Lisa Su führt seit Oktober 2014 den Chiphersteller AMD. Der war nach seiner Blütezeit kurz nach der Jahrhundertwende, als man mehrfach gegen Intel das Rennen um die schnellsten Prozessoren gewann, wegen überteuerten Aufkäufen und Lieferverzögerungen in die Krise geraten.
Um nicht pleite zu gehen, spaltete der Konzern seine Fertigungssparte und damit auch seine Werke in Dresden zunächst in ein eigenständiges Unternehmen namens Global Foundries ab und verkaufte später seine Anteile völlig. Gerangel um die richtige Strategie bei Smartphones und Tablets, Probleme beim Fertigen von Chips, verspätete Produkte, eine unpopuläre Prozessorgeneration namens Bulldozer sowie der weltweite Einbruch im PC-Geschäft brachten AMD weiter ins Schlingern.
Die promovierte Elektroingenieurin mit Doktortitel von der Elite-Schmiede MIT greift nun nach jahrelanger Vorbereitungszeit den Erzrivalen Intel mit einer neuen Prozessorreihe an und hofft auf den Turnaround.
WirtschaftsWoche: Mrs. Su, Sie offerieren das Flaggschiff ihrer neuesten Prozessorreihe namens Ryzen mit 500 Dollar etwa zum halben Preis eines vergleichbaren Produkts ihres Erzrivalen Intel. Wollen Sie einen Preiskrieg anzetteln?
Lisa Su: Nein. Ich will nicht, dass die Kunden nur deshalb kaufen, weil der Prozessor günstiger ist. Sondern weil er Leistung bietet, die vorher doppelt so teuer war. Bei einem Preis um die 500 Dollar spreche ich wesentlich mehr Kunden als in der Preisspanne über 1000 Dollar an. Ich will keinen Preiskrieg. Ich möchte Leute ermutigen, ihren Computer zu erneuern.
Sie wären ja auch bei 750 Dollar noch günstiger gewesen.
Es gab eine Menge interne Diskussionen über den Preis. Aber wir wollen das Zeichen setzen, dass leistungsstarke Computer erschwinglicher sind als von vielen gedacht. Mit 500 Dollar kann man noch mehr Kunden davon überzeugen.
Kreative Computer
IBMs Superrechner Watson erfindet Kochrezepte: Der Nutzer gibt Zutaten und Stile wie asiatisch oder vegan an – die Maschine erfindet ein Gericht.
Die Webplattform verkauft automatisch komponierte Songs. Der Kunde definiert Genre, Tempo und Grundstimmung.
Das kalifornische Projekt will Nutzern ermöglichen, ein eigenes Auto zu designen, das dann Software selbstständig optimiert und produziert.
Der Anbieter nutzt Strategien der Evolution, um aus Vorgaben der Kunden Skulpturen zu entwerfen, die dann ein 3-D Drucker fertigt.
Ihr Unternehmen ist nach der Blüte vor zehn Jahren durch harte Zeiten gegangen, musste sich von vieler seiner Aktivitäten trennen. Was gibt Ihnen die Überzeugung, dass ein Turnaround möglich ist?
Ich habe mich 2011 zum Wechsel zu AMD entschieden, weil es ein großartiges Fundament an Wissen und Technologien hat, vor allem bei leistungsstarken Prozessoren. Und talentierte Ingenieure, die große Probleme lösen können. Es gab Schwächen bei der Umsetzung. Aber ich war überzeugt, dass wir diese mit dem richtigen Management beheben können.
War AMD also nur schlecht geführt?
Das Entwickeln von Prozessoren ist hart. Man muss Millionen von Dingen richtig machen und es muss nur eine Sache schief gehen, um Probleme zu bekommen. Wir haben in der Vergangenheit zuviel getan. Wir haben versucht, bei Mobiltelefonen oder im Systemgeschäft mitzumischen. Aber wir sind nicht groß genug, so viele Aktivitäten gleichzeitig zu betreiben. Deshalb haben wir uns entschieden, nur die Dinge zu tun, die wir sehr gut können wie Prozessoren für Computer und Server. Das erlaubt mehr Fokus aufs Umsetzen.
