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Neuromarketing "In fünf Jahren wird die TV-Werbung mit Facebook verknüpft sein"

Beim Neuromarketing werden die Erkenntnisse der Hirnforschung für die Vermarktung von Produkten eingesetzt. Experte Ralf Pispers erklärt, warum Neuromarketing besonders gut in Verbindung mit sozialen Netzwerken funktioniert.

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Ralf Pispers, 43, ist Geschäftsführer der .dotkomm rich media soultions GmbH aus Köln und befasst sich in der aktuellen Auflage seines Buchs

Herr Pispers, warum sollten sich Online-Shop-Betreiber überhaupt mit Neuromarketing beschäftigen?

Ralf Pispers: Zum einen können sich Unternehmen mit Standard-Konzepten heute kaum mehr von Wettbewerbern unterscheiden. Dank Neuromarketing sind wieder Alleinstellungsmerkmale möglich. Außerdem erschließen sich dadurch neue Umsatzfelder: Für manche Produkte gehen die Leute lieber in den Laden, um sich persönlich beraten zu lassen. Mit den Erkenntnissen aus der Hirnforschung ist es möglich, diese menschliche Komponente im Internet abzubilden und die Produkte also auch online zu verkaufen. Insgesamt steigt schließlich die Verkaufsrate pro Shop-Besucher.

Damit das Konzept aufgeht, müssen Unternehmen die Motive und Bedürfnisse des einzelnen Kunden kennen. Wie soll das gehen?

Das findet man besonders über soziale Netzwerke heraus. Hier leben Menschen ihre Motivlage hemmungslos aus. Angetrieben sind sie dabei von dem Grundbedürfnis nach sozialer Interaktion. So löst jeder Kommentar und jeder „Gefällt-mir“-Klick unter dem eigenen Bild ein Gefühl der Belohnung und Bestätigung aus. Man wird von seiner Umwelt wahrgenommen.

Aber am Ende will ein Unternehmen seine Produkte verkaufen. Glauben sie an soziale Netzwerke auch als Verkaufsplattform?

Weil ich davon überzeugt bin, dass die Netzwerke die innerste Motivwelt der Menschen spiegeln, lässt sich die Marketingwelt leicht daran anpassen. Dem Kunden können letztendlich auch im Netzwerk genau die Produkte präsentiert werden, die zu ihm passen. Ist jemand zum Beispiel der familiäre Typ mit traditionellen Werten und starkem Fürsorge-Trieb ist er wahrscheinlich besonders empfänglich für die Premiumangebote eines Versicherers.

So sollen Webshops zum Kauf animieren
Der Shop für Aktenvernichter Experteaz.de setzt auf einen Verkäufer, um Besucher emotional anzusprechen. Die Strategie geht offensichtlich auf: Über die Seite werden deutlich mehr Geräte pro Besucher verkauft als über ähnliche, konventionelle Seiten des Betreibers. Quelle: Screenshot
Dass der „Faktor Mensch“ überzeugt, belegt auch eine nicht-repräsentative Studie in Kooperation mit ERGO Direkt. Im Vergleich standen eine statische Darstellung der Homepage und eine Format mit Moderator. Die Studienteilnehmer äußerten sich meist positiver zu der Video-Lösung als zur konventionellen Seite. Quelle: Presse
Die Besucher der statischen Seite sind mit 41 Prozent weniger bereit, ein Angebot des Versicherers einzuholen als die Nutzer der Video-Lösung mit 56 Prozent. Quelle: Presse
Geht es um einen tatsächlichen Vertragsabschluss, überzeugt der Moderator prozentual wieder mehr Leute als die einfache Seite. Quelle: Presse
Neuromarketing basiert nicht auf bewussten Entscheidungen: Wie diese Abbildung zeigt, gefällt einer Mehrheit die statische Seite rational besser. Trotzdem führt die Video-Lösung – wie in der vorherigen Grafik zu sehen – zu einem höheren Umsatz. Quelle: Presse
Die Studienteilnehmer wurden auch gefragt, welche Gefühle die jeweilige Darstellung bei ihnen auslöst. Auch hier sticht der positive Effekt des „Faktor Mensch“ zum Teil sehr deutlich hervor. Allerdings erzeuge der Online-Moderator bei einigen auch Stress und Langeweile. Quelle: Presse
Ein Unternehmen will mit einer Marke bestimmte Aussagen verknüpfen, die positiv beim Kunden ankommen. Der interaktive Dialog kann diese Botschaften besser verstärken als eine statische Seite. Quelle: Presse

Welche Bedeutung geben Sie dabei Facebook als derzeit größtes soziales Netzwerk?

Facebook bietet schon heute Unternehmen die Möglichkeit, auf alle Daten eines Nutzers zuzugreifen und diese für eigene Werbezwecke zu nutzen. Diese Schnittstelle wird Open Graph genannt. Große Marken bieten ihren Kunden außerdem vielfach an, sich über ihren Facebook-Account auf der Firmen-Homepage anzumelden. Auch so können sie die Profildaten der Nutzer für ihr Marketing direkt einsetzen.

Wie kann so ein auf das Facebook-Profil abgestimmtes Marketingkonzept aussehen?

Bei einem großen amerikanischen Getränkehersteller war die Idee, für Kunden individuelle Werbevideos zu erstellen und ihnen zu präsentieren. Das Ganze funktionierte nach dem Baukastenprinzip. Es gab verschieden Musikstile, Bilderwelten und Videosequenzen zur Auswahl, die je nach Kundenprofil zu einem Video zusammengesetzt wurden. So entstanden am Ende mehrere zehntausend verschiedene Clips.

Wie wird sich diese Art des Marketings in Zukunft entwickeln?

Ich gehe davon aus, dass das maschinelle Auslesen von Motivprofilen über die sozialen Netzwerke massiv zunehmen wird. Die Netzwerke stehen ja selbst damit noch am Anfang. Die Werbewelt wird sich dadurch in den kommenden fünf Jahren sehr verändern, so dass auch die TV-Werbung etwa mit Facebook verknüpft sein wird.

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