebend?
Rabih Dabboussi: Am Anfang stand ein Kennenlerngespräch zwischen den beiden Unternehmen, bei dem wir festgestellt haben, dass eine Zusammenarbeit beim Netzausbau in Deutschland sinnvoll ist. Herr Mikitani (von Rakuten) und Herr Dommermuth (von United Internet) und ihre jeweiligen Unternehmen sind sich sehr ähnlich. Beide sind Unternehmer, die ihre Firmen von der Pike aufgebaut haben und zu den erfolgreichsten und reichsten Geschäftsleuten in ihren jeweiligen Ländern gehören. Beide Unternehmen haben als virtuelle Mobilfunknetzbetreiber angefangen und sich dann bewusst dafür entschieden, vollwertige Netzbetreiber zu werden, die sich durch eine innovative Technologie und Kostenstruktur auszeichnen.

Sie haben im vergangenen Jahr in Frankfurt gelebt, um das Projekt in Gang zu bringen. Wie waren Ihre Erfahrungen mit den Mobilfunknetzen in Deutschland?
Ich habe einige Monate in Deutschland verbracht und bin regelmäßig auf der Autobahn zwischen Frankfurt und Düsseldorf gefahren. Auf einer Fahrt brach meine Mobilfunkverbindung wegen Funklöchern achtmal ab! 5G und neue massive Radiostrahler sollten die Konnektivität erheblich verbessern, da die Antennen eine höhere Kapazität bieten und intelligente Beamforming-Funktionen besitzen, also das Funksignal auf bestimmte Zonen wie die Autobahn lenken können. Ich denke, dass wir in den nächsten fünf Jahren in Deutschland einen Wettlauf erleben werden, wer die zusammenhängendste und effektivste Abdeckung für eine verbesserte Nutzer- und Serviceerfahrung haben wird.

Rakuten Mobile und die 1&1 Mobilfunk GmbH haben ihre Zusammenarbeit im August letzten Jahres angekündigt. Bis Ende 2022 müssen 1.000 5G-Antennen stehen. Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?
Wir haben bereits ein Team in Deutschland eingesetzt, das schnell wächst und von mehreren hundert Mitarbeitern unterstützt wird, die weltweit an dem Programm arbeiten. Außerdem sind wir bei der Auslieferung und Umsetzung insgesamt auf Kurs. Für weitere Details muss ich Sie an 1&1 verweisen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen beim Aufbau dieses Netzes?
Eine der Herausforderungen, mit denen die Branche heute konfrontiert ist, sind die globalen Engpässe in der Lieferkette und der Logistik, angefangen bei Kabeln und Zubehör bis hin zu Funkgeräten, Netzwerkinfrastruktur und Servern. Aber die gute Nachricht ist, dass wir keine massive proprietäre Hardware haben, die an jedem Standort und jeder Stelle eingesetzt werden muss. Wir haben alles auf Software umgestellt, die auf standardmäßigen Intel-basierten Servern läuft. Dadurch haben wir die Herausforderungen der Lieferkette bisher gut im Griff.

Rakuten baut bis März 2025 ein 5G-Netz in Japan auf. Parallel dazu errichten Sie das Netz für 1&1. Wie wird das Zusammenspiel aussehen?
Unser Team in Deutschland nutzt viel von der Expertise, die wir aus Japan übernommen haben. Die beiden Unternehmen arbeiten jedoch parallel und unabhängig voneinander, wobei sie sich völlig offen zeigen und die besten Praktiken austauschen. Zum Zeitpunkt der Markteinführung wird Deutschland über das fortschrittlichste landesweite Open-RAN-Netz verfügen, und die Ähnlichkeiten mit Japan werden bei über 90 Prozent liegen.

