Rundfunkgebühren in Europa Zwangsabgabe kommt mit der Stromrechnung

In Deutschland ist eine heftige Diskussion über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entbrannt. Die Haushaltsabgabe und ihre Höhe stehen in der Kritik. Im Ausland gibt es teils kreative Lösungen.

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Wie wird der Rundfunk in Europa finanziert? Quelle: dpa

London/Rom/Stockholm/Wien/Zürich Die Rundfunkgebühr bescherte den öffentlich-rechtlichen Anstalten zuletzt Rekordeinnahmen von 8,3 Milliarden Euro. Alle Bürger und Unternehmen in Deutschland müssen sie verpflichtend monatlich zahlen, unabhängig davon, ob sie die Angebote von ARD und ZDF im Fernsehen, Radio oder Internet nutzen. Auf die geräteunabhängige Haushaltsabgabe wurde 2013 umgestellt.

Um die Abgabe populärer zu machen, wurde die bei vielen Bürgern verhasste GEZ in „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ umbenannt. Doch die Namensänderung hat wenig gefruchtet. Jetzt gibt es erneut einen heftigen Streit um die Zwangsgebühr.

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender (KEF) hatte den Ländern empfohlen, die Beitragszahler wegen Mehreinnahmen zu entlasten. Danach soll der monatliche Betrag pro Haushalt ab 2017 um 29 Cent auf 17,21 Euro sinken. Doch Sender und Länder signalisierten Widerstand.

Die bayerische FDP forderte in dieser Woche im Handelsblatt eine Halbierung der monatlichen Rundfunkgebühren. Die Pfändung des Kontos der AfD-Politikerin und „GEZ-Verweigerin“ Beatrix von Storch und die Erzwingungshaft gegen eine Frau aus Thüringen gossen zusätzlich Öl ins Feuer.

Doch wie finanzieren sich eigentlich andere öffentlich-rechtliche Sender in Europa? Die Finanzierung ist nicht nur in Deutschland umstritten – ein Überblick:

Schweiz

Die Debatte um die Höhe und den Sinn der Rundfunkgebühren ist in der Schweiz auch nach der jüngsten Volksabstimmung nicht vorbei. Vergangenen Juni stimmten die Schweizer mit denkbar knapper Mehrheit von 50,1 Prozent für die Einführung einer allgemeinen Rundfunk- und TV-Abgabe nach deutschem Vorbild. Das knappe Ergebnis mag erstaunen, denn im Zuge der Umstellung auf die geräteunabhängige Rundfunkgebühr wurde ihre Höhe gesenkt. Statt wie früher 451 Franken (414 Euro) zahlen alle Haushalte rund 400 Franken (368 Euro) – allerdings wird es weniger Ausnahmen geben, auch Firmen müssen zahlen.

Die Gebührenfrage kommt aber in einigen Jahren erneut vor das Volk. Denn Anfang 2016 haben jungliberale Politiker die nötigen 100.000 Unterschriften für eine Volksinitiative zusammenbekommen, welche die Abschaffung der Rundfunkgebühren zum Ziel hat. Ein Abstimmungstermin steht noch nicht fest.

Die permanente Diskussionen um die Rundfunkgebühren wird in der Schweiz als eine Art Misstrauensvotum gegen die öffentlich-rechtliche Rundfunk-Gesellschaft SRG gesehen. Der Sender versucht, mit erhöhter Transparenz den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen und veröffentlicht neuerdings, was einzelne Sendungen kosten. Unter www.srf.ch/sendungskosten können die TV-Zuschauer einsehen, dass der Schweizer Rundfunk sich die täglichen fünf Ausgaben der „Tagesschau“ knapp 24 Millionen Franken (umgerechnet 22 Millionen Euro) im Jahr kosten lässt.


