Zwei Dutzend Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren sind nicht zu halten. Binnen weniger Minuten verwandeln die Kids die monumentale Empfangshalle des Ebay-Hauptquartiers im kalifornischen San Jose in einen Pausenhof.
Heute ist Vorführtag bei der Internet-Handelsplattform. Die Beschäftigten dürfen ihre Zöglinge mitbringen, um ihren Arbeitsplatz zu zeigen. Ein kleiner Junge klammert sich an seine Mutter, seine Schwester turnt gelangweilt an der Eingangssperre herum. Die Empfangsdame reagiert genervt.
Die Kleinen können nicht ahnen, welch toller Spielplatz hinter der Tür liegt, die leider nicht sie, sondern ausschließlich Eingeweihte mit einer besonderen Codekarten passieren dürfen. Es ist ein riesiges Sammelsurium, ein Mega-Kaufmannsladen, der zeigt, wie alle, ob groß oder klein, später einmal einkaufen sollen.
Geheimer Distrikt
Der geheime Distrikt ist eine fensterlose Halle, die eine Art Mini-Einkaufsmeile beherbergt. Hier ein Heimwerkermarkt mit Grillstation, Werkzeugen und Rasenmäher. Dort ein Café wie Starbucks mit Styropor-Keksen auf dem Empfangstresen, die so echt wirken, dass ein Besucher unlängst fast reingebissen hätte. Daneben ein kleiner Supermarkt, dem sich ein Bekleidungsgeschäft anschließt. Und an der Stirnseite Wohnzimmer mit Couch und Fernseher – von hier aus soll der Konsument kaufen, was und wie er will: sofort on- oder später offline, beim Händler um die Ecke oder im Versandhaus außer Landes, gegen Sofortbezahlung oder auf Raten. Hauptsache der Kauf läuft über Ebay.
Ebay in Zahlen
Bei Ebay wachsen die Einnahmen im traditionellen Geschäft nicht mehr so stark wie früher. Dagegen entwickelt sich der Zahlungsdienstleister Paypal prächtig. Das Tochterunternehmen steuert bereits fast 40 Prozent zum Umsatz bei, schon 2014 könnte es den traditionellen Marktplatz als wichtigste Erlösquelle ablösen.
Allerdings scheint das Paypal-Geschäft nicht ganz so profitabel zu sein. Der Anteil am Konzerngewinn liegt unter 25 Prozent, den Löwenanteil bringt weiterhin das Handelsgeschäft.
Die Ertragskraft von Ebay zeigt sich besonders im Vergleich mit dem Rivalen Amazon. Der machte zuletzt mit 60 Milliarden Dollar zwar gut fünfmal so viel Umsatz. Dafür erwirtschaftete Ebay fünfmal so viel Gewinn.
Der futuristische Store in der Konzernzentrale ist die Blaupause, nach der Vorstandschef John Donahoe Ebay radikal umbauen will – von der ehemaligen globalen Online-Flohmarktplattform zu einer weltweit agierenden Bank mit angeschlossenem Online-Handel und Technologieberatung. Geht es nach dem 1,98 Meter großen Hünen, soll Ebay bald an möglichst vielen Käufen überall auf dem Globus viel kräftiger mitverdienen als bisher.
Ob die Präsentation der Ware auf der Handelsplattform Ebay; die Beratung von Händlern, die einen Online-Shop einrichten oder betreiben lassen wollen; die Vermarktung von Waren über die Ebay-Preissuchmaschine Milo. Von all diesen Angeboten erhofft sich Ebay-Chef Donahoe künftig neue Einnahmen, die weit über die bisherigen Provisionen hinausgehen.
Die große Revolution aber soll der Ebay-Bezahldienst Paypal bringen. Zusammen mit dem Online-Dienst Bill Me Later, der Ratenzahlung ermöglicht, will Ebay-Chef Donahoe sein Unternehmen zu einem wahren Geld-Perpetuum-mobile umfunktionieren. Von der Präsentation eines Artikels über den Kauf bis zum Wiederverkauf als Gebrauchtware, jedes Mal soll Ebay direkt über Provisionen oder künftig indirekt über Paypal abkassieren.
„In Zukunft wird zwischen Offline- und Online-Handel kein Unterschied mehr gemacht“, schwärmt Donahoe. Damit will er den derzeit 500 Milliarden Dollar schweren Online-Handel weltweit in eine ganz neue Dimensionen katapultieren. „Es ist unsere Zehn-Billionen-Dollar-Chance“, schwärmt er und greift damit nach dem gesamten Einzelhandelsvolumen weltweit.