Netflix macht Gewinn, Spotify nicht Warum Musikstreaming ein Verlustgeschäft ist

Musikdienste auf Abruf wie Spotify und Simfy gelten als Rettung der Musikindustrie, sind aber nicht profitabel. Warum sie im Gegensatz zum Videostreaming kein Geld verdienen.

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Die bekanntesten Musik-Portale im Internet
Amazon startet Prime Music in Deutschland und Österreich - als Bestandteil von Amazon Prime ohne zusätzliche Kosten. Quelle: obs
Apple Music Quelle: dpa
Die seit März 2012 existierende Plattform Spotify bietet mehr als 30 Millionen Songs an. Eine Gratis-Version erlaubt das Anhören der Musik mit Werbeunterbrechungen. Zusätzliche Premiumfunktionen wie das Downloaden von Liedern sind wie bei den meisten Streaming-Angeboten kostenpflichtig. Nach eigenen Angaben hat Spotify mehr als 75 Millionen Nutzer, 20 Millionen von ihnen zahlen. Der Streaming-Dienst ist in 58 Ländern verfügbar.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich
Die Streaming-Plattform Deezer ist vor allem in Frankreich sehr beliebt. 2007 startete sie als erster Gratis-Streamingdienst auf dem Markt. Heute kostet eine Mitgliedschaft, wie auch bei vielen anderen Diensten, Geld. Kostenlos gibt es nur ein Radio-Angebot und Lied-Ausschnitte. Die Plattform ist mittlerweile in mehr als 180 Ländern verfügbar.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Mit Ampya versucht die ProSiebenSat.1 Media seit 2011 auf dem boomenden Markt der Streaming-Dienste Fuß zu fassen. Beflügelt durch viel Werbung auf den TV-Kanälen des Medienunternehmens zählt Ampya zu den bekanntesten Diensten in Deutschland. 2014 wurde Ampya von Deezer mit dem Ziel übernommen, in Europa noch weiter zu wachsen.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Seit 2012 ist WiMP aus der Bethaphase heraus. Gegründet wurde der Musikstreamingdienst in Norwegen, wo sein Mutterkonzern "Aspiro" sitzt. WiMP gibt es bis jetzt in fünf Ländern zu hören: Deutschland, Norwegen, Dänemark, Schweden und Polen. "Aspiro" spielt schon mit dem Gedanken WiMP auch in Finnland, Portugal, Österreich und der Schweiz zu etablieren. Mit einer hohen Sound-Qualität (gegen Aufpreis) und einem eigenen Redaktionsteam, das Musik empfiehlt, will sich WiMP von der Konkurrenz abheben.Preis: 4,99 bis 19,90 Euro monatlich
Napster startete als Musiktauschbörse und wurde schnell zur Plattform für illegale Raubkopien. Auf rechtlichen Druck der Musik-Industrie wurde die Plattform 2001 geschlossen. Der legale Streaming-Dienst gleichen Namens bietet mehr als 25 Millionen Songs und ist damit einer der größten überhaupt. Nach einer kostenlosen Testphase gibt es den Dienst allerdings nur noch gegen Geld.Preis: 7,95 bis 9,95 Euro monatlich Quelle: AP

Wenn Manager großer Musikkonzerne seit gut einem Jahr immer öfter mit einem Lächeln herumlaufen, verdanken sie das vor allem einem Mann: Daniel Ek. Der Schwede und sein Musik-Abrufdienst Spotify, so die Hoffnung, werden zusammen mit ein paar kleineren Wettbewerbern quasi im Alleingang das jahrelange Siechtum beim Umsatz stoppen. Musikstreaming soll wieder für ein Wachstum und Gewinne sorgen.

In einigen Ländern, wie der schwedischen Heimat von Spotify, hat Ek die Abwärtsspirale bereits beendet. Die Geschäfte laufen seit zwei, drei Jahren wieder solide. Und spätestens 2018 soll das fast überall in der Welt der Fall sein. Auch in Hochburgen der Musikpiraterie wie China wollen die Musikriesen Geld einnehmen. Und selbst in Ländern wie Afghanistan und der Sahelzone gibt es dank Streaming nun ein legales Musikangebot.

von Jürgen Berke, Matthias Hohensee, Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

So sehr das Modell des skandinavischen Retters und seiner Nachahmer Deezer oder Simfy auch das Konto füllt, es hat einen Nachteil: Geld zu verdienen ist damit schwer. Zwar lässt sich keiner der Musikdienste in die Bilanz schauen. Aber dem Vernehmen nach wachsen bei Spotify die Verluste schneller als die Umsätze. Der französische Dienst Deezer will sich nach Beobachtung von Konkurrenten darum gar aus vielen Ländern wieder zurückziehen.

Als Grund gilt vor allem das starke Wachstum, das unter anderem hohe Marketingausgaben mit sich bringt. Diese Begründung allein greift allerdings zu kurz. Im Videostreaming verdient zumindest Marktführer Netflix, der stark expandiert und jetzt unter anderem in Deutschland und Frankreich startet, ordentlich Geld.

Die unterschiedliche Entwicklung hat vor allem drei Gründe, und die machen es der Musikindustrie wirklich schwer.

1. Produktangebot

Kern eines Musikdienstes ist es, möglichst alle verfügbaren Künstler und Stücke anzubieten. Für bis zu zehn Euro Abogebühr im Monat will der Konsument genau seine Musik finden. Wer Madonna sucht, dem genügt Britney Spears ebenso wenig wie dem Alternative-Rocker das neue Album von Royal Blood, wenn er Death From Above 1979 sucht.