Der dritte Weg

Der ORF ist eine Baustelle. Nicht nur das monströse Sendezentrum aus Beton am Stadtrand von Wien wird komplett renoviert, im Sommer stehen auch Neuwahlen an. Der bisherige Generaldirektor Alexander Wrabetz, der von der sozialdemokratischen SPÖ unterstützt wird, strebt eine Wiederwahl an. In Wien wird daher lieber über Personalfragen und den Einfluss der Parteien gestritten als über das Finanzierungsmodell.

In Österreich gibt es eine geräteabhängige Gebühr. Angesichts des wachsenden Widerstands gegen die Haushaltsgebühr in Deutschland steht ein radikaler Wechsel in der Alpenrepublik derzeit nicht an. Offizielle Begründung: In Deutschland sei der Anteil der Schwarzseher vor Einführung der Haushaltsabgabe wesentlich höher gewesen, als er es derzeit in Österreich ist: „Es gibt bei uns keinen fühlbaren Widerstand gegen die Gebühr“, sagte ORF-Chef Wrabetz.

98,5 Prozent aller Haushalte entrichteten brav die Abgabe. Bei den wenigen, die einen internetfähigen Computer besitzen und trotzdem nichts zahlen, drückt der ORF die Augen zu. Auch ins Gefängnis muss in Österreich niemand, der seine Rundfunkgebühren nicht zahlt.

Anders als in Deutschland halten die meisten Österreicher den ORF trotz der viel kritisierten politischen Einflussnahme für unentbehrlich. Der ORF ist Teil der Austro-Identität. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zudem Marktführer bei Fernsehen, Radio und im Internet. Das ist einmalig in Europa.

Finnland

Einen dritten Weg zwischen geräteabhängiger Gebühr und Haushaltsabgabe haben 2013 die Finnen gefunden. Sie zahlen die sogenannte YLE-Steuer. YLE heißt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Finnland.

Die Steuer muss von jedem Finnen über 18 Jahre entrichtet werden, unabhängig davon, ob er ein Radio oder ein Fernsehgerät besitzt. Sie liegt derzeit bei 0,68 Prozent des Jahreseinkommens. Auch Kapitaleinkünfte werden zur Berechnung hinzugezogen. Allerdings hat der Gesetzgeber sowohl eine Unter- als auch eine Obergrenze für die Rundfunksteuer definiert. Wer weniger als 7.353 Euro im Jahr verdient, wird von der Steuer befreit. Gleichzeitig ist die Höhe der Steuer derzeit bei 143 Euro pro Jahr gedeckelt. Weniger als 51 Euro zahlt aber kein Finne.

Für die Finnen bedeutete der Übergang von den Rundfunkgebühren zu der YLE-Steuer eine Senkung der Abgabe. Denn die alte, bis 2013 geltende Rundfunkgebühr lag bei rund 250 Euro im Jahr. Allerdings musste sie nur von denen bezahlt werden, die tatsächlich ein Radio oder ein Fernsehgerät besaßen.

Kritiker der Steuer sehen vor allem die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender in Gefahr. Durch eine staatlich erhobene Abgabe, so fürchten sie, könnte eine Regierung auch Einfluss auf die Programmgestaltung ausüben.

Schweden

Das ist auch der Grund, weshalb Schweden das Modell der finnischen Rundfunksteuer nicht übernehmen will. Zurzeit liegt die Rundfunkgebühr im größten nordeuropäischen Land bei 2.076 Kronen (224 Euro). Es handelt sich um eine klassische Haushaltsabgabe. Sie dient auch der Wirtschaftsförderung in einer schwierigen Region: Die Behörde, die für die Erhebung der Rundfunkgebühren zuständig ist, wurde bewusst in Kiruna, nördlich des Polarkreises, angesiedelt, um in der äußerst dünnbesiedelten Gegend neue Arbeitsplätze zu schaffen. Kritik gibt es an den Verwaltungskosten der Behörde. Kontrolle und Verwaltung der Gebühren verschlingen jährlich mehr als zehn Millionen Euro.

