Mobilfunklizenzen für vernetzte Autos Avancis Durchmarsch: „Die Autobranche hätte sich eine Menge Zeit und Kosten sparen können“

Avanci vergibt Lizenzen für vernetzte Autos. Quelle: imago images

Avanci hat auf einen Streich Lizenzen für vernetztes Fahren an fünf neue Autobauer vergeben. Damit deckt der Marktplatz für Patentlizenzen alle wichtigen westlichen Hersteller ab. China dagegen bleibt ein unlizensiertes Territorium.

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Der Großteil der weltweiten Autoindustrie hat jetzt Patente auf seine mit dem Internet verbundenen Autos von Avanci gekauft. Gerade nahmen der französische Autokonzern Renault, die europäische Stellantis-Gruppe mit den Marken Opel, Peugeot, Fiat und Chrysler sowie die japanischen Konzerne Honda, Nissan und Toyota Mobilfunklizenzen, so das Unternehmen mit Sitz in Dallas. Damit hat Avanci jetzt für 80 bis 85 Prozent aller Autos Funkchips unter Lizenz – ihr Geschäftsmodell, die Inhaber von Patenten auf einer Plattform mit den Nutzern von Patenten zu einem einheitlichen Preis zusammenzubringen, ist aufgegangen.

Allerdings nicht ohne sehr großen gerichtlichen Druck.

Avanci bietet als Plattform die Rechte von Nokia, Ericsson und 49 weiteren Mobilfunk-Patentinhabern gebündelt an. Jedes Auto, in das Mobilfunkchips eingebaut werden, braucht ihre Lizenz – oder riskiert, auf Patentverletzung verklagt zu werden. Damit besitzt Avanci eine monopolähnliche Stellung im Markt. Die einzige Alternative wäre, individuelle Verträge mit jeder Mitgliedsfirma auszuhandeln – ein enormer Zeitaufwand.

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Nicht mehr zu bremsen

Experten erwarteten diesen positiven Ausgang für Avanci, seit Daimler in dem Prozess gegen die Avanci-Poolmitglieder Nokia sowie Sharp und Conversant Wireless unterlag: „Avanci war nach der Entscheidung des Landgerichts München 1 gegen Daimler im vergangenen Herbst nicht mehr zu stoppen“, sagt der Patentexperte Florian Müller vom Blog FossPatents.com. Damals verteidigte der angesehene deutsche Rechtsanwalt Markus Grosch Daimler. Autounternehmen sind traditionell gewohnt, dass Lizenzen auf günstigeren Zuliefererebene abgeschlossen werden, im Mobilfunk dagegen ist die Lizensierung beim Endgerät auf teurerer Basis etabliert. Die Telekommunikationsbranche konnte sich gegen die Autohersteller mit ihrer Sicht durchsetzen.

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von Nele Husmann

Die ausstehenden 10 bis 15 Prozent des globalen Automarktes, die jetzt noch nicht zum Avanci-Kundenstamm zählen, dürften auf chinesische Hersteller entfallen. Ob Avanci ihnen aktiv Lizenzen anbietet, ließ die Pressestelle offen: „Avanci ist eine Lizenzoption für jeden Autohersteller – egal, wo auf der Welt. Wir laden sie ein, sich uns anzuschließen“, so Sprecher Mark Durrant. In der Vergangenheit hatten einzelne Mitgliedsfirmen von Avanci Klagen angestrengt, die von allen Teilnehmern der Plattform finanziert wurden. Ob in China Klagen laufen oder angestrebt sind, ist aber auch Experten nicht bekannt.

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Eine deutliche Preiserhöhung als Anreiz

Mit einer lange im Vorfeld angekündigten Preiserhöhung um 33 Prozent auf 20 Dollar ab Anfang September hatte Avanci unschlüssigen Autounternehmen einen Anreiz gegeben, sich schnell noch die Lizenz zum alten Preis zu sichern, statt weiter vor Gericht zu prozessieren oder eine Klage zu riskieren. Gegen Stellantis und Nissan sind aktuell Verfahren vor dem Landgericht München 1 anhängig, das sich eine führende Position bei Patentverletzungsklagen erarbeitet hat. Diese sollten jetzt eingestellt werden. Der koreanische Autohersteller Hyundai-Kia war das erste Unternehmen, das nach der Bekanntgabe der anstehenden Preiserhöhung eine Lizenz von Avanci nahm.

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Das Augenmerk aller Autobauer richtet sich jetzt auf das noch ausstehende Angebot von Avanci für Autos, die mit Hilfe von 5G-Chips bessere Fahrerlebnisse und eines Tages auch autonomes Fahren möglich machen. Experten erwarten, dass es doppelt so teuer wird wie die aktuelle Lizenz. Und das ist erst der Anfang – Avanci arbeitet an einer Plattformlösung für die Lizensierung des Internet of Things. „Die Autobranche hätte sich eine Menge Zeit und Kosten sparen können, wenn sie nach dem Daimler-Urteil freiwillig auf das Avanci-Angebot eingeschwenkt wäre“, so Patentexperte Müller, „wenn sie trotz dieser Erfahrungen den Einigungsprozess auf 5G aufhalten, haben sie selbst Schuld.“ 

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