Online-Videodienst Die Welt schaut Netflix

Der Streaming-Dienst erfreut die Anleger mit starkem Wachstum. Quelle: REUTERS

Der Streaming-Dienst wächst ungebremst weiter und lässt Amazon, Apple, Hulu oder Youtube hinter sich. Als Erfolg erweisen sich vor allem Eigenproduktionen. Doch ist der Durchmarsch auf Dauer finanzierbar?

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Mit massiven Kursgewinnen feiert die Wall Street nachbörslich ein Rekordquartal des Streaming-Anbieters Netflix. Die Kundenzahlen in den USA und weltweit stiegen weit stärker als erwartet. Der globale Kundenzuwachs von 8,3 Millionen machte das Weihnachtsquartal „zu unserem größten jemals“, verkündete CEO Reed Hastings im Aktionärsbrief.

Trotz einer leichten Preiserhöhung lag der Kundenzustrom in den USA netto bei Plus 1,98 Millionen, Analysten hatten mit 1,29 Millionen gerechnet. Der Quartalsumsatz von 3,28 Milliarden Dollar und der bereinigte Ertrag pro Aktie von 0,41 Dollar lagen im Rahmen der Erwartungen. Nachbörslich lag der Aktienkurs bis zu 8,8 Prozent höher bei 245 Dollar und damit auf neuem Rekordhoch. Die Börsenbewertung überschritt nachbörslich erstmals 100 Milliarden Dollar.

Zu der Rally trug eine Schätzung für den Abonnentenzuwachs im laufenden ersten Quartal bei, die über den Erwartungen der Analysten lag. Weitere 1,45 Millionen Nutzer werden in den USA erwartet und zusätzliche 4,9 Millionen außerhalb der USA.

Die Anleger scheinen jegliche Vorsicht vor einer Aktie verloren zu haben, die früher berühmt und berüchtigt war für gewaltige Kursausschläge in beide Richtungen. Doch die Gefahren schlummern nicht nur in der hohen Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 227, sondern auch in der Versorgung mit dem nötigen Kapital, um die Kessel unter Dampf zu halten.

Im abgelaufenen Jahr erreichte der freie Cash Flow einen Negativwert von zwei Milliarden Dollar, die Netflix mehr ausgegeben als eingenommen hat. Für 2018 wird das Minus auf drei bis vier Milliarden Dollar prognostiziert. Das liegt an den massiven Projekten wie Serien und Filme, in die laut Netflix im Schnitt ein bis drei Jahre vor Ausstrahlung investiert werden muss. Steigende Betriebsgewinne und graduell abnehmende Investitionen werden aber letztlich zu einem positiven Cash Flow führen, hieß es im Analystengespräch. Ein Zeitpunkt wurde aber nicht genannt. Im Quartal erreichte das Nettoergebnis 185 Millionen Dollar nach 66 Millionen im Vorjahr.

Doch es gibt keine Alternative. Verliert das Unternehmen aus dem Silicon Valley seine Marktführerschaft bei den jetzt rund 111 Millionen Zuschauern weltweit, bekommt die Konkurrenz Zeit aufzuholen. Insgesamt gibt es Verpflichtungen von über 17 Milliarden Dollar für Lizenzen, Programminvestitionen und Produktionen in den kommenden Jahren.

Trend zum „Cord Cutting“

Damit stellt Netflix sicher, dass nur die ganz großen Gegner noch gefährlich werden können. Und das auch nur, wenn die selbst riesige Mengen an Geld in die Hand nehmen, so wie Amazon und zunehmend Apple. Der Marketingetat bei Netflix soll im laufenden Jahr von 1,3 auf zwei Milliarden Dollar wachsen, um das Kundenwachstum zu untermauern.

Zu den Zahlen von Netflix passen Schätzungen von Evercore-Analyst Vijay Jayant. US-Kabel-, Satelliten und Internet-Zugangsprovider wie Comcast haben im vierten Quartal 2017 zusammen über 845.000 Pay-TV-Kunden verloren, schrieb er am Montag in einer Notiz an Kunden. Viele, davon kann man ausgehen, sind jetzt zusätzliche Netflix-Abonnenten.

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Es ist das veraltete Geschäft mit TV-Kanälen im Bündel, das immer mehr Amerikanern aufstößt. Die Pay-TV-Betreiber wollen ihre Kunden dazu zwingen, so viele Pakete wie möglich zu abonnieren, nur um in jedem Paket einen ihrer Lieblingssender zu finden. Alle großen Anbieter haben zudem im Januar ihre Preise wieder teils deutlich angehoben, was den Trend zum „Cord Cutting“, zum Kündigen der Pay-TV-Kanäle verschärfen dürfte.
Eine Preisanhebung hat auch Amazon seinen Prime-Mitgliedern verordnet. Der 18-Prozent-Zuschlag soll 300 Millionen Dollar im Jahr in Amazons leere Kassen spülen. Wie Netflix stöhnt der in Prime integrierte Streaming-Dienst unter Milliardeninvestitionen in Filme und Serien.

Ein anderer Aspekt ist allerdings noch unklar in seiner Auswirkung auf Netflix: Donald Trump hat noch im Dezember 2017 die sogenannte „Netzneutralität“ aufgehoben. Demnach wird es den Internet-Providern möglich sein, Zugang zu bestimmten Inhalten zu verteuern oder sogar zu verhindern.

Technisch problemlos möglich wäre es, Standard-Internetkunden vom Zugang zu Netflix abzuschneiden und nur gegen Abonnement eines extra „Streaming-Kanals“ wieder freizuschalten. Zahlreiche US-Bundesstaaten wollen gegen die Aufhebung der Netzneutralität klagen. Der Erfolg ist aber ungewiss.

Einen seltenen Rückschlag für Netflix gab es auch noch im Quartal. Finanzvorstand David Wells räumte Abschreibungen von 39 Millionen Dollar auf Projekte ein, die nicht mehr weitergeführt würden. Details ließ er sich nicht entlocken, aber in den fraglichen Zeitraum fällt der Skandal um Kevin Spacey, der nach Vorwürfen sexuellen Missverhaltens von allen Projekten, unter anderem einer neuen Staffel von „House of Cards“ entbunden wurde.

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