Netzneutralität Die Telekom will Streamingdienst Spotify drosseln

Die Deutsche Telekom will ab Mai den Musikstreamingdienst Spotify drosseln, sobald das Inklusiv-Volumen aufgebraucht ist. Sie begründet diesen Schritt mit der EU-Verordnung zur Netzneutralität. Zurecht? Eine Analyse.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Unterwegs Musik streamen: Die Telekom will den Dienst demnächst drosseln, sobald das Inklusiv-Volumen aufgebraucht ist. Quelle: dpa

Düsseldorf Noch immer läuft dem einen oder anderen Telekom-Mitarbeiter ein Schauer über den Rücken, wenn er das Wort „drosseln“ im Zusammenhang mit seinem Arbeitgeber hört. 2013 hatte der Konzern angekündigt, Festnetz-Internetanschlüsse ab einem bestimmten genutzten Datenvolumen drosseln zu wollen. Daraufhin ergossen sich Hohn und Spott über die Bonner. Der Hashtag #Drosselkom machte in den sozialen Medien die Runde. Ein PR-Desaster für die Deutsche Telekom.

Doch nun hat die Telekom beschlossen, das Wort wieder zu verwenden. Derzeit schickt sie Post an all jene, die die Option „Musik Streaming“ gebucht haben. Letztgenannte kostet 10 Euro mehr im Monat, dafür bekommt der Kunde ein Premiumkonto beim Musikstreaming-Dienst Spotify. Daten, die für das Musik hören unterwegs gebraucht werden, werden nicht vom gebuchten Datenvolumen abgezogen. „Zero-Rating“ nennen Experten diese Handhabe.
Netzaktivisten halten sie für falsch, weil sie gegen die Netzneutralität verstößt. Nach letztgenanntem Prinzip geht es im Grunde darum, dass allen das Internet diskriminierungsfrei offen steht, und nicht einige zahlende Anbieter Vorfahrt bekommen.

Ungeachtet dessen schien das Angebot der Telekom für drei Parteien eine einträgliche Win-Win-Win-Situation zu sein: Spotify bekam mehr Kunden und die wiederum das Premiumkonto zum gleichen Preis wie ohne Zero-Rating. Und die Telekom kassierte auf beiden Seiten mit: bei Spotify und bei den Kunden.

Doch die Zeit des unbekümmerten Musikhörens von unterwegs ist nun vorbei. Ab dem 28. April droht die Drosselung. „Nach Verbrauch des Inklusiv-Volumens muss auch der Datenverkehr beim Streamen von Musik gedrosselt werden“, schreibt der Konzern in seinem Blog. Das heißt: Zwar belastet Spotify auch weiterhin nicht das Datenvolumen, wenn das aber durch sonstiges Surfen aufgebraucht ist, ist auch Spotify weg. Zumindest unterwegs. Im Wlan und Offline funktioniert der Musikstreamingdienst weiter. Grund dafür sei die neue EU-Verordnung zur Netzneutralität, die ab dem 30. April in Kraft tritt, argumentiert die Telekom

Nur steht das in der Verordnung so genau gar nicht. Bereits nach Verabschiedung der Verordnung im vergangenen November wurde sie von diversen Stellen als „schwammig“ bezeichnet. Genaue Regeln sind dort noch nicht festgelegt. Es liest sich mehr wie eine Grundidee, wie Netzneutralität in der Europäischen Union aussehen soll.


Alles ist gleich, aber manches ist gleicher

Die genauen Vorgaben werden gerade erst vom Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) erarbeitet. Im Juni soll ein erster Entwurf vorliegen, im August die endgültige Fassung. Dann wird wahrscheinlich auch geklärt, wie mit Zero-Rating-Angeboten verfahren wird.

Die Telekom begründet die Änderung des Streaming-Angebots mit dem Nicht-Diskriminierungsgebot. Laut Artikel 3, Absatz 3 der Verordnung müssen Anbieter den gesamten Internetverkehr gleichbehandeln. Allerdings steht es ihnen offen, mit den Kunden Tarife und Volumina auszuhandeln.

Doch seit der Verabschiedung der EU-Verordnung ist klar, dass auch im Internet die Orwell’sche Beobachtung gilt, dass alles gleich ist, aber manches gleicher. Spezialdienste dürfen bevorzugt behandelt werden. Wie genau diese aussehen sollen, steht jedoch nicht in der Verordnung.

Dieser Umstand hatte Telekom-Chef Timotheus Höttges dazu verleitet, darunter auch Videokonferenz - und Onlinespieldienst zu fassen. Dafür musste er viel Kritik einstecken.

Zu diesem Vorstoß erscheint der Rückzug aus dem Sorgenfrei-Streaming nun wie ein starker Kontrast. Die Telekom scheint sicherstellen zu wollen, der EU-Verordnung zu entsprechen. Dabei hätte sie mit konkreten Umsetzungen durchaus noch Zeit. Zwar muss die Bundesnetzagentur bis Ende dieses Monats bei der EU Vorschriften und Maßnahmen einreichen, wie sie Unternehmen bei Verstößen gegen die Verordnung sanktionieren wird. Diese werden allerdings vom Bundeswirtschaftsministerium festgelegt und sie sind bisher noch nicht bei der Behörde in Bonn angekommen.

Da die Leitlinien auch noch nicht feststehen, ist es unwahrscheinlich, dass der Telekom größerer Schaden droht, wenn sie zumindest bis zur Vorstellung des Entwurfs im Juni gewartet hätte. Und nachträgliche Sanktionierung ist ebenfalls unwahrscheinlich.

Es stellt sich also die Frage, warum die Telekom nun bereits zum dritten Mal voreilig handelt. Das erste Mal, als sie mit Spotify das Zero-Rating-Abkommen beschlossen hat – und das obwohl die Praxis als umstritten gilt. Zum zweiten Mal, als sich Chef Höttges mit dem Blogeintrag voreilig Gedanken über Geschäftsmodelle gemacht hat. Und nun, indem der Konzern die erste Entscheidung teilweise revidiert, ohne zu wissen, ob es sein muss.  

Eine naheliegende Vermutung ist die, dass die Telekom die Kunden in teurere Tarife drängen will. Eine andere ist, die Telekom will damit Unmut bei den Kunden erzeugen und somit Druck in der Phase der Ausarbeitung der Leitlinien erzeugen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%