Haben Sie keine Angst, dass der Fokus wieder verloren geht?
Oh, wir sind extrem wachsam. Wir sind paranoid. Beim Marktstart unserer Prozessoren beschäftige ich mich mit jedem Detail. Wir haben ein komplexes Produkt. Dort darf nichts schiefgehen.
Wachstum?
Ist die PC-Branche, die seit Jahren schrumpft, überhaupt noch interessant?
Sie ist herausfordernd, keine Frage. 2012 beispielsweise gab es große Diskussionen, ob Tablets traditionelle Personalcomputer mittelfristig überflüssig machen würden. Heute nutzt die übergroße Mehrheit immer noch traditionelle Computer, besonders wenn starke Rechenleistung gefragt ist. Wir müssen als PC-Branche mehr darauf fokussieren, was uns relevant macht. Also wie wir mehr und gleichzeitig bezahlbare Leistung bereitstellen, für anspruchsvollere Spiele, zum schnelleren Bearbeiten von Videos oder Erzeugen von Inhalten.
Erwarten Sie, dass die PC-Branche endlich wieder wächst?
Nicht unbedingt Wachstum im Gesamtmarkt, aber weit weniger Rückgang als in den Jahren zuvor. Es ist noch immer ein bedeutender Markt mit einem erwarteten Absatz von rund 270 Millionen Personalcomputern weltweit, das High End Segment legt weiterhin zu.
Taugt die Virtuelle Realität als Wachstumsmotor?
Sie bietet neue, spannende Erlebniswelten und erfordert natürlich eine Menge Rechenleistung. Aber die Technologie ist noch nicht ausgereift, wir brauchen noch viel Innovation. Auch was die Kosten angeht, um es für möglichst viele Interessenten erschwinglich zu machen. In diesem Jahr werden ein paar Millionen Headsets für Virtuelle Realität verkauft, in ein paar Jahren erwarte ich zweistellige Millionen bei den Stückzahlen.
Sie haben sich aus dem Geschäft mit Prozessoren für Smartphones völlig zurückgezogen. Bleibt es dabei?
Ja. Die Märkte in denen wir sind, wie Prozessoren für Personalcomputer, Notebooks und Datenzentren sind groß genug. Ungefähr 50 Milliarden Dollar, wir hatten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,2 Milliarden Dollar. Also genügend Raum zum Wachsen. Auch in benachbarte Märkte, wie beispielsweise maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz.
Gehört die Autobranche auch dazu?
Ja, wir sprechen mit etlichen Kunden, die unsere Grafikprozessoren mögen. Es gibt interessante Anwendungen bei Künstlicher Intelligenz. Dort werden wir noch mehr sehen.
AMD unterhielt einst große Fertigungslinien, unter anderem in Dresden. Seit deren Abspaltung in das Unternehmen Global Foundries arbeiten Sie ausschließlich mit Auftragsfertigern. Ein Nachteil?
Nein. Der große Vorteil ist, dass wir unser ganzes Forschungs- und Entwicklungsbudget in die Entwicklung von Prozessoren stecken können.
Aber es muss doch auch Nachteile geben?
Die Herausforderung ist, sehr eng mit den Fertigern zu arbeiten. Wir haben schon von der Geschichte her eine enge Bindung zu Global Foundries aber auch zu TSMC. Über die vergangenen anderthalb Jahre haben wir sechs Produkte mit unseren Fertigern aufgesetzt und das sehr schnell. In der Vergangenheit hatten wir bekanntlicherweise Probleme bei der Fertigung und dem Hochfahren der Produktion.
Haben Sie immer noch Verbindung zu Dresden?
