
Netflix hat im Heimatmarkt USA das Geschäft mit Filmen und Serien aus dem Internet geprägt. In Deutschland trifft der Pionier jetzt jedoch auf diverse etablierte Rivalen. Gründer und Chef Reed Hastings erklärt in einem Interview, wie er den deutschen Markt angehen will.
Warum haben Sie so lange nach Deutschland gebraucht?
Es ist teuer. Man braucht Inhalte. Wir haben uns über andere Länder vorgearbeitet. Jetzt ist die richtige Zeit.
Inzwischen bevölkern aber mehrere Rivalen den deutschen Markt. Sind Sie spät dran?
Die meisten Nutzer abonnieren mehrere Dienste. Wir sehen das nicht als eine Entweder/Oder-Situation.
Wie unterscheidet sich der deutsche Markt von anderen, in denen Sie bisher gestartet sind?
Die Deutschen wollen mehr Kontrolle über das TV-Erlebnis. Es gibt viel weniger Settopboxen als in anderen Ländern. Überraschend viele Menschen akzeptieren das klassische lineare TV mit festem Startzeiten.
Wen sehen Sie hauptsächlich als Konkurrenten: Das klassische Fernsehen oder andere Streaming-Dienste?
Die wichtigste Frage ist: Was machen Sie zur Entspannung, wenn Sie am Abend nach der Arbeit zu Hause sind. Gehen Sie joggen? Spielen Sie ein Spiel? Schauen Sie Fernsehen? Oder Netflix? Es gibt eine riesige Auswahl an Möglichkeiten und entsprechende Konkurrenz und die Zeit der Menschen.
Die wichtigsten Anbieter im Online-Fernsehen
Unternehmen: Netflix
Streamingkosten (in € pro Jahr): 95,88–107,88
Stärke: Viele exklusive Filme und Serien, bewährte Technik, starke Kooperationspartner
Schwäche: Wenig aktuelle Filme, anfangs relativ kleines Angebot
Wichtigste Serien: House Of Cards, Orange Is The New Black, Hemlock Grove
Quelle: Unternehmen
Unternehmen: Deutsche Telekom
Streamingkosten (in € pro Jahr): ab 359,40*
Stärke: Auch über Satellit nutzbar, teilweise ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Nur im Paket mit Telefon und Internet, lange Vertragsbindung
Wichtigste Serien: Sherlock, The Mentalist, How I Met Your Mother
* inklusive Telefon und Internet-Anschluss
Unternehmen: Amazon
Streamingkosten: Neben einer Jahresgebühr von 49 Euro ist Amazon Prime Video auch im monatlich kündbaren Abo für 7,99 Euro verfügbar
Stärke: Exklusive Filme und Serien, Gratislieferung von Amazon-Bestellungen, auf mobilen Endgeräten ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Nicht alle Titel lassen sich für die Offline-Wiedergabe speichern, nicht alle Filme und Serien im Sortiment
Wichtigste Serien: The Man in the High Castle, Mozart in the Jungle, Transparent, Mr. Robot, Fear the Walking Dead, Lucifer, Preacher, The Night Manager
Unternehmen: Apple
Streamingkosten (in € pro Jahr): Bezahlung pro Download
Stärke: Sehr breites Angebot, Serien direkt nach US-Ausstrahlung, Kauf ab 99 Cent
Schwäche: Nur Kauf und Miete
Wichtigste Serien: True Detective, Sleepy Hollow, The Strain, Downton Abbey
Unternehmen: ProSieben-Sat.1
Streamingkosten (in € pro Jahr): 95,88
Stärke: Großes Angebot, Serien direkt nach US-Ausstrahlung, Kaufvideos, teilweise ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Aktuelle Filme und Serien nur Zuzahlung
Wichtigste Serien: Under The Dome, Hannibal, Sons Of Anarchy, Bitten, Hawaii Five-O
Unternehmen: Sky
Streamingkosten (in € pro Jahr): 47,88
Stärke: Niedriger Preis; auch Originalfassungen, gegen Aufpreis teilweise ohne Internet-Verbindung nutzbar
Schwäche: Begrenztes Angebot, wenig Aktuelles
Wichtigste Serien: Game Of Thrones, Alcatraz, Die Sopranos, The Walking Dead
Unternehmen: Vivendi
Streamingkosten (in € pro Jahr): 107,88
Stärke: Teilweise ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Begrenztes Angebot, wenig Aktuelles
Wichtigste Serien: Mad Men, The Wire, Lilyhammer, The Mentalist, Torchwood
Unternehmen: Google
Streamingkosten (in € pro Jahr): 0
Stärke: Gratis, fast unendliches Angebot
Schwäche: Wenig aktuelle und hochwertige Filme
Wichtigste Serien: Tatort, Schimanski, Kanäle von Komödianten wie Y-Titti, LeFloid
Und doch für Sie konkret?
