
Mangelndes Selbstbewusstsein hat man Larry Ellison bisher noch nie nachsagen können. Umso erstaunter dürften sich die rund 2000 Zuhörer am Sonntagabend im Moscone Center die Augen gerieben haben angesichts der ungewohnten Selbstkritik des Oracle-Gründers.
„Wir haben recht lange gebraucht um zu merken, dass wir jede Menge proprietäre Technologie im Portfolio haben“, räumte Ellison in der Eröffnungsrede der Oracle-Kundenmesse Open World ungewohnt freimütig ein. Doch genau diese herstellereigenen Technologien sind es, die im jetzt aufziehenden Zeitalter von Cloud Computing nicht mehr funktionieren.
Das hat inzwischen auch dem heute als Oracle-Cheftechnologie und Chairman arbeitenden Ellison gedämmert: „Es gibt kein Einmauern mehr in Oracle-Produkte – Sie können Daten und Anwendungen auch in die Amazon-Cloud oder die Microsoft-Cloud verschieben“, beteuerte der inzwischen 71-jährige Exzentriker.
Die wunderbare Wandlung von Larry Ellison hat sich damit indirekt sogar auf zwei Ebenen vollzogen: Nicht nur, dass Oracle künftig auf jenes sogenannte Lock-in von Kunden in die eigenen Technologien und Produkte verzichten will. Zudem bedeuten die Ausführungen des IT-Urgesteins letztlich auch einen wichtigen Strategieschwenk.
Denn länger als andere Anbieter hat Oracle beim Trend der gesamten Softwarebranche in Richtung Cloud Computing – Neudeutsch für Software-Systeme per Mietmodell über das Internet – relativ untätig an der Seitenlinie gestanden.
Das volle Potential der Cloud
Für die Untersuchung “Tapping cloud's full potential" hat die Unternehmensberatung Bain & Company weltweit mehr als 400 Unternehmen befragt. Die Befragung ergab, dass bislang lediglich 18 Prozent des IT-Betriebs von Unternehmen in der Cloud stattfinden. Fehlende Anpassung interner Prozesse verhindert laut der Analyse die Nutzung des vollen Potenzials der Cloud. Die Folge laut Bain: „Unternehmen realisieren nur ein gutes Drittel der finanziellen Vorteile von Cloud-Lösungen“. Zudem gerieten die Unternehmen in Sachen Innovationskraft und Entwicklungsgeschwindigkeit ins Hintertreffen. Das gefährde auf lange Sicht die Wettbewerbsfähigkeit.
Derweil sind insbesondere in den USA viele Unternehmenskunden in die Cloud marschiert – und mit ihnen manche Vorreiter bei den IT-Anbietern: Wie die Quartalsberichte mehrerer Schwergewichten in der vergangenen Woche gezeigt haben, konnten insbesondere SAP, Amazon und Microsoft zuletzt deutlich vom Strategieschwenk hin zur Cloud profitieren.
Der Ellison-Erzrivale aus Walldorf beispielsweise verdoppelte den Anteil des Cloud-Geschäfts am Gesamtumsatz binnen Jahresfrist auf nunmehr zwölf Prozent. Bei Oracle lag jene Quote im jüngsten, Ende August abgelaufenen Geschäftsquartal dagegen gerade mal bei sieben Prozent.