




Auf den ersten Blick klang es nach einem Paukenschlag: „SAP arbeitet für die NSA“, so die Schlagzeile eines Artikels bei "Zeit" Online. „US-Geheimdienste sind gute Kunden von SAP“, so der am gestrigen Abend im ARD-Magazin „Fakt“ gesendete Fernsehbeitrag (hier in der Mediathek abrufbar).
Der Tenor beider Beiträge: Der Softwarekonzern aus dem nordbadischen Städtchen Walldorf, Weltmarkführer für Unternehmenssoftware und eine der wenigen IT-Ikonen aus Deutschland, sei wichtiger Lieferant für NSA und CIA. Insbesondere auf die Hochleistungsdatenbank Hana, die blitzschnelle Analysen gigantischer Datenmengen ermöglicht, hätten es beide abgesehen.
Die Entwicklung von SAP
Gründung als SAP Systemanalyse und Programmentwicklung in Weinheim; 1976 Umbenennung in Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung; 1977 Umzug nach Walldorf.
Fertigstellung der ersten Finanzbuchhaltungssoftware namens System RF - Grundstein für das spätere Komplettpaket R/1 als umfassende betriebswirtschaftliche Standardsoftware.
Die 1979 erstmals angebotene Software R/2 boomt: Bis Jahresende setzt SAP 245 Millionen Mark um. Im Oktober geht das Unternehmen für umgerechnet 380 Euro je Aktie an die Börse.
Auf der Computermesse Cebit zeigt SAP erstmals die Software R/3, an der die Entwickler seit 1987 arbeiteten. Für den Mittelstand konzipiert, erweist sich R/3 als Megaseller für Konzerne.
Zur Untermauerung der Auslandsexpansion und zur Eroberung des US-Marktes notiert SAP im August an der New York Stock Exchange. Umsatz 4,3 Milliarden Euro.
SAP kauft für 4,8 Milliarden Euro den französischen Softwareanbieter Business Objects. 2010 folgt der Kauf des US-Softwarehauses Sybase für 4,6 Milliarden Euro. Die Basis für neues Wachstum ist geschaffen.
Nach weniger als einem Jahr muss Léo Apotheker als Chef seinen Hut nehmen. Oberkontrolleur Hasso Plattner beruft Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott als Nachfolger.
Dem Chefduo Snabe und McDermott gelingt das beste Jahr der Unternehmensgeschichte. Ende 2011 kündigen sie die Übernahme des US-Anbieters SuccessFactors an. Damit schalten sie um auf neue Produkte im zukunftsträchtigen Mobil- und Cloud-Computing-Geschäft.
Mit der Milliardenübernahme des US-Anbieters Ariba verstärken die Co-Chefs Snabe und McDermott ihr neues Cloud-Geschäft weiter. Zugleich erhält SAP ein riesiges Internet-basiertes Beschaffungs-Netzwerk für Geschäftskunden.
Im Frühjahr gibt SAP bekannt, sich in eine europäische Aktiengesellschaft SE umwandeln zu wollen. In der Belegschaft weckt das Befürchtungen, der Konzern könne mittelfristig seinen Firmensitz weg von Walldorf verlagern.
Auf der Hauptversammlung im Mai wird McDermott alleiniger SAP-Chef. Sein bisheriger Kompagnon Snabe rückt in den Aufsichtsrat. McDermott will SAP noch schlanker und flexibler machen sowie das Unternehmen ganz auf die Cloud trimmen.
Auf Anfrage der „WirtschaftsWoche“ leugnet SAP nicht, die US-Geheimdienste als Kunden zu haben –so wie viele andere amerikanische Regierungsorganisation auch. „Was unsere Kunden genau mit der SAP-Software anstellen – ob sie etwa Datenanalysen für militärische Zwecke oder zum Spionieren durchführen – obliegt nicht unserer Kontrolle“, sagt ein SAP-Sprecher. Wenn ein Terrorist ein Office-Programm auf seinem Laptop nutze, dann bedeute das ja auch nicht, dass Microsoft ein Unterstützer von Terrorismus sei.
Auch den Tenor der Beiträge spielen die Walldorfer herunter: Laut „Zeit“ habe SAP die US-Geheimdienste sogar gezielt durch Firmenzukäufe als Kunden gewonnen. Als Beispiel zitiert die Geschichte die Übernahme des amerikanischen Datenbank-Anbieters Sybase im Mai 2010. Denn die NSA sei der wichtigste Regierungskunde von Sybase. „Das war irgendwann mal so“, konstatiert der Sprecher. Doch der Hauptfokus bei der Übernahme sei die Mobiltechnologie von Sybase gewesen. In der Tat basiert die komplette Mobilsoftware von SAP auf der Sybase-Übernahme. Die seinerzeit ebenfalls miterworbenen Sybase-Datenbanken werden zwar noch verkauft, spielen aber nur eine untergeordnete Rolle. Die Vorzeige-Datenbank Hana basiert hingegen auf einer Eigenentwicklung.
Laut SAP kämen Geschichten über eine Zusammenarbeit mit Geheimdiensten immer wieder mal hoch. „Genauso gut könnte man auch hervorheben, dass der Bundesnachrichtendienst Kunde von Oracle ist“, so der SAP-Sprecher.
Immerhin – einen positiven Aspekt können die Walldorfer der aktuellen Berichterstattung sogar abgewinnen: So betonten die Autoren der „Zeit“ explizit, die SAP-Software sei für NSA und CIA vor allem deshalb interessant, weil das Software-System „die derzeit schnellste Datenverarbeitung überhaupt“ ermögliche. „Endlich schreibt das mal einer“, so der SAP-Sprecher schmunzelnd.