SAP-Mitgründer verlängert Mandat Hasso Plattner: „Ich will keine lame duck sein“

Der 77-jährige SAP-Mitgründer Hasso Plattner will den Walldorfer Softwarekonzern auch weiter als Aufsichtsratschef durch die schwierige Cloud-Transformation begleiten. Quelle: dpa

Aufsichtsratschef Hasso Plattner verteidigt auf der Hauptversammlung den SAP-Kursschwenk in Richtung Cloud – und will im kommenden Jahr noch einmal antreten.

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Bereits zum zweiten Mal muss SAP seine jährliche Hauptversammlung am Mittwoch rein virtuell abhalten. Im vergangenen Jahr war Aufsichtsratsboss und Mitgründer Hasso Plattner coronabedingt in sein Homeoffice im Silicon Valley verbannt. Daher konnte er sich nur mit einer Videobotschaft an die SAP-Anteilseigner wenden. Auch dieses Jahr ist er nur per Videokonferenz zugeschaltet aus Kalifornien, im Gegensatz zum vergangenen Jahr aber immerhin live.

Und doch ist der Auftritt alles andere als eine Routineübung, das zeigt sich sowohl inhaltlich als auch äußerlich. Der Raum, aus dem Plattner spricht, sieht aus wie ein Hotelzimmer; hinter ihm steht ein rotbrauner Schreibtisch mit einer dunkelbraunen Tischlampe; von oben strahlt Kunstlicht auf ihn herab. „Ich sehe anders aus, als säße ich in einem Filmstudio in Hollywood“, räumt Plattner ein und lacht. „Wir haben schlicht nicht bedacht, dass es bei meiner Zuschaltung hier mitten in der Nacht ist.“

Und kommt dann gleich zu seinem wichtigsten Anliegen: Sein eigenes Handeln und das des SAP-Vorstandes zu rechtfertigen. Wichtiger Punkt seiner Ausführungen: Die Kursturbulenzen nach der Ankündigung im vergangenen Herbst, zugunsten von weiteren Investitionen in das Cloud-Geschäft auf Marge verzichten zu wollen. Die Investoren quittierten den unerwarteten Strategieschwenk, indem sie den Börsenwert der Walldorfer zwischenzeitlich um 30 Milliarden Euro rasierten.

„Die Ankündigung im Oktober verunsicherte einige Investoren, und die SAP-Aktie verlor über 20 Prozent. Ich weiß, das war schmerzhaft“, räumte Plattner ein. „Aber glauben Sie mir: Als größter Einzelaktionär der SAP habe auch ich das zu spüren bekommen.“ Dennoch stehe er voll und ganz hinter den Entscheidungen des Vorstands.

Immerhin hat sich die SAP-Aktie seitdem erholt, unter anderem wegen der im Januar von SAP-Chef Christian Klein gestarteten Initiative „Rise with SAP“. Mit einer Art Charmeoffensive will er seine Bestandkunden vom Gang in die Cloud zu überzeugen.„Der Weg ist SAP meines Erachtens jetzt viel klarer für die Märkte“, gibt Plattner dem SAP-Chef Rückendeckung. „Das waren die richtigen Entscheidungen, um den Erfolg der SAP zu sichern und die SAP damit langfristig zu einem wertvolleren Unternehmen zu machen.“

Zumal Klein bereits erste Erfolge dieser Strategie einfahren konnte: Die Cloud-Umsätze der Walldorfer waren im ersten Quartal 2021 deutlich besser als erwartet – und der SAP-Chef konnte die Prognose fürs Gesamtjahr bereits wieder erhöhen. „Wir gewinnen Marktanteile, und das ist für mich der wichtigste Indikator“, so Klein kürzlich im Interview mit der WirtschaftsWoche. „Auch in der Kundenzufriedenheit haben wir zugelegt. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir den Einbruch vom Oktober bald ausgeglichen haben werden.“

