SAP legt Jahresbericht vor Motivierte Mitarbeiter, mehr Gewinn?

Liebe Chefs, behandeln Sie Ihre Mitarbeiter gut – es könnte sich lohnen. Der integrierte Jahresbericht von SAP zeigt, dass weiche Faktoren wie Engagement das Ergebnis verbessern. Die Berechnung ist allerdings schwierig.

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Vorstandschef McDermott lässt seine Mitarbeiter bei SAP einen integrierten Jahresbericht anfertigen. Der Softwarekonzern gilt mit damit als Vorreiter. Quelle:

Frankfurt Zufriedene Mitarbeiter sind viel wert – womöglich Millionen von Euro. Das gilt zumindest für einen internationalen Konzern wie SAP: Der Softwarehersteller hat heute seinen integrierten Jahresbericht vorgelegt, der neben Umsatz, Gewinn und Forschungsausgaben auch gesundheitliche Faktoren, das Mitarbeiterengagement und die CO2-Einsparungen auflistet. „Die positive Entwicklung dieser Faktoren hat unser Ergebnis verbessert“, sagt Peter Rasper, kaufmännischer Leiter der SAP. „Kalkulatorisch liegt der Effekt bei rund 200 Millionen Euro.“

Mit dem integrierten Jahresbericht gilt SAP als Vorreiter. Der Softwarekonzern setze nicht nur in Deutschland Maßstäbe, sagt Barbara E. Weißenberger, Professorin für Accounting an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Informationen über Mitarbeiterzufriedenheit und andere Faktoren gelten in Fachkreisen inzwischen als wichtige Faktoren, um eine Firma zu beurteilen. Die konkreten Zahlen, die SAP ausweist, sieht Weißenberger indes skeptisch: „Ein statistisch harter Nachweis ist schwer zu führen.“

Integrierte Jahresberichte sind nicht verpflichtend, und die Passagen zur Mitarbeiterzufriedenheit und Umwelt überblättern viele Leser. Die Vergütung der Vorstände, die bei SAP im vergangenen Jahr zugelegt hat, interessiert meist mehr; Umsatz, Gewinn und Dividende sind ohnehin die wichtigsten Kriterien für die Beurteilung, sie können einen Aktienkurs unmittelbar bewegen.

So kündigt der SAP-Konzern an, seine Aktionäre an der guten Geschäftsentwicklung zu beteiligen. Die Dividende für 2015 solle um fünf Cent auf 1,15 Euro steigen. Insgesamt würden damit etwa 1,4 Milliarden Euro an die Teilhaber ausgeschüttet. Dank eines Rekord-Betriebsgewinns von 5,9 Milliarden Euro im vorigen Jahr kann sich der Konzern diese Zahlung leisten. Schub erhielten die Verkäufe unter anderem durch die schneller als geplante Umstellung auf das Cloud-Geschäft. Davon profitiert auch die Vorstandsriege: Die Verträge von Konzernchef Bill McDermott und weiteren Führungskräften waren vorige Woche vorzeitig verlängert worden.

Trotzdem kann sich der Aufwand, Kapitel zu weichen Faktoren im Geschäftsbericht zu erstellen, für Unternehmen lohnen. „Die integrierte Berichterstattung bedient den Wunsch der Anleger nach nicht-finanziellen Informationen“, erklärt Weißenberger. Gelingt es der Firma, Talente anzulocken? Besteht genug Freiraum für neue Ideen? Und wie stark ist die Marke? All das sei für die Zukunft der Firma wichtig.

SAP legt seit inzwischen vier Jahren integrierte Berichte vor. Dafür ermittelt das Unternehmen eine Reihe von Indikatoren. So befragt der Konzern, wie sehr Mitarbeiter ihren Vorgesetzten vertrauen („leadership trust“). Dieser Wert ist von 46,8 auf 52,3 Prozent gestiegen, angesichts einer Bewertungsskala von minus 100 bis plus 100 liegen die SAP-Führungskräfte also im positiven Bereich.

Der Index für die Gesundheitskultur (Business Health Culture Index, BHCI) ermittelt, inwiefern die Mitarbeiter ihren Job bei bester Gesundheit erledigen können. Wie groß ist der Stress? Lassen sich Beruf und Familie in Einklang bringen? Gibt es Lob für die Arbeit? Sind Mitarbeiter in Entscheidungen einbezogen, die sie betreffen? Dieser Wert ist um drei Punkte auf 75 Prozent gestiegen.

