Platten, Polaroid und Papier Warum das Comeback des Analogen mehr als ein Hype ist

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Zweistellige Gewinnspanne mit Platten

In einer Welt, in der sich die digitale Technologie längst durchgesetzt hat, gilt das Analoge inzwischen als das Besondere. „Vor allem junge Kunden, die Teens und Twens, die mit digitalen Geräten groß geworden sind, graben gerade alte Kulturtechniken wieder aus“, sagt Autor David Sax, der kürzlich ein Buch über „Die Rache des Analogen“ veröffentlicht hat. Sie mögen es, wenn „die analoge die digitale Technologie ergänzen kann“.

Umsatzzuwächse bei analogen Produkten 2016 (gegenüber Vorjahr)

Statt nur zu wischen und zu scrollen, wollen junge Konsumenten alle Sinne nutzen. Eine Vinylplatte in die Hand nehmen. Sich an dem aufwendig gestalteten Albumcover erfreuen. Das Knarzen hören, wenn die Nadel auf der Platte aufsetzt. „Wer eine Schallplatte auflegt, zelebriert. Wer Streaming nutzt, lässt bloß die Titel durchlaufen“, sagt Rheingold-Forscher Pfuhler.

Für die Industrie lohnt sich der Retro-Trend

Eine Musik-App hat jeder auf dem Handy. Aber wer Vinyl besitzt, setzt sich von anderen ab. Besonders junge Leute legen darauf Wert. Knapp die Hälfte der Käufer von Vinylschallplatten ist 35 Jahre oder jünger, ermittelten die Marktforscher von ICM Unlimited. Sie machen das, was der heutige Kultursenator von Berlin, Tim Renner, vor fast zehn Jahren vorhersagte, als er noch das Musiklabel Motor führte: Sie kaufen die Vinylscheibe und nutzen unterwegs den Download-Code, den viele Plattenfirmen inzwischen beilegen.

Für die Industrie lohnt sich das. Vinylplatten sind viel teurer als CDs oder Downloads. Als CD etwa kostet „Laune der Natur“, das jüngste Album der Toten Hosen , 12,99 Euro. In der Luxusvariante werden für die Vinylversion 36,99 Euro fällig. „Der Ertrag pro Einheit bei LPs ist höher als bei allem anderen, was wir verkaufen“, sagt Billy Fields, Manager beim Plattenriesen Warner, „bei Platten erzielen wir eine Gewinnspanne im zweistelligen Bereich.“ Vom guten Geschäft der Labels wiederum profitiert Plattenpresser Optimal Media. 1991 als Hersteller von CDs und bedruckten T-Shirts mit einem Dutzend Mitarbeitern gestartet, beschäftigt der Mediendienstleister in Röbel an der Müritz heute gut 700 Menschen und setzte im vergangenen Geschäftsjahr 108 Millionen Euro um. Ein wesentlicher Treiber sind Schallplatten: Mehr als ein Drittel der Erlöse steuert das Geschäft mit den Vinylscheiben bei. „Vor fünf Jahren haben wir 7,5 Millionen Platten gepresst – heute sind es drei Mal so viele“, sagt Fertigungschef Altmann.

Umsatzzuwächse bei einzelnen Unternehmen mit analogen Produkten 2016 (gegenüber Vorjahr)

Um die Aufträge zu bewältigen, musste Optimal alte Pressautomaten in ganz Europa zusammenkaufen – neue gab es schlicht nicht mehr. Toolex Alpha etwa stellte 1984 die Produktion ein. Solange Vinyl nur ein Thema für Profi-DJs und wenige Liebhaber war, bekam Altmann die Gebraucht-Maschinen noch „für ’n Appel und ’n Ei“. Doch heute gehen die Preise in die Zehntausende. Bei Optimal haben sie gar einen Automaten aus dem Berliner Technikmuseum reaktiviert: Der druckt wieder fleißig Picture-Disc-Vinyle – mit Bildmotiven verzierte Platten.

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