„New York Times“ China weist Journalisten aus

Die „New York Times“ hat Chinas Führung mit Enthüllungen über das riesige Vermögen der Familie des Ministerpräsidenten verärgert. Jetzt muss einer der Korrespondenten das Land verlassen.

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Das Gebäude der New York Times. Quelle: Reuters

Peking China hat erneut einen ausländischen Journalisten ausgewiesen. Der Pekinger Korrespondent der „New York Times“, Chris Buckley, musste am Montag ausreisen, nachdem sein Visum nicht verlängert worden war. „Er hat China heute mit seiner Familie verlassen“, bestätigte ein Kollege der Nachrichtenagentur dpa.

Die Visum-Probleme des 45-Jährigen erfolgten vor dem Hintergrund der chinesischen Verärgerung über die Enthüllungen der amerikanischen Zeitung über die großen Reichtümer der Familie von Ministerpräsident Wen Jiabao. Als Reaktion hatten die Behörden schon die Webseite der „New York Times“ in China blockiert.

Erst im Mai hatte die amerikanische Journalistin Melissa Chan, die für das englische Programm des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira gearbeitet hatte, das Land verlassen müssen. Es war die erste Ausweisung seit 14 Jahren und wurde als weitere Maßnahme verstanden, den Druck auf ausländische Korrespondenten zu erhöhen. So wird ihnen immer wieder damit gedroht, ihre Visa nicht zu verlängern.

Nach dpa-Informationen haben die Behörden die Verweigerung der weiteren Akkreditierung nicht mit den Berichten über Wen Jiabaos Familie begründet. Allerdings wartet auch der künftige Pekinger Bürochef der „New York Times“, Philip Pan, schon seit Monaten auf sein Visum. Er hatte seine Akkreditierung bereits im März beantragt.

Der Australier Buckley arbeitete seit 2000 als Journalist in China. Zuletzt war der erfahrene China-Kenner für die Nachrichtenagentur Reuters tätig, bevor er im September wieder zurück zur „New York Times“ wechselte, wo er schon früher gearbeitet hatte. Er verließ China mit seiner Frau und Tochter in einem Flugzeug in Richtung Hongkong.

Die Berichte der „New York Times“ über das Vermögen der Verwandten des Premiers sowie ähnliche Enthüllungsgeschichten der Nachrichtenagentur Bloomberg über die Familie des neuen Parteichefs Xi Jinping hatten in China für großen Wirbel gesorgt. Auch die Webseite der US-Agentur wurde gesperrt.

„Ich bedaure, dass Chris Buckley trotz unserer wiederholten Bitten, sein Journalistenvisum zu verlängern, gezwungen wurde, sich außerhalb Chinas niederzulassen“, sagte Jill Abramson, Chefredakteur der „New York Times“, in einer Erklärung. Er forderte das Pekinger Außenministerium auf, Buckley so schnell wie möglich ein Visum auszustellen und ihm zu erlauben, nach Peking zurückzukehren.

Sein Journalistenvisum, das noch auf die Agentur Reuters lautete, war am Jahresende wie üblich ausgelaufen. Buckley sollte jetzt nur eine bestehende Akkreditierung eines anderen, ohnehin in ein anderes Land wechselnden „New York Times“-Kollegen übernehmen, was in der Regel kein Problem ist, wie geschildert wurde. „Eine Akkreditierung nicht zu verlängern, läuft praktisch auf eine Ausweisung hinaus“, kommentierte ein europäischer Diplomat.

Die Probleme für Buckley überraschten, weil das Visum für den Autor der heiklen Enthüllungsgeschichten, David Barboza in Shanghai, „reibungslos“ verlängert worden war, wie es hieß. Die „New York Times“ hat fünf weitere Journalisten in China, deren Visa ebenfalls normal verlängert worden waren. Eine gezieltes Vorgehen gegen Buckley selbst hielten informierte Kreise für unwahrscheinlich, sondern sahen die Zeitung als Ziel. „Es geht nicht persönlich gegen Buckley.“

Erst am Montag deckte die „New York Times“ in einem neuen Bericht auf, wie die Familie des früheren Zentralbankchefs Dai Xianglong satte Profite durch den Kauf von Versicherungsaktien erzielt hat. Der frühere oberste Banker hatte 2002 auch die Aufsicht über die Versicherungsindustrie. Heute verwaltet Dai Xianglong den rund 150 Milliarden US-Dollar großen staatlichen Sozialversicherungsfonds, einen der größten Investmentfonds der Welt.

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