Apple CEO Tim Cook hat ein Talent dafür, viel zu sagen, sich aber trotzdem nicht in die Karten schauen zu lassen. So war es auch am Dienstagabend, als Apple die Zahlen fürs Frühjahrsquartal bekanntgab - ein neuer Quartalsrekord mit einem Umsatz von 49,6 Milliarden Dollar, davon allein 31,3 Milliarden Dollar durch iPhone Verkäufe. 47,5 Millionen Exemplare seines mit Abstand wichtigsten Produkts verkaufte Apple von April bis Ende Juni weltweit. Das war 35 Prozent mehr Absatz als im Vorjahreszeitraum und wegen der höheren Preise der neuen Modelle sogar 59 Prozent mehr beim Umsatz. Analysten hatten allerdings eher 49 Millionen Stück erwartet, weshalb die Apple Aktie nachbörslich bis zu acht Prozent nachgab.
Fitnesstracker und Handyersatz: Was Smartwatches können
Bis vor wenigen Jahren waren Telefone und Computer in der Größe einer Armbanduhr nur Fiktion – „Knight Rider“ lässt grüßen. Doch die Chips werden immer kleiner, leistungsfähiger und billiger. Damit werden Geräte wie Smartwatches überhaupt erst technisch möglich und erschwinglich.
Smartwatches sind Teil eines Trends: Computer werden immer kleiner und damit komfortabler im Transport. Neben intelligenten Uhren gibt es etwa auch Fitnessarmbänder und Brillen, die mit Informationstechnologie aufgerüstet sind. Google Glass ist ein bekanntes Beispiel. Die Technologiebranche spricht vom "Wearable Computing" – und hofft auf einen Wachstumsmarkt.
Was ist überhaupt eine Smartwatch? Der Begriff ist schwierig zu fassen. Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien. Die meisten Modelle funktionieren nicht eigenständig, sondern als Erweiterung zum Smartphone und zeigen Termine, E-Mails oder eingehende Anrufe an. Die Daten werden in der Regel per Bluetooth übertragen.
Während die meisten Smartwatches eine Erweiterung fürs Smartphone sind, sollen ein paar Modelle das Handy ganz ersetzen. Sie haben ein Mobilfunk-Modul, das Telefonate und die Übertragung von Daten erlaubt. Das gilt etwa für die Gear S von Samsung.
Die Geräte sind unterschiedlich ausgestattet. Einige fungieren als diskrete Sekretäre – sie erinnern an Termine, zeigen eingehende E-Mails an und vermelden Telefonanrufe. Andere eignen sich auch als Freisprecheinrichtung oder als kompaktes Navigationsgerät. Unter Sportlern beliebt sind Spezialgeräte, die den Puls und die Laufstrecke messen.
Die Laufzeit ist bei allen Smartwatches ein Problem: Weil die Geräte so klein sind, lässt sich darin kein großer Akku unterbringen. Daher sind viele Modelle nicht besonders ausdauernd – je nachdem welche Display-Technologie zum Einsatz kommt.
Diverse Unternehmen haben bereits Smartwatches auf den Markt gebracht – Start-ups wie Weltkonzerne. Zu den kleinen Anbietern zählt das Unternehmen Pebble, das über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter seine Anschubfinanzierung gesichert hat. Der IT-Riese Sony brachte bereits die dritte Generation seiner Computer-Uhr heraus, Samsung hat die Galaxy Gear entwickelt, der Chiphersteller Qualcomm stellt die Toq her. Im April 2015 kommt auch die Apple Watch heraus.
Wie sich junge Märkte entwickeln, ist schwierig zu prognostizieren – die Vorhersagen für Smartwatches gehen weit auseinander. Während etwa die Marktforschungsfirma IDC ein rapides Wachstum voraussagt, erwarten Forrester und NPD Displaysearch eine baldige Abkühlung des Marktes.
Doch was Apple Beobachter und Fans derzeit besonders interessiert, ist der Erfolg der Apple-Watch, die erste neue Produktkategorie seit dem Tod von Gründer Steve Jobs. "Die Verkäufe der Apple-Watch haben unsere Erwartungen übertroffen", sagt Cook. "Sie sind besser als der Original iPad und iPhone bei deren Produkteinführung." Vom iPad setzte Apple damals in den ersten zehn Wochen rund drei Millionen Stück ab.
Beim Marktstart der Apple Watch konnte Apple die Nachfrage nicht bedienen. Doch in den vergangenen Tagen habe man aufgeholt, weshalb in den nächsten Tagen der Verkauf in drei weiteren Ländern gestartet werde. Damit sei die Apple Watch dann in 19 Ländern verfügbar.
Trotz dieser Lobeshymnen bleibt Cook bei seiner Entscheidung vom September vergangenen Jahres: "Wir werden keine Zahlen zur Apple Watch offenlegen, weil wir unsere Wettbewerber nicht schlau machen wollen."
Apple Watch Zahlen verschleiert
Doch ganz verbergen kann Apple sie nicht. Um den Absatz der Watch zu verschleiern, hat das Management sie in der Kategorie "Andere Produkte" untergebracht, gemeinsam mit Apple TV, Beats Kopfhörern und Lautsprechern sowie dem iPod und diversem Zubehör. Mit ihr setzte Apple im Frühjahrsquartal 2,6 Milliarden Dollar um - und damit rund eine Milliarde Dollar mehr als im vorangegangenen Quartal, also vor dem Start der Apple Watch. Rein rechnerisch hat Apple demnach mindestens eine Milliarde Dollar mit der Apple Watch seit Start umgesetzt.
Doch Cook warnt davor, es sich so einfach zu machen. "Der Absatz der anderen Produkte in der Kategorie geht schon seit längerem zurück," gibt er zu bedenken. Zudem sei die Uhr zum Start nur in ein paar Ländern verfügbar gewesen. "Ich bin mehr gespannt auf das längerfristige Potential", sagt Cook. Besonders große Hoffnungen setzt er auf das Weihnachtsquartal.
Die günstigste Version der Apple Watch kostet 349 Dollar. Hätte Apple nur von ihr drei Millionen Exemplare von April bis Ende Juni verkauft, entstünde ein Umsatz von etwas über einer Milliarde Dollar. Die drei Millionen Stück könnten also Sinn machen. Allerdings sind sie damit meilenweit von den 36 Millionen Stück entfernt, die Morgan Stanley Analystin Katy Huberty fürs erste Jahr prognostiziert hatte. Apple hat also einen Spurt vor sich.