Der 49-jährige Lee war am Freitag von einem Bezirksgericht in Seoul wegen Bestechung, Untreue und Meineid und anderer Vergehen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Vize-Vorstandschef hatte nach Ansicht der drei Richter umgerechnet 6,7 Millionen Euro von Samsung Electronics an eine enge Vertraute von Südkoreas damaliger Präsidentin Park Geun-hye zahlen lassen.
Im Gegenzug unterstützte die Park-Regierung den Zusammenschluss von zwei Unternehmen der Samsung-Gruppe, indem der Nationale Pensionsfonds als Anteilseigner beider Firmen gegen den Widerstand anderer Aktionäre für die Fusion stimmte. Davon profitierte Lee persönlich, weil er zu günstigen Konditionen Großaktionär des neuen Unternehmens Samsung C&T, der neuen De-facto-Holding der Gruppe, wurde. Dadurch konnte Lee seinen Einfluss auf Samsung Electronics vergrößern.
In dem Prozess hatte Jay Y., wie der Konzernerbe in Südkorea oft genannt wird, alle Anklagepunkte bestritten. Er sei an der Entscheidung von Samsung, das Geld an die Präsidentenvertraute zu zahlen, nicht beteiligt gewesen und habe davon auch nichts gewusst, beteuerte der Manager. Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Das ist insgesamt zwei Mal möglich. Doch dies bedeutet auch, dass das Vakuum in der Konzernführung noch längere Zeit bestehen bleibt.
Die Größe dieser Krise für den Technologieriesen und für Südkorea ist nicht zu unterschätzen. Samsung Electronics generiert rund ein Fünftel der Exporte der zehntgrößten Industrienation der Welt und die Gruppen-Unternehmen repräsentieren fast ein Drittel der Marktkapitalisierung des südkoreanischen Aktienindexes Kospi. In diesem Jahr könnte Samsung Electronics erstmals mehr Einnahmen erzielen als der bisherige Halbleiter-Marktführer Intel. Zu dem Konglomerat gleichen Namens gehören rund 60 Unternehmen, die Milliarden-Geschäfte mit Versicherungen, Bauten, Kreditkarten, Biopharmazeutika, Hotels, Freizeitparks und Mode machen.
Die Samsung-Unternehmen einschließlich des Elektronik-Flaggschiffs werden von professionellen Managern geleitet, die zu den besten des Landes gehören. Für das operative Tagesgeschäft brauchen sie Lee nicht. Aber in der konfuzianisch geprägten Unternehmenskultur der koreanischen Konglomerate haben nur die familiären Eigner die Autorität, ein langfristiges Zukunftsbild zu entwerfen und die strategischen Entscheidungen etwa für große Investitionen zu treffen.
So geht der Wandel von Samsung Electronics von einem Hersteller billiger elektronischer Geräte zum globalen Technologieführer bei Speicherchips und Smartphones auf eine Vision von Gründersohn Lee Kun-hee zurück, der Manager und Ingenieure über Jahrzehnte unerbittlich zu Höchstleistungen trieb.
Nach dessen schweren Herzinfarkt vor mehr als drei Jahren wurde sein einziger Sohn zur einigenden Figur an der Spitze des Elektronikkonzerns. Lee verantwortete auch den Umbau des gewaltigen Konglomerats. Die Gruppe soll überschaubarer strukturiert werden und in neue Geschäftsfelder wie die Biomedizin vorstoßen.
Muss Lee längere Zeit hinter Gittern blieben?
Die hierarchische Atmosphäre im Unternehmen versuchte Lee aufzulockern. Eine längere Abwesenheit von ihm droht diese umfassende Modernisierung zu stoppen oder zumindest kräftig zu bremsen. Dies gilt als mittelfristige Gefahr für das Unternehmen, da China derzeit Milliarden von Dollar in den Aufbau einer eigenen Massenproduktion von Speicherchips und Lithium-Ionen-Akkus pumpt. Zugleich müsste der Hardware-Produzent Samsung seine Defizite im Software-Bereich verringern, wie sich jetzt bei der verzögerten Einführung eines eigenen Sprachassistenten für Smartphones wieder zeigte.
Zwar steuert Samsung Electronics in diesem Jahr auf einen neuen Rekord bei Gewinn und Umsatz zu. Auch die Aktien kletterten ohne Lee an der Spitze auf ein neues Höchst. Denn ein Superzyklus im Chipbereich infolge Cloud Computing und künstlicher Intelligenz sowie die Umstellung in der Bildschirmtechnologie von Flüssigkeitskristallen auf organische Leuchtdioden treiben die Erträge.
Auch das Debakel mit dem brennbaren Akkus des Phablets Galaxy Note 7 im Herbst vergangenen Jahres hinterlässt in den Geschäftszahlen keine Spuren mehr. Der Nachfolger Galaxy Note 8 wurde bei seiner Vorstellung in dieser Woche gut aufgenommen.
Aber seit der Verhaftung von Lee im Frühjahr hat Samsung keine einzige größere Übernahme getätigt, nachdem im Vorjahr zahlreiche Unternehmen geschluckt wurden, darunter der US-Autozulieferer Harman International für 8 Milliarden Dollar. Ebenso liegen seitdem die persönlichen Kontakte, die Lee zu wichtigen Kunden wie Apple-Chef Tim Cook hielt, auf Eis.