Eine neue Technologie wie virtualisierte Netze birgt immer das Risiko von Verzögerungen. Und in diesem Fall muss man das japanische System an Deutschland anpassen. Das birgt doch Gefahren?
Wir sehen da keine großen Herausforderungen auf uns zukommen. Es wird immer Produktanpassungen, bestimmte Roadmaps und Entwicklungsaktivitäten geben, die Zeit und Anstrengung kosten werden. Letztendlich fangen wir in Deutschland nicht bei Null an. Wir haben alle Lehren aus unseren Erfahrungen in Japan gezogen und beginnen auf dieser Basis. So werden beispielsweise die Architektur- und Betriebsgrundlagen, die wir für unser Netz in Japan verwendet haben, in Deutschland als Startpunkt genutzt und in eine deutsche Version mit deutschem Flair umgewandelt. Wir sind der Meinung, dass sich die beiden Netze und die beiden Projekte gegenseitig befruchten und voneinander profitieren werden.

Ein großer Unterschied zu Japan ist die geringe Nutzung von Glasfasernetzen in Deutschland. Ergeben sich daraus beim Aufbau des Netzes in Deutschland Risiken?
Überhaupt nicht. Anstatt Mikrowellenempfänger für die letzte Meile zu verwenden, werden wir das bestehende Glasfasernetz nutzen und gegebenenfalls neue Glasfaserkabel verlegen. Aber das wird eine sehr kurze Strecke sein, etwa zehn Meter, denn die 1&1 Schwestergesellschaft 1&1 Versatel besitzt ein gut ausgebautes Glasfasernetz in Deutschland. Das verschafft 1&1 einen großen Vorteil in Bezug auf die Bandbreite, das Gesamterlebnis und auch die Latenz im Netz.

Im Dezember hat Rakuten Symphony das System Symware vorgestellt, das Konnektivitäts- und Routing-Funktionen auf einer Allzweck-Serverplattform kombiniert. Werden Sie diese neue Technologie auch in Deutschland einsetzen?
In Japan planen wir die Einführung von Symware in der ersten Hälfte dieses Jahres. In Deutschland gibt es Potenzial für dieses Produkt in der Zukunft, wenn 1&1 sich weitere Frequenzen sichert. Derzeit sind wir sehr zuversichtlich, dass wir den Glasfaserzugang für die meisten Standorte sichern werden. Die Symware-Architektur ist sehr nützlich, wenn es keine Glasfaser gibt oder die Glasfaserstrecke länger ist, zum Beispiel außerhalb der Ballungsräume, weil sie die Möglichkeit bietet, den drahtlosen Datenverkehr ins Festnetz einzuspeisen. Für Brownfield-Betreiber (d. h. Betreiber, die neue Funktionen auf ein bestehendes Netz aufsetzen; Anmerkung der Redaktion) ist dies eine technisch überzeugende und kostengünstige Lösung.

Rakuten Symphony wirbt damit, dass ihre virtualisierte Open RAN-Technologie die Investitionskosten um 40 Prozent und die Betriebskosten um 30 Prozent senkt. Aber die Verluste und Schulden von Rakuten Mobile steigen schnell an. Was sind die Gründe für diesen scheinbaren Widerspruch?
Greenfield-Betreiber (Betreiber, die ein neues Netz bauen,;Anmerkung der Redaktion) brauchen drei bis fünf Jahre, um Rentabilität zu erreichen, denn in den ersten Jahren geht es vor allem um hohe Investitionen in die physische Infrastruktur, und zwar unabhängig von den verwendeten Technologien und Anbietern, denn man muss in jedem Fall noch Standorte und das Netz aufbauen. Sie können nicht erwarten, dass wir im ersten Jahr profitabel werden. Aber vergessen Sie bitte nicht, dass unsere „massiven“ Investitionen wegen der Open-RAN-Technologie weniger „massiv“ sind als die von etablierten Betreibern.

