
Im ersten Moment war ich verwirrt, als mich Nokia zuletzt in seine jüngste Niederlassung in San Francisco einlud. Nokia, die einst weltberühmte, aber nun scheintot anmutende Mobiltelefonmarke?
Doch es handelte sich nicht um das Handy-Nokia, das sich Microsoft vor zweieinhalb Jahren für 7,2 Milliarden Dollar einverleibt hatte. Der damalige Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte nur die Mobiltelefonsparte des einstigen finnischen Vorzeigekonzerns sowie eine Lizenz für dessen Patente und Namensrechte gekauft. Sein Nachfolger Satya Nadella hat das Geschäft mit Smartphones inzwischen eingestampft, was den Softwarekonzern rund acht Milliarden Dollar und eine Menge Sympathien in Finnland gekostet hat.
Das Ur-Nokia existiert davon unbeeindruckt weiter. Dessen Chef Rajeev Suri, wie Nadella in Indien geboren, leitet einen Spezialisten für Telekommunikationsinfrastruktur. Da der Konzern hauptsächlich mit Geschäftskunden zu tun hat, stört es nicht sonderlich, wenn die Marke etwas angekratzt ist.





CEO Suri will es dabei nicht belassen. Vom Silicon Valley aus soll Nokia Technologies, der Innovationsarm des Konzerns, nun auch wieder bei Verbrauchern punkten. Ramzi Haidamus leitet den Bereich, ein Ex-Dolby-Manager. Dafür haben die Finnen für 170 Millionen Euro das 2008 gegründete, französische Start-up Withings gekauft, einen Pionier bei vernetzten Geräten zur Selbstvermessung.
Nächstes Ziel: Digitale Medizin
Ein Schnäppchen, schließlich hatte der Suchmaschinenriese Google für Nest Labs, das Thermostate mit dem Internet verknüpft, stolze 3,2 Milliarden Dollar berappt. Während der Chef von Nest, Tony Fadell, gerade geschasst wurde – unter anderem wegen Kritik an den Produkten –, stellt Withings robuste Geräte her. Seine mit dem Internet vernetzte Waage, die ich vor fünf Jahren gekauft habe, ist mein einziges drahtloses Produkt, das bis heute problemlos funktioniert.
Withings-Gründer Cedric Hutchings will nun mithilfe der Finnen stärker in die digitale Medizin vorstoßen. Nokia wiederum will sich so im Endkundengeschäft etablieren. In dieselbe Richtung zielt das Engagement im Bereich virtuelle Realität. Für diese heiß diskutierte Technologie hat Nokia die Spezialkamera Ozo entwickelt, die 360-Grad-Aufnahmen macht. Das 60.000 Dollar teure Gerät richtet sich zwar an Profis, soll aber die Eintrittskarte für einen Zukunftsmarkt sein. Selbst die Handymarke wird wiederbelebt. Nokia hat dazu eine Lizenz an die Firma HMD Global vergeben, die ehemalige Manager des Konzerns leiten.
Kann Nokia wie Phoenix aus der Asche auferstehen? Die Erfahrungen von Herstellern für Telekominfrastruktur mit Produkten für den Massenmarkt sind jedenfalls nicht die besten. Cisco musste seinen für 590 Millionen Dollar zugekauften Flip-Camcorder, eine kompakte Videokamera, nach nur zwei Jahren beerdigen.
Was soll’s: Im Silicon Valley dreht sich ja fast alles ums Risiko. Und für Nokia stehen wesentlich kleinere Summen auf dem Spiel – noch.