SAP-Hauptversammlung Deutlicher Denkzettel für Hasso Plattner

Der große Proteststurm der Aktionäre auf der SAP-Hauptversammlung in Mannheim blieb aus – aber die Aktionäre verpassten Chefaufseher Hasso Plattner einen Denkzettel wegen des umstrittenen neuen Vergütungssystems.

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Der SAP-Aufsichtsratsvorsitzende Hasso Plattner am Mittwoch bei der Hauptversammlung des Softwarekonzerns. Quelle: dpa

Normalerweise ist die alljährliche Hauptversammlung des Software-Riesen SAP, die seit einigen Jahren in der SAP Arena in Mannheim stattfindet, eine eher beschauliche Veranstaltung: Nach der traditionellen Eröffnungsrede von SAP-Mitgründer und -Aufsichtsratsboss Hasso Plattner um 10 Uhr und der darauf folgenden Ansprache von Vorstandschef Bill McDermott geht’s in der Regel vergleichsweise friedlich zu.

Kein Wunder: Angesichts der seit Jahren munter sprudelnden Umsätze und Gewinne gibt’s für die Aktionäre des seit einiger Zeit sogar wertvollsten börsennotierten Unternehmen Deutschlands wenig zu mosern.

Dieses Mal war’s freilich anders, wenn auch nur ein bisschen: Im Vorfeld der Hauptversammlung hatten namhafte Großanleger wie etwa der britische Pensionsfonds Hermes sowie der amerikanische Stimmrechtsberater ISS das im vergangenen Jahr neu eingeführte Vergütungssystem von Europas größtem Softwarekonzern als überzogen und intransparent kritisiert. Allein SAP-Chef McDermott hat dank der neuen Regeln 2016 ein Jahressalär von gut 14 Millionen Euro erhalten – und ist damit zum bestbezahlten Manager im gesamten Dax avanciert.

Um die Wogen schon im Vorfeld etwas zu glätten, hatte McDermott Anfang der Woche eine interne E-Mail an alle SAP-Mitarbeiter verschickt, in der er beteuerte, dass dem umstrittenen Vergütungssystem der Walldorfer „kühne Unternehmensziele“ zugrunde lägen, wie die WirtschaftsWoche exklusiv berichtete.

Dazu zählten „zum Beispiel ein 300-prozentiges Wachstum des SAP-Aktienpreises und ein Übertreffen unserer Vergleichsgruppe um 25 Prozent in den nächsten paar Jahren. Wenn wir diese Ziele erreichen, wird die Marktkapitalisierung der SAP auf über 250 Milliarden Euro anwachsen“, schrieb McDermott. Das wäre immerhin mehr als eine Verdopplung des aktuellen SAP-Börsenwerts von rund 115 Milliarden Euro.

Auch Plattner verwendete in seiner Rede am Mittwoch allein 20 Minuten auf ausführliche Erläuterungen zur Vorstandsvergütung. „Nach der für uns nicht zufriedenstellenden Zustimmung zu dem Vergütungssystem im vergangenen Jahr haben wir uns im Aufsichtsrat eindringlich mit der Kritik befasst“, beteuerte der Chefkontrolleur. Hintergrund: Auf der Hauptversammlung 2016 hatten 45 Prozent der Aktionäre das Vergütungssystem abgelehnt – bereits damals eine schallende Ohrfeige.

„Die Kritik lautete unter anderem auf mangelhafte Transparenz – wir wollen das System transparent machen“, so Plattner. „Es gibt hier für uns nichts zu verbergen.“ Und erläuterte in einer regelrechten Tour de Force, warum das Vorjahresgehalt von McDermott in Wahrheit nur 12 Millionen Euro betragen hätte und nur aufgrund der langfristigen Erfolgskomponente – die in SAP-Aktien umgewandelt worden sei, welche wiederum bereits zugelegt habe – jetzt bereits bei 14 Millionen Euro liege.