Wir würden kein einzelnes Unternehmen hervorheben. Das herkömmliche lineare Fernseher ist sicherlich ein zentraler Rivale. Aber dann auch die Internet-Piraterie unter jüngeren Nutzern.
Wird klassisches lineares TV aussterben?
Ja, auf jeden Fall. Ich schätze, über einen Zeitraum von 20 Jahren. Selbst Sport-Übertragungen werden dann über Apps aus dem Internet laufen. Sie werden Kamera-Perspektiven aussuchen und sich auf einzelne Spieler oder Teams konzentrieren können.
Heißt das, wir werden irgendwann eine Fußball-WM bei Netflix sehen?
Nein, das ist zu teuer. Der Wettbewerb um die Sportrechte ist zu heftig. Wir konzentrieren uns auf längere Zeit auf Filme und Serien.
In Deutschland bekommen die Zuschauer viel mehr frei empfangbares TV geboten als in vielen anderen Ländern. Für viele ist es seit Jahrzehnten üblich, sich um 20.15 Uhr ein Fernsehprogramm auszusuchen. Wie wollen Sie dagegen ankommen?
Früher war es auch üblich, Pferde als Fortbewegungsmittel zu nutzen - und dann haben die Menschen festgestellt, dass es mit Autos viel bequemer ist. Genauso gehen wir davon aus, dass sich der Komfort, nicht mehr vom Fernsehprogramm abhängig zu sein, durchsetzen wird.
Im Netflix-Programm finden sich zum Start neben exklusiven Inhalten auch viele Filme und Serien, die man bei anderen Anbietern zu sehen bekommt. Haben Sie genug einzigartiges Programm, um sich abzuheben?
Ich glaube, ja. In jedem Markt versuchen wir, nach dem Start besser zu werden. Wir lernen daraus, was die Menschen gerne sehen und fügen dann entsprechend Inhalte hinzu. Wir haben auch ein Auge darauf, welche Raubkopien über Dienste wie Bittorrent heruntergeladen werden.
Kundenzahlen und Expansion von Netflix
7,5 Millionen Kunden in den USA
(Die Kundenzahlen von 2007 bis 2010 beinhalten auch DVD-Versand-Kunden)
9,4 Millionen Kunden in den USA
12,3 Millionen Kunden in den USA
20 Millionen Kunden weltweit
Expansion: Kanada
23,5 20 Millionen Kunden weltweit
Expansion: Lateinamerika und Karibik
33,3 20 Millionen Kunden weltweit
Expansion: Irland, Skandinavien und Großbritannien
44,4 Millionen Kunden weltweit
Expansion: Niederlande
50,1 20 Millionen Kunden weltweit (Stand 30.Juni 2014)
Expansion: Deutschland, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Belgien und Luxemburg
Quelle: Statista
Ist es ihr Ziel, die Marktführung zu übernehmen?
Es geht nicht so sehr darum, ob man Erster, Zweiter oder Dritter ist. Wir haben in den USA etwa ein Drittel der Haushalte als Kunden. Wir hoffen, in Deutschland diese Marke in fünf bis sieben Jahren zu erreichen.
Haben Sie europäischen Datenschutz-Sorgen nach den Snowden-Enthüllungen berücksichtigt?
