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Netzausrüster Huawei - verlängerter Arm chinesischer Geheimdienste

Nach dem NSA-Abhörskandal lehnt sich China entspannt zurück und kostet die Empörung der Europäer über die Datenjäger in den USA aus. Doch das Riesenreich spioniert intensiver denn je – wohl mit tatkräftiger Unterstützung eines der weltgrößten Netzausrüster.

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NSA speicherte mehr als 300 Berichte über Merkel
29. März 2014Der US-Geheimdienst NSA hat nach einem Medienbericht in einer Datenbank über 100 Staats- und Regierungschefs offiziell als Spionageziele erfasst, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Allein über Merkel seien mehr als 300 Berichte gespeichert, berichtet „Der Spiegel“ unter Berufung auf ein geheimes NSA-Dokument aus dem Archiv des Informanten Edward Snowden. Das Dokument belege, dass die National Security Agency (NSA) nachrichtendienstliche Erkenntnisse über die Kanzlerin gesammelt habe, und könnte damit ein wichtiges Beweisstück für die Bundesanwaltschaft sein, heißt es weiter. Diese wolle in Kürze entscheiden, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Spionage einleitet. Die Karlsruher Behörde beschäftigt sich mit zwei Vorwürfen. Einer betrifft das massenhafte Ausspähen der Bürger in Deutschland, der andere den konkreten Punkt, dass ein Mobiltelefon Merkels abgehört worden sein soll. Sollte tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, erwarten Experten neuen Ärger mit den USA. Der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte Tausende Geheimdokumente an Journalisten übergeben und so den NSA-Skandal losgetreten. Das Dokument, das „Der Spiegel“ einsehen konnte, liste allem Anschein nach alphabetisch 122 Staats- und Regierungschefs auf, über die die NSA im Mai 2009 Informationen gesammelt habe, heißt es. Zwölf Namen seien exemplarisch aufgeführt, darunter Merkel. Die Liste beginne bei A wie Abdullah Badawi, dem damals gerade zurückgetretenen malaysischen Ministerpräsidenten. Nummer 122 sei - von der NSA mit Y geschrieben - Julia Timoschenko, 2009 noch ukrainische Premierministerin. Das Magazin berichtet auch über ein weiteres Dokument aus der NSA-Abteilung „Special Sources Operations“, die für den Zugang zu den großen Internettrassen zuständig sei. Daraus gehe hervor, dass das für NSA-Anträge zuständige US-Sondergericht den Geheimdienst am 7. März 2013 autorisiert habe, Deutschland zu überwachen. Welche Daten davon genau betroffen seien, lasse sich anhand des Dokumentes nicht sagen. „Der Spiegel“ beruft sich aber auf die Einschätzung der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Aclu. Diese geht demnach davon aus, dass der NSA damit der Zugriff auf die Kommunikation aller deutschen Staatsbürger erlaubt ist. Quelle: dpa
19. März 2014Die NSA kann einem Zeitungsbericht zufolge sämtliche Telefongespräche eines Landes aufnehmen und 30 Tage lang anhören. Das Programm mit dem Namen Mystic sei im Jahr 2009 gestartet worden und 2011 erstmals gegen einen Staat in vollem Umfang eingesetzt worden, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf Personen, die mit dem System vertraut sind, sowie auf Dokumente des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Auf Wunsch der Behörden hält das Blatt demnach Einzelheiten zurück, damit der betroffene Staat und potenzielle weitere Zielländer nicht identifiziert werden können. Ein Verantwortlicher verglich das Programm dem Bericht zufolge mit einer Zeitmaschine, weil jeder Anruf erneut abgespielt werden kann. Auf eine bestimmte Zielperson müsse man sich vorher nicht festlegen. Quelle: dpa