„Und selbst das ist im internationalen Vergleich nicht hoch“, betonte Plattner – und ratterte die Gehälter der großen US-Rivalen herunter: CEO IBM: 30 Millionen. CEO HPE: 30 Millionen. Oracle Co-CEO #1: 41 Millionen. Oracle Co-CEO #2: Millionen. Oracle Chairman 41 Millionen. „Das ist übrigens hundertmal so viel wie ich bekomme“, so Plattner mit einem schmunzelnden Seitenhieb auf seinen Erzrivalen, den Oracle-Gründer und Chairman Larry Ellison.

Aktionärsschützerin wünscht mehr Fingerspitzengefühl

„Unsere Vorstandsvergütung muss mit Blick auf unsere internationalen Rivalen konkurrenzfähig sein“, so Plattner weiter. „Und da sehen wir uns mit unserem System aus relativ niedriger Grundvergütung und hohen variablen Bestandteilen gut aufgestellt, da die variable Vergütung eng an die nachhaltige langfristige Unternehmensentwicklung gekoppelt ist.“ Letztlich profitierten ja auch die SAP-Anteilseigner von langfristig steigenden Aktienkursen.

Nicht jedem auf der Hauptversammlung genügten diese Ausführungen von Plattner. „Schreiben Sie den Vergütungsbericht so, dass ich ihn verstehe. Und sagen Sie mir, welche Unternehmen neben Microsoft und Oracle zu der Vergleichsgruppe bei den langfristigen Bestandteilen gehört“, forderte etwa Christiane Holz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), mit rund 30.000 Mitgliedern die größte deutsche Aktionärsvereinigung, als eine der ersten Rednerinnen.

So richtig Plattners jetzige Bemühungen um Klarheit auch seien: „Ich bedauere, dass Sie mit Ihrer Transparenzinitiative jetzt erst kommen – und nicht erst nach der 45-Prozent-Ablehnung auf der letzten Hauptversammlung“, legte Holz weiter den Finger in die Wunde. „Sie haben da nur auf Kritik reagiert, nicht agiert. Da hätten Sie proaktiv voranschreiten sollen.“

Die Aktionärsschützerin hätte sich zudem mehr Fingerspitzengefühl bei der Einbettung der Managementgehälter in das deutsche Gehaltsgefüge gewünscht. „Schließlich ist SAP ja – noch – ein deutsches Unternehmen.“ Trotz aller Kritik kündigte sie aber an, sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat im Namen der DSW entlasten zu wollen. „Alles andere wäre angesichts der Geschäftserfolge auch Quatsch.“

Der große Proteststurm blieb also aus – und Plattner hatte seinerseits Kreide gefressen: „Es stimmt, wir hätten manche der Fragen schon im vergangenen Jahr beantworten und ins Internet stellen sollen“, gab sich der Chefkontrolleur bei der Erwiderung mancher Aktionärsfragen zur Vorstandsvergütung ungewohnt reumütig. „Wir müssen lernen, verständlicher zu kommunizieren – so wie Lehrer das Lehren lernen müssen.“

Wirklich milde haben die Aktionäre derartige Demutsgesten aber letztlich nicht gestimmt – sie verpassten Plattner einen mehr als deutlichen Denkzettel: Mit 50,49 Prozent stimmten sie letztlich nur äußerst knapp für die Entlastung des Aufsichtsrates. Im Vorfeld des Aktionärstreffens hatten Finanzkreise bereits auf eine Ablehnungsquote von 40 Prozent spekuliert.

Eine Überraschung hatte Plattner für die Aktionäre dann doch noch parat, allerdings versteckt in einer seiner Antworten: Der 73-Jährige ließ erstmals durchblicken, wie lange er noch an der Spitze des Aufsichtsrates stehen wolle: Sein jetziges Mandat laufe noch bis 2019; danach könne er sich eine weitere Amtszeit durchaus vorstellen. „Allerdings nicht mehr für volle fünf Jahre.“

Anders ausgedrückt: Seinen 80. Geburtstag im Januar 2024 wird Plattner wohl nicht mehr als Chefaufseher der SAP begehen.

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