Nach südkoreanischen Presseinformationen hat der Samsung-Verwaltungsrat bisher keinen Plan B diskutiert für den Fall, dass Lee tatsächlich längere Zeit hinter Gittern bleiben muss. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, ist eine vorzeitige Freilassung nach südkoreanischem Recht erst nach Verbüßen eines Drittels der Strafe möglich. Dies wäre unter Einberechnung der Untersuchungshaft der Herbst 2018. Eine schnelle Begnadigung wie bei seinem Vater, der zwei Mal zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, ist unter dem linksliberalen Präsidenten Moon Jae-in, der die Macht der Konglomerate beschneiden will, kaum denkbar.
Wie sich Samsungs Debakel mit dem Note 7 2016 entwickelte
Samsung stellt das „Phablet“ mit der Bildschirm-Diagonale von 5,7 Zoll vor. Das Vorzeigemodell soll im oberen Preissegment spielen, in dem Apple mit seinen iPhones stark ist. Der Finanzdienst Bloomberg berichtet später, Samsung habe sich beeilt, es deutlich vor dem September-Marktstart des iPhone 7 auf den Markt zu bringen.
Das Galaxy Note 7 kommt in mehreren Ländern in den Handel. Nach und nach gibt es Berichte von Nutzern über brennende oder zumindest überhitzte Telefone. Ein Überblick über das Ausmaß des Problems fehlt zunächst.
An dem Tag, an dem das Note 7 unter anderem auch in Deutschland breit in den Handel kommen sollte, gibt Samsung eine weltweite Rückrufaktion bekannt. Zunächst ist von 35 bestätigten Zwischenfällen die Rede.
Die US-Flugaufsicht FAA und dann auch ihr europäisches Pendant EASA verbieten, Geräte des Modells in Flugzeugen zu nutzen oder aufzuladen. Sie dürfen auch ausgeschaltet nicht ins aufgegebene Gepäck.
In den USA gibt es auch einen offiziellen Rückruf über die Verbraucherschutz-Behörde CPSC. Dabei werden deutlich mehr Fälle bekannt. Allein in dem Land seien demnach 26 Verbrennungen und 55 Fälle von Sachbeschädigung gemeldet worden.
Samsung leitet den Austausch der Geräte in Deutschland ein. Zugleich wird der Verkauf von Beteiligungen an anderen Tech-Unternehmen im Wert von rund einer Billion Won (etwa 800 Mio Euro) bekannt. Die Kosten des Rückrufs für Samsung werden auf mindestens eine Milliarde Dollar (rund 900 Millionen Euro) geschätzt.
Die südkoreanische Behörde für Technologie und Standards (KATS) fordert von Samsung vor der Wiederaufnahme des Verkaufs zusätzliche Sicherheitsprüfungen. Unter anderem solle jede Batterie für das Gerät einem Röntgentest unterzogen werden.
Samsung kündigt an, dass das Note 7 in Europa am 28. Oktober wieder regulär in den Handel kommen soll.
Ein gerade ausgeschaltetes Note 7 gerät in einem Flugzeug, das vor dem Abflug noch am Gate steht, in Brand. Nach Darstellung des Besitzers ist es bereits ein Austauschgerät.
Es werden vier weitere Fälle bekannt, in denen US-Verbraucher von Bränden mit Ersatzgeräten berichten. Zwei davon füllen demnach in der Nacht ein Schlafzimmer mit Rauch. Ein Telefon soll sich in den Händen eines 13-jährigen Mädchens in einer Schule entzündet haben. Die Mobilfunk-Anbieter AT&T, Verizon und T-Mobile US geben an ihre Kunden gar keine Note 7 mehr heraus.
Mehrere Medien berichten, Samsung setzte die Produktion des Geräts erneut aus. Vom Unternehmen heißt es dazu nur, die Produktionsplanung werde „vorläufig angepasst“.
Samsung stoppt den Verkauf des Note 7 erneut. Kunden werden aufgefordert, auch die Ersatzgeräte nicht mehr zu benutzen. Samsung ermutigt sie zudem, ihre Geräte gegen andere Modelle einzutauschen oder sich den Kaufpreis zurückerstatten zu lassen.
Als einziger Sohn der bisherigen Samsung-Chefs lässt sich der 49-Jährige jedoch nicht leicht ersetzen. Seine beiden Schwestern haben keine Erfahrung mit Elektronik und Smartphones. Einige Anleger spekulieren jedoch auf eine neue Rolle für die ältere Schwester Lee Bu-jin. Die 46-Jährige besitzt als reichste Frau Südkoreas 5,5 Prozent der De-Facto-Dachgesellschaft der Gruppe, Samsung C&T, und berät das Unternehmen auch.
Als Chefin des Hotel- und Duty-Free-Geschäfts von Samsung hat sie ihre unternehmerischen Fähigkeiten bewiesen: Umsatz und Börsenwert haben sich in sieben Jahren mehr als verdoppelt. Aber ihr Eintritt in den Vorstand von Samsung Electronics wäre wohl nur möglich, wenn ihr inhaftierter Bruder dieser Beförderung zustimmt. ENDE