Rakuten Mobile hat in Japan viel weniger 4G-Frequenzen erhalten als die drei etablierten Wettbewerber NTT, KDDI und Softbank. Wie wirkt sich das auf die Leistung des Netzes aus?
Wir beschleunigen unseren Netzausbau und haben soeben unser Ziel einer 4G-Abdeckung von 96 Prozent der Bevölkerung etwa vier Jahre früher als geplant erreicht. Aus diesem Grund sind wir gerade dabei, das Roaming zum KDDI-Netz in 39 von 47 Präfekturen abzuschalten. In unseren Abdeckungsgebieten ist das Kundenerlebnis im Vergleich zu unseren Roaming-Gebieten deutlich besser. Laut dem unabhängigen Marktforschungsunternehmen Umlaut erreichten wir im Juni 2021 eine Punktzahl von 926 von 1.000, was umlaut als „sehr gut“ einstufte – und dies mit viel weniger Basisstationen als heute.

Rakuten Symphony hat bisher 14 Kunden gewonnen, darunter 1&1, und weitere 113 potenzielle Kunden identifiziert. Wie wollen Sie diese überzeugen?
Wir haben zwei einzigartige Vorteile. Erstens haben wir die meisten Funktionen der Basisstationen in Software umgewandelt und nutzen die Open RAN-Architektur, so dass Sie mehr Auswahl und Flexibilität bei den Antennen haben. Zweitens verfügen wir über ein extrem hohes Maß an Automatisierung und Orchestrierung. Wir betreiben unser Netz in Japan mit 200 Mitarbeitern, während andere Betreiber mit einer ähnlichen Ausdehnung und Anzahl von Funkeinheiten 6.000 bis 7.000 Ingenieure beschäftigen. Unsere Technologie verschafft uns die bereits erwähnten Kostenvorteile.

Sehen Sie mehr Potenzial in den entwickelten Ländern oder in den Schwellenländern?
Ich denke, die Chance ist eigentlich überall gegeben. Über 90 Prozent der traditionellen Mobilfunkbetreiber stehen vor der Notwendigkeit, zunächst ihre 4G-Netze zu verdichten und dann 5G einzuführen. Gleichzeitig sinkt der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer heute in den einstelligen Bereich, insbesondere in Europa. Es muss eine neue Art des Netzaufbaus geben. In unserem ersten Jahr der Markteinführung in Japan haben wir mit unseren niedrigen Tarifen und dem unbegrenzten Datentarif eine äußerst positive Veränderung auf dem Markt bewirkt. Die drei etablierten Betreiber haben ihre monatlichen Tarife gesenkt. Europa wird in den nächsten Jahren eine ähnliche Entwicklung durchlaufen.

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Aber sind die Mobilfunkanbieter in Schwellenländern vielleicht eher bereit, sich für eine neue Technologie zu entscheiden?
Vor allem im Nahen Osten, in Afrika, Lateinamerika und einigen südostasiatischen Ländern haben die Betreiber eine höhere Toleranz für Spitzentechnologien und in einigen Fällen auch eine höhere Risikobereitschaft. Der Grund dafür ist, dass sie Netze mit einer anderen Kostenstruktur betreiben. Ich glaube, dass Cloud, Open RAN und Automatisierungstechnologien für sie sehr attraktiv sein werden.

Sie bewerben die Rakuten Symphony-Technologie mit dem Argument, dass die Betreiber ihren Hardware-Anbieter unabhängig wählen können. Aber verlassen Sie sich nicht auch auf die Experten von Accenture und Tech Mahindra, so wie auch in Deutschland?
Unser Geschäftsmodell besteht darin, die besten Partnerschaften im Bereich Technologie und Innovation zu nutzen. Genau wie wir es in Japan gemacht haben, so haben wir mit vielen Akteuren zusammengearbeitet. Sie haben dazu beigetragen, dass das Netz in Japan Realität wurde, und sie werden uns helfen, es in Deutschland zu verwirklichen, einschließlich Accenture, Tech Mahindra und vielen anderen.

Lesen Sie auch: Hilfe aus Japan für Dommermuths United-Internet-Mission

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