Wir haben unsere Europa-Zentrale in den Niederlanden angesiedelt, einem Land, das wie Deutschland strikte Datenschutz-Bestimmungen hat. Wir verkaufen keine Werbung und keine Daten der Nutzer an Anzeigen-Netzwerke. Wir nutzen die Informationen nur dazu, die Empfehlungen zu personalisieren.

Wie haben Sie die Serie „House of Cards“ ins Programm bekommen, die Rechte für die doch eigentlich an andere Anbieter verkauft worden waren?
Es war nur eine Frage des Geldes.
Werden Sie auch eigene Inhalte in Deutschland produzieren?
Auf jeden Fall. Es ist Teil unseres Vorgehens. In den nächsten paar Jahren werden wir zunächst den Markt besser kennenlernen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Netflix-Start
Die Preise des Dienstes sind gestaffelt. Wer die Filme und Serien in HD sehen will oder mehrere Zugänge für die ganze Familie braucht, zahlt mehr.
Einstiegspreis: 7,99 Euro pro Monat (Standard Auflösung / ein Gerät)
HD-Paket: 8,99 pro Monat (Höhere Auflösung / zwei Geräte zeitgleich)
Familien-Paket: 11,99 (Höchste Auflösung (4K-Ultra-HD / vier Geräte zeitgleich)
Das Netflix-Angebot ist auf mehreren Wegen abrufbar:
Im Browser über www.netflix.com/de
Über die Netflix-App für iOS und Android
Über Spielekonsolen die PlayStation 3 und 4, die Xbox 360 und One und die Wii,
Über Set-Top-Boxen wie Apple TV und das Fire TV von Amazon sowie Googles Chromecast
Über verschiedene Blue-Ray-Spieler und Smart-Tvs (vorrangig Geräte von Samsung und Sony)
Nach ersten Berichten fällt das Angebot von Netflix in Deutschland bislang offenbar deutlich geringer aus, als in de USA. Bekannte Filme und Serien wie Breaking Bad, Sherlock, The Walking Dead oder Big Bang Theory sind aber dabei.
Exklusiv gibt es offenbar Serien wie Fargo und From Dusk till Dawn. Der von vielen sehnlichst erwartete Breaking-Bad-Ableger Better Call Saul soll parallel zum US-Serienstart im Februar 2015 starten.
Wichtig für viele Film- und Serienfans: Alle englischsprachigen Produktionen gibt es synchronisiert und mit Originalton zu sehen – auf Wunsch mit deutschen Untertiteln.
In der Vergangenheit hat Netflix die Auslandsrechte an seinen eigenen Serien häufig verkauft. Das führt zu merkwürdigen Situationen: Das hochgelobte House of Cards war bereits vor dem Netflix-Start in Deutschland zu sehen. Und: Der Streamingdienst hat jetzt zwar die ersten beiden Staffeln im Angebot. Die dritte Staffel wird aber wohl bei Sky laufen. Auch Lillyhammer und Arrested Development sind derzeit nicht über Netflix abrufbar.
In Zukunft wird Netflix aber vermutlich keine derartigen Deals mit der Konkurrenz mehr eingehen. Die bereits angekündigten Eigenproduktionen Marco Polo und Sense8 werden wohl erstmal nur für Netflix-Kunden zu sehen sein.
Vielleicht eine Art „Tatort“ aus dem Hause Netflix?
Wir werden sehen.
Haben Sie schon einmal einen „Tatort“ gesehen?
Nein.
Viele Filme auch in ihrem Angebot sind schon mehrere Jahre alt, ist es absehbar, dass die Rechteinhaber neue Blockbuster schneller in Streaming-Dienste lassen?
Sie machen es, wenn wir ihnen genug Geld bezahlen. Dafür brauchen wir Größe am Markt, um mehr Geld für Gebote zu haben.
Würden Sie auch den Kauf von Konkurrenten ins Auge fassen, um schneller mehr Gewicht und Geld zu bekommen?
Wir haben in 15 Jahren keine solchen Zukäufe gemacht und haben das auch nicht vor.