Darum ist jeder Dienst vollständig und am Ende hat keiner unverwechselbare Inhalte. Zwar gibt es Mini-Ausnahmen - Spotify hat die Metal-Senioren von Metallica und exklusiven Live-Sessions im Angebot - die am Ende aber wohl nur wenige Kunden wirklich vermissen würden.

Die wichtigsten Anbieter im Online-Fernsehen

Das ist beim Videostreaming anders. Sicher hätten Fans von Brad Pit, Nora Tschirner oder Claude Chabrol auch gerne deren neueste Werke auf dem Schirm. Aber wenn nicht, dann eben nicht. Filmfreunde sind nun mal aus dem Fernsehen und der Videothek gewohnt sind, dass ihr Wunsch gerade mal nicht verfügbar ist. Darum nehmen gerne auch was Ähnliches, so lange genug ihrer Lieblingsserien oder Filme da sind und auch der Rest des Angebots interessant genug ist.

Und die Fans akzeptieren sogar zähneknirschend, wenn ein Film oder eine Serie nach einem Jahr nicht mehr zu haben ist. Denn entweder die Kunden kennen die Serie, und wenn nicht, vermissen sie die wahrscheinlich auch nicht allzu sehr.

Darum bleiben die Aussichten für Musikdienste düster

2. Marktmacht

Das Musikgeschäft bestimmen die drei Musikriesen Universal, Sony und Warner. Die drei sogenannten Majors machen rund 80 Prozent des globalen Umsatzes und an Ihnen kommt kein Musikdienst vorbei. Aber weil es weltweit gut 400 kleine Spotifys und Simfys gibt, ist aus Sicht der Majors jeder von ihnen ersetzbar und keiner kann Sonderkonditionen verlangen.

Die Nutzungsrechte lassen sich die Riesen gut bezahlen. Will ein Streamer ihre Lieder haben, muss er ihnen pauschal rund 70 Prozent seiner Einnahmen überweisen. Und zwar nicht vom bisherigen, sondern vom erwarteten Umsatz, bevor er überhaupt einen Euro eingenommen hat. Übersteigt der Umsatz später den Voraus-Abschlag, wird nachgezahlt.

Da tritt Netflix-Chef Reed Hastings bestenfalls Mitleid in die Augen. Er zahlt zwar auch vorab viel Geld an die Rechteinhaber, aber das weitgehend nach seinen eigenen Regeln. Konkret: Nach dem, was er als Einnahmen erwartet. Will ein Filmverleih da empört nicht mitmachen, kann Netflix auf ihn verzichten. Denn im Gegensatz zum Musikgeschäft gibt es keine drei Riesen, sondern ein paar hundert Anbieter.

Und jeder davon ist verzichtbar. Nicht zuletzt weil eben auch Fans eines bestimmten Schauspielers oder Regisseurs nie leer ausgehen wenn bei einem Bildstreamer mal ein Verleih fehlt. Denn die Leinwandhelden arbeiten – im Gegensatz zu Musikern – nie länger für ein Unternehmen und das gern auch parallel bei mehreren Filmen.

Selbst wenn mal ein Verleih ein besonders attraktives Filmpaket bietet, ist der Hebel klein. Denn  - siehe Grund 1 – der Kunde erwartet weder ein vollständiges noch ein konstantes Angebot.

3.    Geschäftsmodell

Diese Marktmacht erlaubt Videostreamern ein komplett anderes Geschäftsmodell. Anbieter von Musik auf Abruf könnten maximal jene 30 Prozent vom Umsatz an Gewinn machen, die ihnen die mächtigen Majors lassen,  selbst wenn sie nichts für ihre aufwändige IT, das Personal oder die Steuer zahlen müssten.

Videoprimus Netflix hingegen kennt im Grunde keine natürliche Gewinngrenze. Er bezahlt die Inhaber der Filmrechte vorab und wenn er jede Menge neue Kunden gewinnt, dann fließen deren Gebühren fast komplett in seinen eigenen Überschuss.

Oder zunehmend in die Produktion eigener Inhalte. So will Netflix in den nächsten zwei, drei Jahren mehr als 20 eigene Serien drehen. Das kostet zwar Geld, aber es verbessert die Stellung.

4.    Aussichten

Natürlich beschwören die Musikstreamer vor allem ihre Investoren, dass sie irgendwann mal profitabel sein werden. Und das wird irgendwann wohl auch so kommen. Aber nur, wenn sie bei den Punkten 1 bis 3 mehr wie Anbieter bewegter Bilder arbeiten.

Das wird nicht leicht. Denn exklusive Inhalte bleiben in der Musik selten. Sicher kann Spotify weiter wachsen und hoffen, so mächtig zu werden wie etwa Apple beim Verkauf von Downloads. Aber bis dahin sollte besser keiner die Luft anhalten. Denn Apples iTunes-Laden wurde zum Quasi-Monopolisten, weil die Majors das zuließen. Berauscht vom Erfolg der neunziger Jahre wollten sie lieber ihre Fans mit Klagen zum CD-Kauf nötigen, statt den Piratenseiten ein legales Downloadangebot entgegen zusetzen.

Das, schworen sich die Musikriesen, soll nicht wieder passieren. Also fördern sie nach Kräften die Vielfalt aus Angst, Spotify könne zu einem zweiten Apple werden. Am Ende bleibt noch ein anderer Ausweg: Ein wirklich Großer kauft die

Streamer auf, und diktiert den Majors seine Bedingungen.

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