Wenn Unternehmen Mitarbeiter entlassen wollen, dann tun sie das am besten unter dem Radar. Oder sie tun es in einer Zeit, in der die ganze Branche entlässt – sodass der eigene Stellenabbau kaum noch ins Gewicht fällt.
2,5 Prozent der Belegschaft, 3000 Stellen insgesamt, 200 Arbeitsplätze sind in Deutschland betroffen. SAP reiht sich ein in die Gruppe von Tech-Unternehmen, die teils im deutlich größeren Stil Stellen streichen. Konkurrent Salesforce entlässt jeden zehnten Angestellten, bei Microsoft fallen 10.000 Arbeitsplätze weg, der IT-Konzern IBM entlässt 3900 Mitarbeiter. Von Twitter, Meta, Alphabet und Spotify noch gar nicht angefangen.
SAP ist nicht ungeübt in Stellenstreichungen, oder „Restrukturierungsprogrammen“, wie es im geschönten SAP-Sprech heißt. 886 Millionen Euro ließ es sich der DAX-Konzern kosten, als er 2019 4400 Stellen abbaute. „Wir haben ein starkes Kerngeschäft“, konstatierte der damalige SAP-Chef Bill McDermott damals.
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Nicht mehr als 300 Millionen Euro soll der nun angekündigte Abbau von insgesamt 3000 Stellen kosten. Und SAP wohl wieder das verschaffen, was das Unternehmen laut Ex-Chef McDermott 2019 bereits hatte: ein starkes Kerngeschäft.
Doch Entlassungen können auch nach hinten losgehen: Als Twitter-Chef Elon Musk Ende letzten Jahres über die Hälfte der Twitter-Mitarbeiter entließ, erwischte es auch die falschen – die der verzweifelte Unternehmer in Rückholaktionen zurückbeorderte. SAP hat 2019 Ähnliches erlebt: „Know-how ist einfach weg, was man durchaus noch gebraucht hätte“, sagte der heutige Betriebsratschef Eberhard Schick damals. „Das zeigen ja auch die Rückholaktionen, von denen man im Nachgang erfahren hat.“
Warum in der Tech-Branche Zehntausende Jobs wegfallen
Die Corona-Pandemie mit geschlossenen Geschäften brachte dem Online-Händler einen enormen Geschäftsschub. Entsprechend brauchte er mehr Leute. Die Beschäftigtenzahl in Voll- und Teilzeit verdoppelte sich von 800.000 Ende 2019 auf mehr als 1,6 Millionen Ende 2021. Inzwischen bestellen die Menschen wieder weniger, auch weil das Geld in Zeiten hoher Preise nicht mehr so locker sitzt. Schon vergangenes Jahr fielen Stellen weg, im Januar kündigte Amazon nun den Abbau von 18.000 Jobs an. Stark betroffen davon sind Büro-Arbeitsplätze.
Auch der Google-Mutterkonzern verdient sein Geld fast nur mit Online-Werbung und bekommt die Abkühlung im digitalen Werbemarkt zu spüren. Und auch Alphabet baute in der Pandemie die Belegschaft aus: Von rund 119.000 Mitarbeitern Ende 2019 auf fast 187.000 im September 2022. Zugleich hat Alphabet ebenfalls hohe Ausgaben: Die Gewinne von Google finanzieren Zukunftsprojekte wie Robotaxis der Firma Waymo oder Lieferdrohnen mit, die Milliarden verschlingen. Die Kürzungen trafen auch solche Bereiche.
In der Pandemie griffen viele kleine Unternehmen zu Werbung bei Facebook, um ihr Geschäft anzukurbeln. Meta verdiente gut und stellte auch kräftig ein. Ende 2019 hatte der Konzern 45.000 Mitarbeiter, drei Jahre später waren es mehr als 87.000. Dann kam im November der Abbau von 11.000 Jobs. Meta spürt die Zurückhaltung von Werbekunden, die stärker auf ihr Geld achten. Auch ist die App Tiktok ein starker Rivale im Kampf um Werbe-Dollar - und Apples Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre auf dem iPhone machten Anzeigen bei Facebook weniger effizient. Zugleich steckt Gründer Mark Zuckerberg viele Milliarden in die Entwicklung virtueller „Metaverse“-Welten.
Der Windows-Riese richtete sich in den vergangenen Jahren stark auf das Cloud-Geschäft mit Online-Diensten aus dem Netz – genau richtig für das vernetzte Arbeiten in der Corona-Pandemie. Auch bei Microsoft wuchsen die Mitarbeiter-Zahlen durch Zukäufe schnell: Zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres Mitte 2022 hatte der Konzern rund 221.000 Beschäftigte nach 144.000 drei Jahre zuvor. Zuletzt bekam Microsoft Gegenwind in einem Traditions-Segment: Der Einbruch der PC-Verkäufe in einem gesättigten Markt ließ das Windows-Geschäft um 39 Prozent schrumpfen. Microsoft streicht 10.000 Jobs, will aber in Zukunftsbereichen mehr Leute einstellen.
Der drastische Aderlass beim Kurznachrichtendienst ist dabei ein Sonderfall. Tech-Milliardär Elon Musk behauptete als neuer Besitzer, dass Twitter zu viele Beschäftigte habe – und ließ kurzerhand die Hälfte der rund 7000 Mitarbeiter feuern. Unter Druck gingen auch weitere, so dass inzwischen laut Medienberichten nur noch etwa 1300 Beschäftigte übrig sein sollen. Musk muss Geld sparen: Er bürdete Twitter Milliardenschulden für die Übernahme auf, die nun bedient werden müssen – und die Werbeeinnahmen sollen wegen der Zurückhaltung von Anzeigenkunden um 40 Prozent eingebrochen sein.
Als SAP 2019 4400 Mitarbeiter entließ, stellte Personalchef Cawa Younosi direkt klar: „Wir gehen davon aus, dass wir Ende des Jahres mehr Mitarbeiter haben werden als jetzt.“ Damit sollte er recht behalten.
Diesmal scheint das anders zu sein: Der Konzern erhofft sich durch den Jobabbau in diesem Jahr einen „moderaten Kostenvorteil“. Ab 2024 will er durch die Streichungen dann jährlich bis zu 350 Millionen Euro einsparen.
„Die SAP ist widerstandsfähiger als je zuvor“, sagte Christian Klein bei der Vorlage der Quartalszahlen. Um das zu bleiben, sollte Klein gut aufpassen, nicht die falschen Mitarbeiter zu entlassen. Ohne sie droht die Widerstandsfähigkeit verloren zu gehen.
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