17. Januar 2014Die NSA kann laut einem neuen Zeitungsbericht fast 200 Millionen SMS-Nachrichten pro Tag abgreifen. Das gehe aus einem Dokument aus dem Jahr 2011 hervor, berichtete die britische Zeitung „Guardian“ am Donnerstagabend. Das Programm mit dem Namen „Dishfire“ sammele wahllos „so ziemlich alles, was es kann“, gehe aus Papieren des britischen NSA-Partnerdienstes GCHQ hervor. Die Geheimdienste fischten aus den Kurznachrichten Informationen etwa über Reisepläne, Adressbücher oder Finanz-Transaktionen, hieß es. Außerdem gäben zum Beispiel Benachrichtigungen über entgangene Anrufe Informationen über den Bekanntenkreis eines Nutzers. Jeden Tag sammele die NSA den Unterlagen zufolge mehr als fünf Millionen davon ein. Genauso wiesen 1,6 Millionen registrierte Roaming-Benachrichtigungen auf Grenzübertritte hin. Ebenso seien aus mehr als 76 000 Kurznachrichten Geodaten extrahiert worden. Der Präsentation von 2011 zufolge wurden an einem Beispieltag 194 Millionen SMS-Nachrichten eingesammelt, schrieb die Zeitung. Ein weiteres Dokument gebe einen Eindruck von der Auswertungskapazität des Systems: Die Geheimdienst-Analysten würden darin aufgefordert, nach nicht mehr als 1800 Telefonnummern gleichzeitig zu suchen. Die Dokumente stammten aus dem Fundus des Informanten Edward Snowden und seien 2012 von einer Seite mit Anleitungen zum „Dishfire“-System für GCHQ-Mitarbeiter heruntergeladen worden. Das System sei zu diesem Zeitpunkt im Einsatz gewesen. Quelle: dpa
3. Januar 2014Der US-Geheimdienst NSA will einem US-Medienbericht zufolge einen Supercomputer entwickeln, der in der Lage sein soll, fast alle Verschlüsselungen weltweit zu knacken. Die "Washington Post" berichtete der Computer solle die Sicherheitsbarrieren so gut wie aller Einrichtungen weltweit überwinden können, von Regierungen über Banken bis hin zu geheimen Forschungseinrichtungen und etwa medizinischen Daten von Patienten. Quelle: AP
29. Dezember 2013Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen des „Spiegel“ zahlreiche kommerzielle IT-Produkte geknackt und Schwachstellen für Spionagezwecke ausgenutzt. Darunter seien auch Produkte großer amerikanischer Firmen wie Microsoft,Cisco oder Dell, außerdem solche der chinesischen Firma Huawei, berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner neuen Ausgabe. Das gehe aus Dokumenten des Informanten Edward Snowden hervor, die der „Spiegel“ ausgewertet habe. Die Unterlagen legten nahe, dass dies ohne das Wissen oder die Unterstützung der betroffenen Unternehmen passiert sei. Über das weltweit kritisierte NSA-Spähprogramm NSA streitet die US-Justiz. Quelle: dpa
21. Dezember 2013Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zehn Millionen Dollar an die Internetsicherheitsfirma RSA gezahlt, damit ein von ihm entwickeltes Verschlüsselungssystem als Kern der RSA-Sicherheitssoftware Bsafe genutzt wird. Die RSA hatte bereits im September nach den Enthüllungen über Spähaktionen der NSA eine Warnung zu ihrer Software Bsafe veröffentlicht. Darin sei ein Werkzeug zur Generierung von Zufallszahlen enthalten, die auf einer von der NSA mitentwickelten schwachen Formel basiere, erklärte das Unternehmen. Möglicherweise hat sich die NSA mit dem von ihr entwickelten Zufallsgenerator eine Hintertür geschaffen, um verschlüsselte Verbindungen ausspähen zu können. Quelle: dpa
15. Dezember 2013Die NSA kann nach neuen Enthüllungen massenhaft Handy-Gespräche abhören. Dabei nutze der US-Geheimdienst aus, dass die rund 30 Jahre alte Verschlüsselung des Mobilfunk-Standards GSM geknackt sei, schrieb die „Washington Post“ unter Berufung auf Unterlagen des Informanten Edward Snowden. Mit dieser Fähigkeit dürften auch die Gespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört worden sein. Quelle: dpa

