Projekt Titan Wie Apple das Geschäft mit der Künstlichen Intelligenz verpasst

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Kurz vor dem Gedankenlesen

Der Ende Mai vorgestellte Assistant wurde ausgerechnet von einem Siri-Veteranen entwickelt, Gummi Hafsteinsson. Der hatte Apple verlassen, um ein KI-Start-up namens Emu zu gründen. 2014 kaufte Google Emu. „Der Assistant soll in jedes Gerät, das Software enthält und mit dem Internet verbunden ist, und das geht nur, wenn man Partner von außen gewinnt“, sagt Hafsteinsson. 70 machen bereits mit, darunter Audio-Ikonen wie Bang & Olufsen, Harman Kardon und Onkyo.

Weniger beachtet, aber mindestens so wichtig wie der Assistant ist ein neuer KI-Service, den Google Kunden aus Industrie und Behörden bieten will. Die sollen damit Videoaufzeichnungen oder Patientendaten auswerten. Im Gegenzug will Google die von den Kunden generierten Daten zur Weiterentwicklung der KI einsetzen. „Das ist langfristig ein großer Vorteil“, sagt Chirag Dekate, Analyst bei Gartner, „es wird schwer, mit Google am oberen Ende des Leistungsspektrums zu konkurrieren.“

Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg lässt keine Gelegenheit aus, seinen Enthusiasmus für KI zu bekunden. 2016 baute er in seiner Freizeit einen digitalen Agenten namens Jarvis. Der regelt in seinem Haus in Palo Alto Musik, Klimaanlage und Heizung, steuert Toaster und Kaffeemaschine und überwacht den Schlaf seiner Tochter Max. Jarvis sollte Facebook-Mitarbeiter anspornen, mit Projekten ihren Chef zu überflügeln.

Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken

Die Feuertaufe für Facebooks ehrgeiziges KI-Team steht jetzt bevor: Um das drängendste Problem des Netzwerks zu lösen, die Flut von Propaganda und erfundenen Nachrichten, soll ein KI-Tool extremistische Inhalte automatisch erkennen und blockieren. „Wir wollen solche Posts entdecken, noch bevor die Menschen in unserer Community sie überhaupt sehen können“, sagt Facebook-Regelchefin Monika Bickert, promovierte Juristin und Exstaatsanwältin. Facebook reagiert damit auf die Kritik, nicht entschieden genug gegen extremistische Inhalte vorzugehen.

Der Social-Media-Gigant hat sich eine weitere Topmanagerin für kühne KI-Projekte geangelt: Regina Dugan. Als erste Frau leitete Dugan die DARPA, den Forschungsarm des US-Militärs, der den Vorläufer des Internets schuf. Danach war sie bei Google für U-Boot-Projekte verantwortlich.

Vor Kurzem gewährte Dugan Facebook-Entwicklern Einblick in ihre Pläne: „Was wäre, wenn wir mit bloßen Gedanken kommunizierten?“, fragte sie. Diese würden beim Händeschütteln übertragen, statt sie auszusprechen oder aufzuschreiben. Zukunftsvisionen? Keineswegs: Dugans Mitarbeiter experimentieren bereits erfolgreich mit dem Scannen von Gedanken über die Haut. „Es wird zwar noch ein paar Jahre dauern, bis die Technologie marktreif ist“, sagt Dugan, „aber im Prinzip wird es funktionieren.“

Was zeigt: Projekt Titan, das autonome Fahren, mag für Apple-Chef Cook das „komplizierteste KI-Projekt, das es gibt“ sein. Für andere ist es das nicht mehr. Sie sind weiter.

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