Robert Gentz „Ich hätte auf meine Leute hören sollen“

Der Zalando-Gründer Robert Gentz sprach auf dem „Digital Transformation Summit“ der WirtschaftsWoche über Angst vor Amazon, Instagram als neue Handelsplattform und seinen größten Management-Fehler

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Von links nach rechts das Zalando-Management: Robert Gentz, Rubin Ritter and David Schneider. Quelle: REUTERS

Mit dieser Frage hat Robert Gentz nicht gerechnet, er lehnt sich erstmal zurück und kratzt sich an der Stirn. Seine schlechteste Management-Entscheidung? „Boah“, sagt der 31-Jährige. „Da gab es viele.“ Die Zuschauer im Saal blicken nach vorn, sie wollen jetzt wissen, wie jener Mann gescheitert ist, der vor sieben Jahren den Online-Modeversand gründete und zu einem deutschen Vorzeige-Internetunternehmen machte. Dann erzählt Gentz: „Ich habe die Internationalisierung unterschätzt, vor allem bei der Werbung.“

2011 expandierte Zalando nach Holland, damals hatten sie noch die Spots mit der schreienden Frau und dem schreienden Paketmann. Der Geschäftsführer Gentz dachte: „Ach, Holland und Deutschland kann so unterschiedlich nicht sein, wir synchronisieren die Werbung einfach und fertig.“ Die niederländischen Kollegen hätten ihn vor dem „völlig anderen Humor der Holländer gewarnt“, aber vergeblich.

Die Gewinner des Digital Transformation Awards
„Digital Transformation Summit“ im Bundesverkehrsministerium in Berlin Quelle: Santiago Engelhardt
Gregor Peter Schmitz, Leiter des Hauptstadtbüros der WirtschaftsWoche Quelle: Santiago Engelhardt
Der Moderator und Autor Friedemann Karig führte durch den „Digital Transformation Summit“. Quelle: Santiago Engelhardt
Wie der digitale Wandel ein Unternehmen verändern kann, stellte der Digital Chief Officer von Rewe, JJ van Oosten, in seiner Präsentation dar. Quelle: Santiago Engelhardt
Sebastian Olbert, Partner bei Goetzpartners, und der Wiwo-Redakteur Christian Schlesiger Quelle: Santiago Engelhardt
Die sogenannte „Icebreaker-Wall“ sollte dem Publikum und den Referenten die Möglichkeit geben, miteinander in Kontakt zu treten und zu netzwerken. Quelle: Santiago Engelhardt
Chef des Start-ups Home24, Domenica Cipolla, und der Rewe-Digitalchef van Oosten Quelle: Santiago Engelhardt

Gentz brachte den Spot, „die Kollegen regten sich auf“ – und das Ergebnis? Die Zalando-Werbung wurde von Fernsehzuschauern als die „am meisten irritierende Werbung“ gewählt. Zwei Jahre in Folge gab es den Negativpreis, danach war eine Wiederwahl nicht mehr möglich. „Daraus habe ich gelernt: Hör auf deine Leute!“

Solche kleinen Misserfolgsgeschichten kann Robert Gentz heute mit einem Lächeln erzählen, schließlich spricht er auf dem „Digital Transformation Summit“ der WirtschaftsWoche. Bei der Konferenz im Berliner Verkehrsministerium geht es um den digitalen Wandel, der geradezu geprägt ist von Versuch und Irrtum. Und das gilt besonders für junge Unternehmen wie Zalando, deren Geschäft rein digital funktioniert.

Der irische Literatur-Nobelpreisträger Samuel Beckett hat schon 1983 das Mantra aufgeschrieben, welches die Unternehmenskultur von Start-Ups auszeichnet: “Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.”
Robert Gentz sitzt auf der Bühne und strahlt die Souveränität eines Unternehmers aus, der es geschafft hat, aus seinen Fehlern zu lernen. Beiger Polo-Pullover, beige Chino, weiße Sneakers mit weißen Schnürsenkeln und Kaugummi (vermutlich auch weiß), dazu eine Berlin-Mitte-Brille und 7-Tage-Bart sehen lässig aus auf einer Veranstaltung, zu der viele Unternehmer in Schlips und Kragen gekommen sind um zu schauen, wie das mit dem Digitalen so funktionieren kann.
Gentz weiß es, seine Firma kennt mittlerweile fast jeder in Deutschland, seit vergangenem Jahr ist sie an der Börse und hat die Zwei-Milliarden-Euro Umsatzgrenze geknackt. Vor sieben Jahren bei der Gründung stand noch eine andere Zahl im Business Plan: Damals strebte der studierte Betriebswirt einen Ertrag von 50 Millionen Euro an – nach vier Jahren, und zwar profitabel.