Investoren mahnen Verjüngung auch im Aufsichtsrat an

Doch die SAP-Aktionäre bemängeln nicht nur die maue Performance der SAP-Aktie im Vergleich zum Dax: Weitere Kritik entzündet sich am Wunsch des 77-jährigen Aufsichtsratschef, sich im kommenden Jahr noch einmal für das Kontrollgremium zur Wahl zu stellen. Ursprünglich wollte Plattner 2022 abtreten, hatte aber im vergangenen Jahr einen Gesinnungswandel durchblicken lassen. „Ich sehe zumindest eine gewisse Logik darin, in unruhigen Coronazeiten wie jetzt ein Stück Sicherheit und Kontinuität ins Unternehmen zu bringen“, sagte er im Mai 2020 dem „Handelsblatt“. „Insofern denke ich zumindest darüber nach, ob ich mein Mandat als Aufsichtsratschef noch mal verlängern soll.“

In seiner Rede auf der Hauptversammlung bekundete Plattner nun erstmals, dass er noch einmal antreten wolle. „SAP befindet sich aktuell in einer kritischen Phase der Transformation in ein reines Cloud-Unternehmen – hier ist Stabilität wichtig“, so Plattner. Er wolle Unruhe durch einen weiteren Führungswechsel vermeiden. „Daher strebe ich zwei weitere Jahre im Aufsichtsrat an.“ Das sei in Summe lediglich eine komplette Aufsichtsratsperiode von fünf Jahren. Plattner: „Ich will keine lame duck sein.“

Aktionärsvertreter hatten Plattners Ansinnen vorab kritisiert: „Es wird Zeit, den Staffelstab des Aufsichtsratsvorsitzenden zu übergeben“, so Ingo Speich, Leiter des Bereichs Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka, in seinem vorab verbreiteten Statement an das Unternehmen. „Wir fordern daher eine nachvollziehbare Nachfolgeregelung für Hasso Plattner und eine Verjüngung des Aufsichtsrates.“

Ähnliche Töne schlägt Markus Golinski von Union Investment an: Er forderte Plattner in seinem Redebeitrag auf der SAP-Hauptversammlung auf, den Aufsichtsratsvorsitz „in jüngere Hände zu geben“. Vorstandschef Christian Klein benötige jemanden, der ihn über die ganze Übergangsphase begleiten könne.

Aber auch das Thema Vorstandsvergütung sorgt weiter für Unruhe bei den Investoren. Im vergangenen Jahr hatten mit Michael Kleinemeier, Jennifer Morgan und Stefan Ries gleich drei Vorstände das Unternehmen verlassen. „Dieser sehr abrupte Führungswechsel hat mindestens Kosten in Höhe von 23,3 Millionen Euro verursacht“, kritisiert Jella Benner-Heinacher, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Zudem habe der Aufsichtsrat dem Vorstand wegen der Coronapandemie eine Sondervergütung in Höhe von vier Millionen Euro gewährt. Hierbei sei zu beachten, dass die Gesamtzielerreichung in der kurzen Frist für 2020 bei 0 Prozent lag. Mit der Zahlung der nunmehr beschlossenen Sondervergütung unterlaufe der Aufsichtsrat „aus Sicht der DSW den Sinn und Zweck“ von Kurfristanreizen, so Benner-Heinacher. „Zusammengenommen sind dies alles Gründe für die DSW dem Aufsichtsrat für 2020 keine Entlastung zu erteilen.“

Plattner verteidigt den Sonderbonus: Aus Sicht des Aufsichtsrats habe der Vorstand SAP gut durch die Coronakrise geführt; das Unternehmen könne ohne Inanspruchnahme von Kurzarbeit oder staatliche Hilfen seinen Aktionären nun erneut eine erhöhte Dividende bieten. „Daher haben wir beschlossen, die herausragenden Leistungen der Vorstandsmitglieder in dieser außergewöhnlichen Zeit mit einer Zusatzvergütung zu honorieren.“

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Um die Kritiker zu besänftigen, habe man die Prämie aber mit Auflagen verbunden, so Plattner: „Die Vorstände müssen den Nettobetrag in SAP-Aktien investieren und diese drei Jahre halten. Das empfinden wir als sehr angemessen.“

Mehr zum Thema: Nach dem Kursdebakel im Oktober hat sich die SAP-Aktie erholt. Das Management verbreitet Optimismus: Mehr Cloud, mehr Umsatz, mehr Marge, lautet das Mantra. Ist auch Profit für Anleger drin?

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