Netzwerk und Inhalte trennen Warum Facebook aufgespalten werden sollte – so wie die Deutsche Bahn

App-Logos von Facebook, Whatsapp und Instagram auf einem zersplitterten Bildschirm. Im Hintergrund fällt ein Graph runter. Quelle: REUTERS

So wie das Schienennetz vom Bahnbetrieb oder das Stromnetz von der Stromproduktion, sollte auch das Netzwerk Facebook von den Inhalten getrennt werden, fordert Luigi Zingales, Finanzwissenschaftler an der University of Chicago.

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Es hat schon viele Vorschläge gegeben, wie der gigantische Einfluss von Facebook auf Politik und Wirtschaft zu begrenzen wäre. Leicht schräge – wie der, einfach zwei Unternehmen zu bilden, das eine für Nutzer mit den Anfangsbuchstaben A bis M, das zweite für den Rest. Oder eben WhatsApp und Instagram abzutrennen – was Facebook ökonomisch schaden, an der Macht des Netzwerks und seiner politisch oft spaltenden und zerstörerischen Wirkung erst mal aber nichts ändern würde. Luigi Zingales, Professor an der University of Chicago Booth School of Business, hat unlängst einen anderen Vorschlag gemacht: In einem Beitrag für die Meinungsseite „Project Syndicate“ und einem Interview mit dem New Yorker Politikmagazin „City Journal“ schlägt Zingales vor, Facebook so zu regulieren, wie die Stromversorger oder die Eisenbahnen, bei denen das Strom- und das Schienennetz getrennt sind von der Stromproduktion und dem Zugbetrieb.

Social-Media-Plattformen, allen voran Facebook, profitieren davon, wenn sie polarisieren und gesellschaftlich eigentlich unerwünschte Tendenzen befördern. Je mehr ein Nutzer sich aufregt, desto länger bleibt er auf der Plattform , desto mehr Daten kann Facebook abgreifen und desto mehr Einnahmen mit Werbung generieren. Ein Interesse, das zu ändern, besteht nicht. So wie Whistleblowerin Frances Haugen skizziert hat: Ein Verändern des Algorithmus, das Zurückdrehen von Narzissmus, Panikmache und Provokation, würde Facebook uninteressanter machen.

Facebook, argumentiert Zingales, hat zwei Funktionen: Es betreibt ein Netzwerk, das Milliarden Menschen miteinander verbindet. Und es entscheidet darüber, welche Inhalte diese Menschen sehen, weil es sie ihnen einspielt, ganz oben im Feed, ganz unten oder womöglich auch gar nicht. Menschen Inhalte vorsetzen und diese gewichten: Das tun andere Medien zwar auch, aber diese stehen im Wettbewerb. Facebook dagegen ist wegen des sich selbst verstärkenden Netzwerkeffekts faktisch ein Monopolist. 

Es ist der Traum vieler Facebook-Kritiker: Das soziale Netzwerk verschwindet aus dem Internet. Am Montag wurde er wahr. Es ist nicht das einzige Problem des Giganten.
von Matthias Hohensee

Zingales greift deshalb einen Vorschlag des Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama auf: „Wir sollten die beiden Schlüsselfunktionen von Facebook trennen: die Weitergabe von Informationen und die Bearbeitung von Informationen“, sagt er im Interview mit dem „City Journal“. Facebook ermögliche es dem Nutzer, etwa, ein Foto mit allen Followern zu teilen. Das ist die Netzwerkfunktion. Daneben gibt es eine redaktionelle Funktion: „Facebook entscheidet auch, ob alle meine Follower das Bild ganz oben in ihrem Feed, ganz unten oder gar nicht sehen, wenn ihr Feed mit anderen Beiträgen überfüllt ist. Facebook kann auch entscheiden, ob mein Bild vielen Leuten, die ich nicht kenne, angezeigt wird“, so Zingales.

Das schlichte Teilen profitiert von einem externen Effekt, der Netzwerkexternalität: Je größer das Netzwerk, umso mehr Follower zieht es an. Es entsteht das, was Ökonomen ein natürliches Monopol nennen: Letztlich ergibt es für die Nutzer keinen Sinn, auf Facebook und einer vergleichbaren Konkurrenzplattform unterwegs zu sein, genauso wie es keinen Sinn ergibt, zwischen Hamburg und München mehrere miteinander konkurrierende Schienenstränge zu verlegen oder eine Siedlung an mehrere Stromnetze anzuschließen. Es ist aber durchaus erwünscht und gut für den Kunden, wenn im Bahnverkehr die Deutsche Bahn mit Transdev oder Flixtrain konkurriert oder sich Vattenfall, RWE und viele andere darum bewerben, Strom in die Haushalte zu liefern. Zingales sagt, in der redaktionellen Rolle, in der es keine Netzwerkexternalität gebe, könne dann Wettbewerb herrschen: Der Kunde entscheidet, von wem er Beiträge geschickt bekommt und wer sie kuratiert. Derjenige würde dann auch haften für Fake-News und Hassbeiträge. Wichtig sei nur, dass nicht ein Unternehmen beides mache, Netzwerk und Inhalte kuratieren, damit nicht ein Bereich den anderen subventionieren kann. (Bei der Deutschen Bahn wurde diese Aufspaltung nicht konsequent zu Ende geführt, diese betreibt ja –  in einer separaten Gesellschaft – auch das Schienennetz. Bahn-Wettbewerber klagen denn auch häufig, sie würden auf der Schiene benachteiligt).

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Das Netzwerk, bei Facebook ist das vor allem die Infrastruktur für das Teilen von Beiträgen, müsste einen staatlich regulierten Preis für die Nutzung der Infrastruktur verlangen, analog dem Netzentgelt für Strom und Gas. Verantwortung für Inhalte könnte Facebook als Netzbetreiber dann endlich mit allem Recht der Welt von sich weisen. „Social“ wäre von „Media“ getrennt, die Macht des Algorithmus gebrochen. Dass Mark Zuckerberg sich natürlich nicht widerstandslos in die Rolle eines Versorgers fügen würde, steht auf einem anderen Blatt.

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