Rumänisches Werk Nokia zieht weiter

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Jucu sucht Investoren

Die kurze Beziehung zu Nokia hat die Infrastruktur des rumänischen Dorfes verbessert. Quelle: dpa

Die Ausfuhren von Nokia beliefen sich auf rund acht Prozent der gesamten rumänischen Exporte, der Umsatz betrug mit 1,6 Milliarden Euro mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

„Es ist aus einer sozialen, aber auch aus einer finanziellen Perspektive extrem wichtig, dass wir andere Investoren finden, die bereit sind, sehr schnell einzusteigen und den heutigen Standort von Nokia zu übernehmen“, sagt Alin Tise, Vorsitzender des Kreisrats Cluj und eine der Führungsfiguren der Regierungspartei PDL.

Das Nokia-Werk liegt in einem neuen Industriepark, die Häuser von Jucu reihen sich die Nationalstraße entlang, kleine Hügel und abgemähte Viehweiden schimmern in der Herbstsonne. Von den 4000 Dorfbewohnern sind die meisten nach wie vor in der Landwirtschaft tätig, nur wenige konnten Qualifikationen vorweisen, wie sie Nokia brauchte.

„Immerhin bedeutete für uns diese kurze Beziehung eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur, ohne dieses Unternehmen hätten wir nie die Straßen reparieren können“, sagt Bürgermeister Dorel Pojar. „Ich hoffe, dass sich bald ein anderer Investor meldet, sonst wird unser Haushalt ab 2012 um beinahe eine Million Euro ärmer, das wäre für uns ein drastischer Verlust.“

Grundstücksspekulationen und Korruption

In andere Projekte flossen allerdings viel mehr Steuergelder. Die Lokalbehörden in Cluj unterstützten 2007 massiv die Gründung des Industrieparks in Jucu, wo Nokia kurz darauf als erster und lange einziger Investor einzog. Der Landkreis stellte einer Zweckgesellschaft namens Tetarom das Grundstück mit 160 Hektar kostenlos zur Verfügung und gab rund 30 Millionen Euro für die Erschließung des Geländes aus. Die EU-Kommission hatte dazu sogar Ermittlungen aufgenommen, die aber bis heute ergebnislos blieben. Sämtliche Verträge zwischen Nokia und dem Landkreis Cluj wurden als „vertraulich“ eingestuft.

Gleichzeitig hatten Gerüchte im Vorfeld der Standortentscheidung 2006 und 2007 eine wilde Grundstücksspekulation entfacht. Der Preis für einen Quadratmeter in der Nähe der heutigen Werkshalle verzehnfachte sich innerhalb eines Jahres von 5 auf fast 50 Euro. Im März 2008 nahmen Antikorruptionsstaatsanwälte Ermittlungen auf. Mehrere Geschäftsleute und Personen aus dem Umfeld der Landkreisverwaltung standen unter Verdacht, ihren privilegierten Zugang zu Informationen zum eigenen finanziellen Vorteil genutzt zu haben. Doch die Untersuchungen wurden mangels Beweisen eingestellt.

Nun dürften die Spekulanten allerdings in die Röhre schauen. „Wenn kein anderer Investor nach Jucu kommt, bleiben sie auf ihren Grundstücken sitzen. Die Preise werden voraussichtlich schon in den nächsten Monaten stürzen“, prognostiziert der landesweit bekannte Immobilienexperte Cristian Ogonas.

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