In der Dunkelheit sind die Scharfschützen kaum zu erkennen. Doch sie sind überall auf den Dächern des Bayerischen Hofs. In den unteren Etagen des Münchner Nobelhotels debattieren an diesem Abend Anfang Februar Diplomaten und Minister über die Krisen und Konflikte in der Welt. US-Außenminister John Kerry ist gekommen, sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier, auch die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist da. Es ist Sicherheitskonferenz, die ganze Welt schaut zu.

Acht Stockwerke über den Konferenzsälen hat John Suffolk zum Dinner geladen. Der Brite ist als Chief Cyber Security Officer des chinesischen Netzausrüsters Huawei zuständig für die Datensicherheit des Unternehmens, das Telekomkonzerne in aller Welt mit Netzwerklösungen ausstattet. David Stulb, weltweiter Chef für Betrugsermittlungen beim Wirtschaftsprüfer EY, ist gekommen, ebenso Eberhard Sandschneider, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und einer der besten Chinakenner. Neben Suffolk sitzen zwei Ex-Verteidigungsminister: Rudolf Scharping (SPD) und Franz Josef Jung (CDU).

Es gibt Champagner, Fisch als Vorspeise, dann Steak an buntem Gemüse. Im Kamin knistert das Holz, die Stimmung ist gelöst. „Um die Sicherheit müssen wir uns hier ja keine Sorgen machen“, witzelt Suffolk und deutet auf die Sniper auf der Dachterrasse. Ernst wird der Brite dann, als es um IT-Sicherheit geht. Denn er kennt die Spionagevorbehalte im Westen: „Wir sind ein Unternehmen mit Sitz in China“, sagt Suffolk, „auch deshalb stehen wir im Scheinwerferlicht.“ Er versucht, bei seinen Gesprächspartnern alle Bedenken zu zerstreuen: Niemals sei Huawei von irgendeiner Regierung aufgefordert worden, seine Produkte mit Einfallstoren auszustatten, die das geheime Anzapfen der Netze ermöglichen.

Bedenken, mit denen sich wohl auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auseinandersetzen muss. Am Freitag kommt Xi nach Deutschland, zunächst nach Berlin, dann nach Düsseldorf. Dort will er ein chinesisches Konsulat eröffnen, geplant ist auch ein Besuch der Deutschland-Zentrale von Huawei. Die Visite will Xi auch nutzen, um das Unternehmen als vertrauenswürdigen Netzausrüster darzustellen, der den über seine Netzkomponenten geleiteten Internet-Verkehr natürlich nicht anzapft und ausspioniert.

Zuletzt hatte sich der Wirbel um Cyberattacken aus dem roten Riesenreich zwar etwas gelegt. Die Welt empört sich zurzeit vor allem über von den Amerikanern angezapfte Kanzlerinnen-Handys und das exzessive Datensammeln des US-Geheimdienstes NSA, der zusammen mit in den USA beheimateten Web-Riesen wie Google, Microsoft, Apple, Skype, Yahoo und Facebook den gesamten globalen Internet-Verkehr nach verwertbaren Bits scannt. China kostet die weltweite Empörung über die amerikanischen Spionagepraktiken genüsslich aus, lenkt sie doch von den eigenen, immer intensiveren Spähattacken ab. Mit einer Charmeoffensive will Huawei deshalb Vorbehalte bei den europäischen Regierungen abbauen und die letzte Bastion der Europäer im Internet knacken: das von Ericsson, Nokia Solutions and Networks und Alcatel-Lucent dominierte Geschäft beim Bau von Datenautobahnen.

Der Konzern aus Shenzhen im Süden Chinas sieht sich seit Jahren mit dem Generalverdacht konfrontiert, sein breit gefächertes Sortiment aus Vermittlungsstellen, Mobilfunkstationen, Routern und Modems, die insbesondere bei europäischen Telekomanbietern reißenden Absatz finden, verschaffe den Chinesen Einfallstore für ihre Spionageaktionen. Huawei baut nicht nur die Netze, sondern wartet und betreibt sie mitunter auch – und ist so mit den Innereien der für den Transport von Bits und Bytes zuständigen Internet-Infrastrukturen bestens vertraut.

Behörden in wichtigen Auslandsmärkten verhängten bereits ein Embargo gegen Huawei und den ebenfalls in China ansässigen Konkurrenten ZTE. In den USA stufte ein Regierungsausschuss deren Produkte als Gefahr für die nationale Sicherheit ein. In Australien wurde Huawei untersagt, sich am Bau eines nationalen Breitbandnetzwerkes zu beteiligen. Und Südkorea sorgte auf Drängen der USA dafür, dass die Regierungskommunikation nicht über Netze mit Huawei-Komponenten geroutet wird.

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