Wie in Finnland ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Schweden werbefrei. Damit unterscheiden sich die Skandinavier von den deutschsprachigen Ländern Europas. Dabei hätten nach dem Willen des Vaters der deutschen Haushaltsabgabe, des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof, ARD und ZDF mit der Einführung des neuen Rundfunkbeitrags auch die Werbung in ihrem Programm abschaffen müssen. Doch die für Rundfunkpolitik zuständigen Bundesländer mochten der Empfehlung des Juristen nicht folgen.


Auf der Insel regiert der Rotstift

Großbritannien

Seit eh und je werbefrei ist die britische BBC, die Mutter aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Rundfunkgebühr, die nur zahlen muss, wer ein Radio oder Fernsehgerät besitzt, liegt bei 145,50 Pfund (180 Euro). So kommen jährlich 3,7 Milliarden Pfund (4,6 Milliarden Euro) zusammen.

Doch der BBC droht Ungemach. Nach der gewonnenen Unterhauswahl im Mai 2015 berief Premier David Cameon mit John Whittingdale einen scharfen BBC-Kritiker zum Kulturminister seiner Regierung. Bereits im Wahlkampf hatte er angekündigt, die Rundfunkgebühren senken zu wollen. Die Gebühr sei in ihrer derzeitigen Höhe „nicht haltbar“, ließ der ultrakonservative Politiker wissen. Allerdings nannte er einen sehr langen Zeitraum für seine Rotstiftaktion: Er gehe davon aus, dass es bei der derzeitigen Höhe des Rundfunkbeitrages noch bis 2026 bleibe.

Den Druck der konservativen Regierung dürfte die BBC jedoch bereits dieses Jahr zu spüren bekommen, wenn die auf jeweils zehn Jahre angelegte Royal Charter der BBC, ihre Finanzierungsgrundlage, neu verhandelt wird.

Italien

Noch weitaus rabiater als der Brite Whittingdale springt der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi mit den Öffentlich-Rechtlichen seines Landes um. Am liebsten würde Renzi der staatlichen Radio Televisione Italiana (Rai) die Rundfunkgebühr komplett streichen. Aber bisher kündigte er nur eine Senkung der Gebühren für 2017 an.

Bisher kostet die Italiener die Abgabe 113,50 Euro im Jahr. Sie bringt der Rai rund 1,8 Milliarden Euro jährlich. Dabei zahlen längst nicht alle Italiener die Abgabe. Schätzungen gehen davon aus, dass sich rund 27 Prozent der italienischen Haushalte vor der geräteabhängigen Gebühr drücken. Das ist relativ einfach, denn Kontrollen gibt es kaum.

Wegen des hohen Anteils an Schwarzsehern hatten Renzis Vorgänger erwogen, die Rundfunkgebühr zusammen mit der Stromrechnung einzuziehen. Ein neuer Vorstoß im Rahmen des Haushaltsgesetzes wird gerade diskutiert und soll jetzt umgesetzt werden. Die Energieunternehmen, die sich nicht begeistert von der Neuerung gezeigt hatten, sollen danach eine Pauschale vom nationalen Steueramt für ihre Arbeit bekommen.

Datenschützer verweisen auf das Problem, dass zu viele persönliche Daten bei verschiedenen Institutionen gesammelt werden. Bis Ende April müssen die Italiener nun bescheinigen, dass sie keinen Fernseher haben oder als Rentner mit einem Einkommen unter 18.000 Euro jährlich von den Gebühren befreit werden, sonst kommt die Rundfunkgebühr auf die Stromrechnung.

Zuletzt sprachen sich mehr als zwei Drittel der Italiener für die Abschaffung der Gebühr aus. Sollte es tatsächlich so weit kommen, wäre die Rai ausschließlich auf Werbeeinnahmen angewiesen. Schon jetzt kennt sie in puncto Werbung kaum Beschränkungen. Reklame läuft zu fast jeder Tageszeit – und sogar im Kinderprogramm.

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