Samsung-Erbe verhaftet Ein Weltkonzern wird aus dem Knast geführt

Lee Jae-yong ist längst der starke Mann im Samsung-Clan. Doch die Korruptionsvorwürfe gegen ihn werden schwere – nun muss Lee den Elektronikriesen aus der Haftanstalt führen. Wie geht es für den Weltkonzern weiter?

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Der inoffizielle Chef des südkoreanischen Mischkonzerns Samsung ist wegen Präsidenten-Bestechung und anderer Vorwürfe nach einer Anhörung verhaftet worden. Quelle: dpa

Tokio Samsung-Erbe Lee Jae-yong setzt eine unselige Tradition koreanischer Firmenchefs fort: Freitagnacht bezog er eine Arrestzelle in Koreas Hauptstadt Seoul. Zuvor hatte das Zentrale Bezirksgericht Seouls den Haftantrag von Sonderermittlern gegen den faktischen Samsung-Chef genehmigt, dem im Beraterskandal um Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye Bestechung, Falschaussage und andere Vergehen vorgeworfen werden.

In einer Mitteilung an die Presse erklärten die Richter, dass sie auf der Grundlage neuer Vorwürfe und Beweise eine Verhaftung als begründet und notwendig ansähen. Allerdings wies das Gericht einen weiteren Haftantrag gegen den Präsidenten von Samsung Electronics, Park Sang-jin, ab.

Für Samsung und die Korea AG ist die Verhaftung des Aushängeschilds der koreanischen Wirtschaft ein Schock. Ein Vertreter des Unternehmensverbands warnte, dass das Führungsvakuum bei Samsung die bereits schwächelnde Wirtschaft weiter bremsen könnte. Aber die Anleger reagieren gelassen.

Die Aktie von Samsung Electronics ging am Freitag stabil in den Handel und verlor bis zum Mittag nur 1,4 Prozent. Damit liegt der Aktienkurs nur sechs Prozent unter dem Allzeithoch vom Januar und 58 Prozent höher als vor einem Jahr. Denn sowohl Lee wie auch die Investoren hatten genug Zeit, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass der faktische Chef von Südkoreas größtem Konglomerat einen Teil seiner Laufbahn im Knast verbringen wird.

Bereits seit Dezember steht Lee unter Beschuss. Vor vier Wochen stand er sogar ein erstes Mal vor den Haftrichtern, die ihn allerdings damals laufen ließen. Denn laut den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hat die Firmengruppe 35 Millionen Euro an Stiftungen und Organisationen einer engen Beraterin und Freundin von Präsidentin Park gezahlt oder in Aussicht gestellt.

Samsungs Position ist bisher, dass die Gruppe damit nur einer Bitte der Regierung nachgekommen sei und keine Gegenleistungen erwartet wurden. Immerhin hatten auch andere Firmengruppen des Landes den Stiftungen von Parks Freundin Choi Soon-sil hohe Summen gespendet. Die Ermittler wollen Lee allerdings Bestechung belegen, um ihre Klage gegen Präsidentin Park zu stärken. Sie wurde im Dezember vom Parlament des Amtes enthoben und wartet jetzt auf ein endgültiges Urteil des Obersten Gerichtshofs.

Der Vorwurf wiegt schwer: Choi soll 2015 als Dank für das Geld Druck auf den Nationalen Pensionsfonds ausgeübt haben, eine umstrittene Fusion von zwei Samsung-Firmen zu unterstützen. Dieser Zusammenschluss gilt als Schlüsselstein in der Machtübergabe des seit 2014 schwer erkrankten Samsung-Vorsitzenden Lee Kun-hee an seinen Sohn Lee. Doch Investoren werfen Samsung und dem Pensionsfonds vor, dass eine Firma damals deutlich unterbewertet wurde, damit Lee und seine zwei Schwestern ihr Sagen über die verschachtelte Gruppe und bei Samsung Electronics sichern konnten.

Die Ermittler gruben daher nach dem gescheiterten Haftantrag gegen Lee eifrig neue Klagepunkte aus, darunter kriminelle Erlöse und Verstöße gegen Kapitalverkehrsgesetze bei Zahlungen an Organisationen Chois in Deutschland. Und dieses Mal warteten sie offenbar mit überzeugenderen Beweisen auf als im Januar.


Warum die Aktionäre weiter an Samsung glauben

Die oppositionelle Demokratische Partei applaudierte dem Mut der Richter. Die Firmengruppen, die für Gegenleistungen Geld an die Präsidentin und ihre Unterstützer gezahlt hätten, müssten hart bestraft werden, sagte der Abgeordnete Youn Kwan-suk laut der Nachrichtenagentur Yonhap. „Wir erwarten, dass Park nach dem heutigen Urteil ebenfalls der Bestechung angeklagt werden könnte.“

Samsung schaltete derweil in den Krisenmodus. „Wir werden alles dafür tun, dass das Gerichtsverfahren die Wahrheit enthüllt“, teilte Samsung am Freitag mit. Doch der Finanzmarkt will nichts von einer Krise wissen.
Zwar warnen einige Beobachter, dass mit der Verhaftung des jungen Patriarchen ein weiterer Umbau von Samsung und weitere Investitionen auf Eis gelegt werden könnten. Denn große Projekte erfordern generell die Zustimmung des Familienvorstands. Und dies ist in diesem Fall Lee Junior, der Vize-Chairman des Konzerns, da sein Vater, der offiziell amtierende Chairman, seit einem Herzanfall im Mai 2014 handlungsunfähig ist.

Viele Anleger setzen allerdings weiterhin darauf, dass Samsung auch ohne Lee florieren wird. Schließlich ist er nicht der erste koreanische Konzernboss, der wegen Bestechung, Veruntreuung oder anderen Unsauberkeiten ins Gefängnis musste. Und bisher konnten die bezahlten Manager die Familienkonzerne immer weiterführen.

In Samsungs Fall kommt hinzu, dass viele wichtige Weichen bereits voriges Jahr gestellt wurden. Der acht Milliarden Euro teure Kauf des amerikanischen Autozulieferers Harman ist bereits beschlossene Sache. Überdies steht der Investitionsplan für das laufende Jahr. Vorerst kann der Konzern daher auch ohne Lee den Kurs halten.

Und da sieht es nicht schlecht aus. Explodierende Akkus und der Verkaufsstopp von Samsungs teuerstem Smartphone Galaxy Note 7 haben zwar die wichtige Mobilsparte hart getroffen. Aber der Preisboom bei Speicherchips und die Nachfrage nach Displays der nächsten Generation aus organischen Leuchtdioden (Oleds) könnten Samsung neue Rekordgewinne bescheren. Mittel- und langfristig kommt es für den Konzern allerdings darauf an, wie lange Lee Jae-yong im Gefängnis einsitzen muss.

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