„Nie wurde die Stärke des Unternehmens deutlicher als in dieser Krise“, sagt Daniel Gleeson, Analyst beim Beratungshaus Ovum und langjähriger Samsung-Beobachter. Die größte Stärke ist aber auch seine gefährlichste Schwäche. Worüber heute niemand mehr gerne bei Samsung spricht: Das Topmanagement wollte mit dem Galaxy Note 7 dem neuesten iPhone zuvorkommen – keiner der Mittelmanager traute sich, nach oben zu melden, dass dies nicht zu schaffen sei. „Die Kontrollsysteme versagten, weil die Angestellten Angst hatten“, attestiert Gleeson.
Dabei bemüht sich Samsung schon lange, die auf Befehl und Gehorsam basierende Arbeitskultur zu lockern. Gezielt wurden in jüngster Zeit Ausländer und mehr Frauen eingestellt, legere Kleidung statt Anzug erlaubt, gleitende Arbeitszeiten eingeführt und die für Asien typischen abendlichen Trinkgelage mit dem Chef eingeschränkt.
Vor allem Kronprinz Lee Jae-yong führte den Versuch der Verwandlung an. Sein Ziel: „Startup Samsung“ zu schaffen, in dem sich Mitarbeiter nicht mehr mit ihrem Titel oder Position anreden, frei von Hierarchiezwang denken und Jüngere ihre Meinung sagen.
Viel Zeit für die Neuerfindung bleibt indes nicht. Chinesische Konkurrenten werden immer besser. „Und bei Software hängt das Unternehmen dem Silicon Valley hinterher“, sagt Sea-Jin Chang, Samsung-Experte an der Universität Singapur. Auch der auf künstlicher Intelligenz basierende Sprachassistent Bixby hechelt den US-Konkurrenten hinterher.
Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt
Im vergangenen Jahr wurden rund 1,5 Milliarden Smartphones verkauft. Das war ein Wachstum von zwei bis fünf Prozent im Vergleich zu 2015 - die Berechnungen einzelner IT-Marktforscher weichen etwas voneinander ab.
Noch im Jahr davor war der Absatz um mehr als zehn Prozent gewachsen. Als zentrale Auslöser für die Abkühlung gelten die wirtschaftlichen Turbulenzen im größten Smartphone-Markt China sowie anderen Ländern wie Russland.
Samsung blieb auf das gesamte Jahr gerechnet der größte Smartphone-Anbieter mit einem Marktanteil von gut 20 Prozent, Apple ist die Nummer zwei mit knapp 15 Prozent.
Im Weihnachtsgeschäft wurden die Apple-Verkäufe aber vom iPhone 7 beflügelt und bei Samsung schlug das Batterie-Debakel beim Galaxy Note 7 auf den Absatz. Im Ergebnis schob sich Apple in dem Quartal mit 78,3 Millionen verkauften iPhones knapp an Samsung vorbei.
Anbieter aus China haben sich - vor allem dank der Größe des heimischen Marktes - weltweit in die Spitzengruppe vor. Die drei Hersteller Huawei, Oppo und BBK schließen nach Samsung und Apple die globale Top 5 ab und kamen zusammen auf gut 20 Prozent Marktanteil.
Bei den Smartphone-Betriebssystemen dominiert Googles Android-Software mit einem Marktanteil über 80 Prozent. Den Rest füllt weitgehend das iOS von Apples iPhones aus. Andere Betriebssysteme wie Windows Phone oder Blackberry OS sind inzwischen praktisch bei Null angekommen. Dabei wurde mit ihnen einst die Hoffnungen verbunden, dass sie zur starken Nummer drei im Markt werden könnten.
Im vergangenen Jahr gab es nach Berechnungen von Experten weltweit rund 7,4 Milliarden Mobilfunk-Anschlüsse. Zum Jahr 2020 dürfte ihre Zahl auf knapp 8,4 Milliarden ansteigen, prognostiziert der IT-Marktforscher Gartner.
Ist der Kronprinz im Gefängnis jetzt jener Steuermann, der den Koloss in sicheres Fahrwasser führt? Auch ohne Freispruch könnte Lee Jae-yong wichtige Entscheidungen vom Gefängnis aus treffen, andere koreanische Vorstände haben das vorgemacht. Dann ziehen die Berater einfach in die Nähe der Haftanstalt und lassen entscheidende Unterlagen in die Zelle reichen.
Bei Lees Prozess im August aber trugen ein paar junge Koreaner ein Protestschild vor sich her: „Schickt Jae-yong ins Gefängnis. Er ist der wahre Schuldige in dem Skandal“. Ein Neustart für Samsung könnte auch Loslassen für die Lees bedeuten.