Auch für die Frauenförderung gibt es eine Kennzahl: Bis 2017 solle jede vierte Position im Management mit einer Frau besetzt sein. 2015 stieg die Quote auf 23,6 Prozent (2014: 21,3 Prozent) – das Ziel scheint also erreichbar. Und dann ist da noch der Energieverbrauch. 2015 sank er auf 455 Kilotonnen CO2 (2014: 500), den Wert von 2010. SAP führt das auf weniger Geschäftsflüge und die Kompensation mit CO2-Zertifikaten zurück. „Unsere Cloud ist schon zu 100 Prozent grün“, sagt Rasper.


Der Kapitalmarkt belohnt Offenheit

Doch wie lässt sich aus solchen Werten berechnen, um wie viel die Kosten niedriger oder Gewinn höher ausfallen? SAP hat nach eigenen Angaben ein „umfangreiches Berechnungsmodell“ entwickelt, das verschiedene Auswirkungen berücksichtigt: Mehr Engagement führt zu weniger Krankheitstagen und damit zu höherer Produktivität – und das macht sich beim Ergebnis bemerkbar. „Dieses Modell haben wir mit Hilfe SAP-interner und externer Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickelt“, erklärt der Konzern. „Die Quantifizierungen basieren auf statistischen Zusammenhängen und Schätzungen.“

Klar ist: Ganz genau lassen sich die positiven Effekte nicht beziffern. „Die reinen Geldbeträge pro Prozentpunkt in den Indizes aus unserer Mitarbeiterbefragung sind vor allem ein Indikator“, sagt Rasper. „Wir wissen aber, dass ein signifikanter Zusammenhang mit den tatsächlichen Kosten besteht.“

In Mitarbeiterkreisen wird die SAP-Lagebeurteilung für valide gehalten, auch dem Image des Konzerns dürfte sie nicht schaden. Aber lässt sich der Nutzen tatsächlich genau berechnen? Die Fachwelt hat daran Zweifel. „Wir erforschen noch, ob Firmen mit integrierter Berichterstattung eine bessere Rendite haben“, sagt BWL-Professorin Weißenberger. Ein „harter Nachweis“ fehle bislang – es mangele an Material, schon weil sich bislang wenige Konzerne die Arbeit gemacht haben. Die integrierte Berichterstattung ist noch ein junges Thema, der International Integrated Reporting Council (IIRC) hat erst 2013 Richtlinien vorgeschlagen.

Die Expertin für Rechnungswesen hält es aber für plausibel, dass sich der Aufwand bezahlt macht. So sei erwiesen, dass Firmen mit umfangreicher Strategieberichterstattung sich günstiger Kapital verschaffen könnten. „Wenn man das überträgt: Der Kapitalmarkt goutiert womöglich auch die verzahnte Berichterstattung.“

Die konkreten Zahlen von SAP zweifelt die Expertin allerdings an: „Der Nachweis, dass eine höhere Frauenquote oder Mitarbeiterzufriedenheit zu höherer Produktivität führt, ist schwer herzustellen.“ Dafür seien die Zusammenhänge zu komplex. So hängt die Gesundheit der Mitarbeiter nicht nur von den Arbeitsbedingungen ab, sondern auch vielen anderen Faktoren, die die Firma nicht kontrollieren kann. Noch schwieriger lässt sich messen, wie sich eine höhere Frauenquote in Führungspositionen auswirkt.

Auf die genauen Zahlen komme es aber nicht an, sagt Weißenberger: „Das Signal ist wichtig.“

Obwohl mittlerweile zahlreiche Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte vorlegen, lassen sie sich jedoch mangels genauer Vorgaben schwer miteinander vergleichen. Zudem sind die Veröffentlichungen freiwillig. Ein einheitlicheres Bild dürfte es ab 2017 geben: Bis dann müssen die EU-Mitgliedstaaten eine Richtlinie umsetzen, die Unternehmen zur Veröffentlichung nicht-finanzieller Informationen verpflichtet. Das Bundesjustizministerium hat im März einen Gesetzentwurf vorgelegt. Große Unternehmen sollen künftig erklären, wie sie sich um Umweltbelange, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung kümmern. Und natürlich um ihre Mitarbeiter.

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