ProSiebenSat.1 Das ProSieben-Digitalgeschäft wirkt stärker, als es ist

ProSiebenSat.1 ist eines der wenigen Medienunternehmen, das den digitalen Wandel meistert: Mit dem Versprechen erfreut Konzernchef Thomas Ebeling die Aktionäre. Eingelöst hat er das bislang nicht.

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ProSieben: Meistert der Dax-Konzern den digitalen Wandel? Quelle: Marcel Stahn

Die Prosa im Geschäftsbericht des Onlineflugportals könnte schöner nicht sein: „Champagner zum Frühstück! Den Frühling begrüßen die Schweden in der Universitätsstadt Uppsala am Feiertag Walpurgis zumeist feuchtfröhlich. Jedes Jahr zieht es zu Walpurgis rund 100.000 Studenten und Tausende Touristen in die historische Wikingerstadt.“ Die Schwärmerei ist nachvollziehbar: Viele der Walpurgis-Tänzer buchen ihre Reise über Flugreiseportale von Etraveli. 190 Millionen Euro hat ProSieben deswegen im vorvergangenen Jahr auf den Tisch gelegt, um Etraveli zu kaufen. Der Medienkonzern hatte schon manche Reisebeteiligung im Portfolio. Dank der Schweden aber wolle man nun „europäischer Marktführer für Onlinereisen“, werden, tönte es aus dem Management des Dax-Konzerns.

Hoffnungsträger: Die Digitalsparten der ProSiebenSat.1 Media

Es dauerte nicht viel länger als ein Jahr, da folgte die Kehrtwende. Nun haben die ProSieben-Oberen plötzlich Zweifel, dass die Reisefirmen so gut zum Fernsehsender passen. Im Reisebereich gebe es Geschäfte, die relativ wenig Synergien mit dem Kerngeschäft böten, findet ProSieben-Chef Thomas Ebeling. Die Margen könnten auch nicht mehr deutlich verbessert werden, meint er, und stellt die wohl eher rhetorisch zu verstehende Frage: „Sind wir noch der beste Eigentümer?“ Alle „strategischen Optionen“ sollen jetzt geprüft werden. Von behalten bis verkaufen sei alles drin.

Nun ist es ja so, dass strategische Änderungen in einer sich schnell wandelnden, digitalisierten Wirtschaft nicht per se eine Schande sind. Gerade in der geplagten Medienbranche darf jeder Versuch, Geschäftsmodelle zu erneuern, allein wegen des dafür nötigen Muts respektiert werden. Aber Thomas Ebeling und ProSieben sind ein besonderer Fall. Kaum ein Dax-Vorstand brüstet sich so mit der Bedeutung seiner Digitalisierungsstrategie, niemand legt beim Thema Digitalisierung so ein Tempo vor wie Ebeling. Im kommenden Jahr schon sollen gut 40 Prozent des Umsatzes nicht mehr mit Fernsehwerbung, sondern mit Digitalfirmen gemacht werden. Die Aktionäre waren davon lange beeindruckt: Der Kurs hat sich in fünf Jahren verdoppelt. „Ohne die Fantasie aus dem Digitalgeschäft wäre ProSieben deutlich weniger wert“, meint ein Fondsmanager.

Nur das Wachstum zählt: Umsatz der Digitalsparten von ProSiebenSat.1 Media

Besonders stolz sind die Münchner darauf, dass sie digital mittlerweile über eine Milliarde Umsatz pro Jahr machen. Über das Vergleichsportal Verivox, die Partnervermittler parship.de und elitepartner.de, Etraveli oder den Parfümverkäufer flaconi. Das wird in jeder Präsentation und in jedem Gespräch hervorgehoben. Der Umsatz der Digitalsparten erreicht auch jedes Jahr neue Rekordmarken (siehe Grafik). Aber: Allein in die aktuellen Beteiligungen hat ProSieben nach eigenen Angaben 1,1 Milliarden Euro gesteckt, fehlgeschlagene Projekte nicht inbegriffen. Einige haben über die Jahre massig Geld verschlungen, andere werfen trotz hoher Umsätze keinen oder nur wenig Gewinn ab. Die Marge sinkt. Für Investoren muss sich die Frage stellen, ob sie Ebelings Experimente noch länger finanzieren wollen.

Die Konkurrenz ist hart

Als Ebeling 2009 ins Management von ProSieben einsteigt, geht es dem Sender gar nicht gut. Die Münchner kämpfen mit 3,4 Milliarden Euro Schulden und machen Verlust. Der Aktienkurs stürzt ab. Bis 2013 saniert Ebeling das Unternehmen. Die Finanzinvestoren KKR und Permira machen schließlich Kasse. Auch Ebeling darf sich über einen Geldsegen von 23,5 Millionen Euro – das Sechsfache seines damaligen Jahresgehalts – freuen, während das Unternehmen noch heute auf Schulden von mehr als drei Milliarden Euro sitzt.

Der Manager ist bemüht, seinem Fernsehimperium ein digitales Image zu verpassen und seinen Investoren damit das Gefühl zu geben, sie hätten in ein Unternehmen mit Wachstumsfantasie investiert.

Derlei Assoziationen löst Fernsehwerbung, von der ProSieben fast ausschließlich lebt, nicht mehr aus. Die Gewinnmargen sind zwar atemberaubend, dank der guten Konjunktur steigen aktuell auch noch die Einnahmen. Doch große Sprünge sind in dem Geschäft nicht zu erwarten. Das Fernsehen hat nicht mehr dieselbe Kraft wie noch vor zehn Jahren, sagt Ebeling.

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