Es gab aber noch einen Plan B, erzählt Gentz: „Groß werden und Milliardenumsätze machen.“ Das haben sie geschafft, nur auf die schwarzen Zahlen mussten die Anleger lange warten, bis zum Jahr sechs nach der Unternehmensgründung nämlich.

Mittlerweile hat Zalando eine Gewinnmarge von 4,3 Prozent vor Steuern. Das freut die Investoren, der Aktienkurs liegt heute mehr als ein Fünftel über dem Ausgabepreis.

Immer wieder ein Kritikpunkt: Die Rücklaufquote


An den Börsengang vor gut einem Jahr könne er sich gut erinnern, sagt Gentz, „da habe ich gemerkt, wie unterschiedlich Investoren sein können. Geldgeber, die jedes Jahr fünf Prozent Wachstum und ein profitables Geschäft wollen, wären für uns nicht das Richtige gewesen.“ Seit dem ersten Gründungstag unterstützen die Samwer-Brüder Zalando, mit ihrer Global Founders GmbH halten sie immer noch rund elf Prozent an Zalando – und sind nicht gerade bekannt für ihre Ungeduld, wenn es um Profitabilität geht.

In all den Jahren musste sich Zalando immer wieder Kritik gefallen lassen. Am Anfang wurde Robert Gentz und seinen Mitgründern vorgeworfen, ihre Firma wäre nur eine Kopie des amerikanischen Online-Schuhhändlers Zappos. Dazu sagt der 31-Jährige heute: „Schuhe online verkaufen ist erstmal keine innovative Idee.“ Klar, Zappos sei groß geworden. „Aber ich habe mich bei der Gründung 2008 nie so gefühlt, dass ich ein Unternehmen kopieren möchte.

Zahlen zu Zalando

Der zweite, immer wieder geäußerte Kritikpunkt: Die Rücklaufquote. Jedes zweite Kleidungsstück schicken die Kunden an Zalando zurück und zahlen dafür – nichts. „Ich warte auf das Jahr, in dem die Frage nicht mehr kommt“, meint Gentz. „Wenn wir die Rücklaufquote nicht managen könnten, hätten wir keine Existenzberechtigung!“ Schließlich werde bei Zalando das eigene Zuhause zur Umkleidekabine. Und da müsse man eben viele Retouren in Kauf nehmen und könne Kunden nicht zur Zahlung zwingen.

Für Zalando scheint diese Strategie aufzugehen. Im vergangenen Jahr war das Berliner Unternehmen der drittgrößte Online-Händler in Deutschland – nach Amazon und Otto. Wie sehr er von Amazon genervt sei, fragt ihn der Moderator. Gentz schaut ihn fragend an und sagt: „Gar nicht.“ Man sei nie so richtig wettbewerbsorientiert gewesen, behauptet der 31-Jährige, schaue aber schon drauf, was andere machen. Dann folgt eine klare Ansage: „Interessanter ist für uns, wie Facebook und Instagram sich als Handelsplatz aufstellen. Die sind für uns wichtiger als Otto oder Amazon.“

Seit rund einem halben Jahr bietet das Foto-Portal Instagram die Funktion, dass Nutzer mit einem Klick von einer Werbeanzeige direkt auf den dazugehörigen Online-Shop des abgebildeten Produktes gelangen können – und damit Zalando umgehen. Gentz sieht diese neue Konkurrenz pragmatisch: „Das ist einfach eine Entwicklung, die Konsumenten bewegt. Und wenn die dahin wollen, müssen wir mit.“

Zum Schluss macht Robert Gentz noch einmal deutlich, was er damit meint, wenn er von einer „unternehmerischen Kultur“ bei Zalando spricht. Er wird gefragt, wo sein Unternehmen in den nächsten Jahren expandieren möchte. Antwort: „Wir werden eher außerhalb Europas expandieren, als außerhalb der Mode.“

Der Moderator hakt nach: Ob es denn in Ländern wie Russland oder Brasilien keine Probleme wegen ihres Investors Rocket Internet gäbe? Schließlich betreiben Unternehmen der Samwer-Brüder in diesen Ländern bereits Zalando-Klone, die Mode übers Internet verkaufen. „Nein“, sagt Gentz. „Wieso auch? Rocket Internet sind zwar unsere Investoren. Aber wir müssen tun, was das Beste für unser Unternehmen ist.“

Mit anderen Worten: Vielleich ist es bald das Beste für Zalando, ihre eigenen Investoren zu attackieren. Mangelnde Aggressivität kann man dem Unternehmen jedenfalls nicht vorwerfen.

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