Salesforce taktiert Nervenkrieg um Twitter

Will wirklich niemand Twitter kaufen? Oder drücken heimliche Interessenten jetzt nur den Preis? Die Quartalszahlen werden es an den Tag bringen. Zuvor schreibt Twitter-Chef Jack Dorsey seinen Mitarbeitern.

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Aktienkurs auf Achterbahnfahrt: Spekulationen über mögliche Kaufinteressenten entfachten zunächst einen Twitter-Hype. Dann kam der Rückschlag. Quelle: REUTERS

„Wir schaffen das.“ Twitter Vorstandschef Jack Dorsey hat seine Mittarbeiter in einer internen E-Mail schon einmal auf einen möglichen Alleingang eingeschworen, falls es keine Übernahme geben werde. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg, der die Mitteilung vorliegt.

Gerüchte über einen möglichen Verkauf hatten zuvor die Runde gemacht. Zunächst war es daraufhin ab Mitte September steil bergauf gegangen für die Aktie des Kurznachrichtendienstes. Der Twitter-Hype erreicht seinen Höhepunkt, als das "Wall Street Journal" Anfang Oktober meldete, bald würden eingegangene Kaufangebote geprüft.

Doch in der vergangenen Woche mehrten sich dann Meldungen, potenzielle Bieter wie Walt Disney, Google oder Apple hätten bereits aufgegeben. Die Aktie fiel daraufhin kräftig und setzte am Montag die Talfahrt mit einem Minus von fast zwölf Prozent fort. Die Börsenkapitalisierung, vergangene Woche noch 17 Milliarden Dollar, liegt jetzt bei zwölf Milliarden Dollar. Seit dem 5. Oktober hat Twitter damit ein Drittel seiner Börsenbewertung verloren. Aber das, hoffen die Spekulanten, könnte das Übernahmefeuer ja wieder entfachen.

Hoffnung auf Salesforce als Twitter-Käufer

Sie klammern sich an einen Strohhalm namens Salesforce. Das Unternehmen aus San Francisco ist Spezialist für Kundenbindungs- und Marketing-Software im Internet und hat gerade erst im Bieterkampf um das Social Network LinkedIn gegen Microsoft verloren. LinkedIn ist die größte Internet-Plattform für berufliche Kontakte und Beziehungspflege und eine wichtige Datenbasis für Vertriebsorganisationen wie Salesforce.

Als Ersatz werde Salesforce-Chef Marc Benioff nun Twitter kaufen, so die Hoffnung einiger Börsianer. Allerdings sollen auf der Salesforce-Hausmesse Dreamforce in San Francisco vergangene Woche bereits wichtige Investoren ihr Unbehagen über die Akquisition geäußert haben. Benioff selbst erklärte gegenüber Analysten lapidar: „Wir schauen uns alles an.“ Gekauft werde dann aber nur ganz wenig.

Jüngst gab Benioff 700 Millionen Dollar für das Werbeunternehmen Krux aus. Am Wochenende meldete dann Bloomberg, sein Interesse an Twitter scheine ganz erloschen zu sein. Am Montag sorgte dann eine Reuters-Meldung erneut für Verunsicherung. Da hieß es, innerhalb der nächsten Tag wolle Benioff entscheiden, ob er ein Gebot für Twitter abgeben werde. Das hänge von der Entwicklung des Aktienkurses ab.

Die unternehmenseigenen Aktien hatten in der vergangenen Woche deutlich verloren, als Analysten vor den Kosten eines Deals warnten. Nun zogen Salesforce-Papiere am Montag um 5,91 Prozent auf 75,10 Dollar an. Der 52-jährige Benioff, der lange mit Oracle-Gründer Larry Ellison gearbeitet hat, ist als smarter Taktiker bekannt, der nicht zu Höchstkursen kauft.

Was Twitter plant

Allerdings könnte es bei Kaufinteresse ein Problem geben: Salesforce kann zwar eine Börsenkapitalisierung von 51 Milliarden Dollar vorweisen, schreibt aber rote Zahlen und hat nicht genügend Bargeld, um Twitter zu kaufen. Also müsste der größte Teil in Aktien bezahlt werden. Analysten fürchten, danach kämen auf Salesforce hohe Investitionen in Twitter zu, das ebenfalls Verluste schreibt, um das Unternehmen wieder auf Wachstumskurs zu trimmen. All das werde den Salesforce-Aktienkurs belasten.

In seiner Durchhalte-E-Mail fordert Dorsey, der erst vor einem Jahr wieder als CEO zurückgekehrte, Twitter solle sich ganz auf seine Live-Strategie als „das Nachrichtennetzwerk der Menschen zu konzentrieren“. Die Übertragung von Veranstaltungen wie NFL-Football-Spielen und der Debatte der Präsidentschaftskandidaten ist der jüngste Versuch, mehr Menschen auf die Plattform zu locken.

Kurzfristig zumindest erscheint sie erfolgreich. Mit über 17 Millionen Tweets zur Kandidaten-Debatte feierte Twitter gerade erst einen neuen Rekord. So viele Mitteilungen zu einem politischen Event gab es noch nie.

Für die kommenden Wochen werden sich mögliche Bieter erst einmal bedeckt halten und abwarten. Denn am 27. Oktober wird Dorsey die Zahlen für das abgelaufene Quartal vorlegen. Dabei erwarten Experten einen Umsatz von 590 bis 610 Millionen Dollar. Träfe Dorsey den Mittelpunkt seiner eigenen Prognose, läge der Umsatz im Jahresvergleich gerade einmal fünf Prozent über Vorjahr. Nach dem Mitgliederwachstum wäre damit dann auch das Umsatzwachstum zum Erliegen gekommen.

Schafft Twitter nicht einmal die eigenen Vorgaben, dürfte der Aktienkurs noch einmal deutlich nachgeben und die Spekulation erlöschen, was Benioff in die Hand spielen würde. Fallen die Zahlen insbesondere beim Mitgliederwachstum und bei den Werbeeinnahmen allerdings besser aus als erwartet, dann könnten auch wieder Disney und Co ihren Hut in den Ring werfen und den Twitter-Hype neu entfachen. Vor allem aber könnte Dorsey bei der Gelegenheit einmal erklären, ob Twitter wirklich zum Verkauf steht.

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