Presserat Richtlinie zur Herkunftsnennung überarbeitet

Die Richtlinie zur Herkunftsnennung von Straftätern war lange umstritten. Jetzt kommt der Presserat seinen Kritikern entgegen und feilt an den Formulierungen im Pressekodex. An der Idee soll sich aber nichts ändern.

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Eine „Handreichung“ für Redaktionen soll ebenfalls veröffentlicht werden. Quelle: dpa

Berlin Immer wieder war sie Anlass für Kritik und Diskussionen – nun hat der Deutsche Presserat die Richtlinie zur Nennung der Herkunft von Straftätern neu formuliert. An der Substanz habe sich daran jedoch nichts geändert, sagte Presseratssprecher Manfred Protze am Mittwoch. Der Kern der neuen Fassung lautet: „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt.“ Die Zugehörigkeit solle in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es bestehe ein begründetes öffentliches Interesse.

In der bisherigen Fassung der Richtlinie hieß es, es müsse ein „begründbarer Sachbezug“ zur Straftat bestehen, damit Angaben zur Herkunft gerechtfertigt seien. Kritiker hatten bemängelt, die Formulierung sei interpretationsbedürftig und helfe den Redaktionen beim Abwägen der Argumente im Arbeitsalltag nicht weiter. Zum Teil gab es auch die weitergehende Kritik, die Richtlinie sei insgesamt eine Bevormundung der Leser.

Noch vor einem Jahr hatte das Plenum des Presserats entschieden, sie unverändert zu lassen. Zuvor hatte es nach den Vorfällen in der Silvesternacht 2015 in Köln eine intensive Diskussion über die Frage gegeben, wann die Herkunft von Straftätern genannt werden sollte. Dort waren zahlreiche Frauen aus einer Menschenmenge heraus von Männern sexuell bedrängt und bestohlen worden. Zeugen hatten etliche der Täter als nordafrikanisch oder arabisch aussehend beschrieben.

Ähnliche Diskussionen gab es seitdem mehrfach wieder, beispielsweise nach dem Mord an einer Studentin in Freiburg im vergangenen Dezember. Als tatverdächtig war damals ein junger Flüchtling aus Afghanistan festgenommen worden. Aber gab es zwischen der Tat und der Herkunft des Verdächtigen einen „begründbaren Sachbezug“? Was genau ist das?

„Die Formulierung „begründbarer Sachbezug“ ist eine sperrige, juristische Vokabel“, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb halte er die Präzisierung, wie der Presserat sie vorgenommen habe, für völlig richtig.

Gerade weil es eine komplizierte Materie sei, ist nach Überzeugung des DJV-Vorsitzenden allerdings auch klar, dass mit dem Nachbessern der Formulierung nicht alle Fragen aus der Welt sind. Überall wiederholte seine Forderung nach einer „Sammlung von Leitsätzen“ aus der Praxis. „So etwas muss es auf jeden Fall noch geben.“

Der Presserat hatte eine entsprechende „Handreichung für die Redaktionen“ bereits im vergangenen Frühjahr angekündigt – aber bisher nicht vorgelegt. Sie werde noch im ersten Halbjahr 2017 kommen, kündigte Presseratssprecher Manfred Protze an. Gedacht ist daran, Leitsätze auf der Basis bisheriger Presseratsentscheidungen zu formulieren und dabei zu zeigen, nach welchen Kriterien die Beschwerdeausschüsse in realen Fällen entschieden haben.

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