Samsung Das Wunder von Seoul

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Größtes Mysterium der Wirtschaft

Der Konzern ist der einflussreichste Chaebol im Lande, so heißen die mächtigen südkoreanischen Familienkonglomerate. Und dass Koreas Chaebols, zu denen auch LG oder Hyundai gehören, korrupt sind, gehörte lange zum Land dazu. Schon Lees Vater wurde verurteilt, später aber begnadigt. Too big to fail – die Devise gilt in dem Land aber unter dem neuen Präsidenten Moon Jae-in nicht mehr. Der Prozess gegen den jungen Lee gilt als „Jahrhundertverfahren“, er steht für den Neustart eines ganzen Landes.

Abgestürzt: Samsungs Vize-Chairman Lee Jae-yong wird nach seiner Verurteilung wegen Bestechung am 25. August abgeführt. Quelle: REUTERS

1938 beginnt die Samsung-Saga mit einem kleinen Handelsbetrieb, den Großvater Lee Byung-chull gründete. Zum Weltkonzern und Apple-Angreifer baute dessen Sohn Lee Kun-hee Samsung auf. Die Manager sollten alles ändern „bis auf ihre Ehefrauen und Kinder“, gab der Anfang der Neunziger als Unternehmensdevise aus. Statt billiger Fernseher und Waschmaschinen sollten Qualität und Innovationen zählen. Und als Beweis, wie ernst er es damit meinte, ließ er 150.000 Telefone vor seiner Belegschaft verbrennen.

Samsungs Erfolgsformel seitdem: Der Konzern investiert in Forschung und Entwicklung und schlägt die Konkurrenz durch das hohe Tempo bei der Optimierung neuer Technologien. Den Weltmarkt für Speicherchips etwa eroberte Lee Kun-hee mit der riskanten Strategie, während der oft brutalen Abschwungphasen der Branche riesige Summen in die nächste Generation zu stecken. Im nächsten Boom kann Samsung dann als einziger Anbieter die starke Nachfrage bedienen.

Alle hören auf ein Kommando

Samsung ist ein straff geführtes Regiment, in dem jeder Manager seinen Platz hat und ausführt, was immer von oben befohlen wird. Zwei Männer sind in dem System derzeit die wichtigsten Köpfe: Kwon Oh-hyun, 64-jähriger Elektronikingenieur mit einem Doktortitel aus Stanford, leitet seit fünf Jahren das Komponentengeschäft, das den Großteil des Gewinns beisteuert. Es ist dieser nach außen kaum bekannte Kwon, der dem Verwaltungsrat vorsitzt und der der heimliche Chef ist, seit die Familie ausgefallen ist. Der zweite Mann ist Samsung-Mobile-Chef DJ Koh.

Der Vorteil des streng reglementierten Geflechts: Wer immer der Ranghöchste im Dienst ist, kann sofort alles und jeden in Gang setzen, wenn Gefahr in Verzug ist. So wie zuletzt, als die Galaxy- 7-Smartphones zu brennen begannen. Als sich diese Meldungen im September 2016 überschlugen, richtete der Konzern sofort einen Krisenstab ein. Drei Monate lang traf sich der jeden Morgen um sieben Uhr. Hunderte Ingenieure wurden für die Ursachenforschung beauftragt, eingesperrt in einer riesigen Fabrik. Die Aufsicht hatte Koh.

Wie sich Samsungs Debakel mit dem Note 7 2016 entwickelte

Geld, so berichtete der neulich, habe keine Rolle gespielt. Schätzungsweise fünf Milliarden Dollar gab der Konzern für die Jagd nach der Ursache aus. Ende des Jahres kamen die Ingenieure dann einem Samsung-Zulieferer auf die Spur, der die fehlerhaften Akkus produziert hatte. Als im Konzern noch alles kopfstand, wählten die Koreaner eine Nummer in Deutschland. Knapp 9000 Kilometer westlich, in Nürnberg, wurde der Anruf an Stephan Scheuer, zuständig für die Produktzertifizierung des TÜVs Rheinland, weitergeleitet. Der Auftrag: Der TÜV Rheinland, in Asien eine Kontrollinstanz, sollte herausfinden, ob nicht auch andere Modelle betroffen sein könnten. 40 seiner besten Leute setzte Scheuer auf das Projekt. Drei Monate dauerten die Tests. „Wir haben alles auseinandergenommen“, sagt Scheuer.

Vor allem den Einbau der Akkus nahmen sich die Deutschen vor. Der wird zu einem großen Teil in Hanoi in Vietnam abgewickelt. Kommen die Paletten mit den Batterien dort an, nimmt Samsung zunächst die übliche Wareneingangskontrolle vor. Am Ende, wenn die Handys wieder ausgefahren werden, gibt es erneut eine Kontrolle. Das Problem lag aber genau zwischen den beiden Prüfungen. „Die Batterien werden zu den Arbeitern gefahren“, sagt Scheuer. Auf dem Weg zu ihnen könnten schnell mal ein paar Akkus auf den Boden fallen. Nach der Prüfung schickte TÜV-Experte Scheuer gleich eine ganze Liste mit Empfehlungen nach Seoul, Fehler bei den anderen Modellen fanden die Deutschen aber nicht. Als der sonst so verschwiegene Konzern Anfang des Jahres zu einer großen Pressekonferenz lud, sprach auch einer von Scheuers Chefs auf der Bühne. Als die Nachricht verkündet wurde, dass alles wieder unter Kontrolle sei, alle Handymodelle sicher, stand der Deutsche sogar mit in der ersten Reihe.

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