Dorther kommen einige unserer Prozessoren für Notebooks. Ryzen 7 wird von Global Foundries in Malta im US-Bundesstaat New York gefertigt.
Technologie
Ryzen wird in 14-Nanometer-Fertigungstechnologie hergestellt. Sie sprechen bereits über 7 Nanometer, was das noch dichtere Packen von Komponenten ermöglicht. Wann kommen die ersten 7-Nanometer-Chips?
Es gibt eine Menge Wettbewerb bei der Fertigung. Ich denke, dass es schon nächstes Jahr soweit sein wird.
Bedeutet dass, das Prozessoren noch günstiger werden?
Nicht unbedingt, vor allem weil die Fertigung noch anspruchsvoller wird als sie ohnehin ist. Der Preis muss also nicht unbedingt sinken. Aber wir werden bei der Leistung zulegen.
Sehen Sie das Ende von Moores Law, also der Verdoppelung der Rechenleistung alle zwei Jahre? Einfach weil es immer schwieriger wird, so viele Komponenten auf so dichten Raum unterzubringen?
Nein. Aber es wird noch schwieriger und braucht vor allem Zeit. Moores Law wird sich verlangsamen und noch mehr Innovation erfordern. Aber die kontinuierliche Zunahme in Rechenleistung bleibt bestehen.
Sie haben früher IBM-Chef Lou Gerstner in technischen Fragen beraten. Gerstner, der IBM sanierte, galt als sehr fordernd. Was haben Sie bei ihrer Tätigkeit gelernt?
Sehr viel. Ich musste komplexe Dinge herunterbrechen, damit sie vermittelt und umgesetzt werden konnten, mit der nötigen Vision dahinter. Genau das ist die Herausforderung als Unternehmenschef.
Was war bislang die größte Herausforderung als Chefin von AMD?
Die Geduld bewahren. Als ich den Job im Oktober 2014 übernahm, war unsere Zen-Reihe zwei Jahre in Arbeit. Ich war begeistert davon. Aber mir war auch klar, dass wir die Zeit bis 2017 brauchten, um ein phänomenales Produkt zu entwickeln. Manchmal muss man die Wüste durchqueren, um den Ozean zu sehen.
Es war meine Aufgabe, die nötige Geduld unseren Ingenieuren und Kunden zu vermitteln. Wir hätten ein Jahr früher kommen können. Aber das Produkt wäre dann eben nicht so gut gewesen.
Sie sind derzeit die einzige Frau, die einen Halbleiterhersteller führt. Ist der Job als Frau schwerer oder leichter?
Ich hatte großes Glück in meiner Karriere, weil mir viele Chancen eingeräumt wurden und meine Vorgesetzten dafür Risiken eingingen. Taten sie das, weil ich eine Frau war oder ein guter Ingenieur? Wer weiß. Ich sehe es jedenfalls als meine Aufgabe, talentierten Menschen die Möglichkeiten zur Entfaltung zu geben. Ich möchte, dass sie die gleichen Chancen haben, die mir gegeben wurden. Schließlich gibt es viele andere Unternehmen, wo sie ihre Begabung einsetzen können. Ich möchte, dass sie das in meinem Unternehmen tun.
Ihre Familie wanderte von Taiwan in die USA aus, als Sie zwei Jahre alt waren. Wie empfinden Sie das Agieren von US-Präsident Donald Trump bei der Einwanderungspolitik?
Wir folgen der Politik der US-Administration sehr aufmerksam. Wir würden dort gern eine Normalisierung sehen. AMD ist ein globales Unternehmen, wir haben Mitarbeiter aus der ganzen Welt. Es kommt uns zu Gute, dass wir Talente von überall her gewinnen können.
Sollten Unternehmenschefs sich stärker in der Debatte engagieren?
Das tun viele ja bereits. Wir haben eine Verantwortung, uns beim Formen der Politik einzubringen. Nur starke Sprüche sind jedoch dafür ungeeignet.