Sicheres Telefonieren Bahn frei für das Merkel-iPhone

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Bundesregierung hat Hochsicherheits-iPhones bestellt

Und auch die Bundesregierung hat bereits 50 Hochsicherheits-iPhones geordert. Drei Bundesministerien – die Minister für Verkehr und Infrastruktur, für Arbeit und Soziales sowie für Bildung und Forschung – sollen in einem Pilotprojekt in den nächsten Wochen testen, ob das Gerät wirklich für den E-Mail-Versand geheimer Verschlusssachen in der Kategorie NfD (Nur für den Dienstgebrauch) geeignet ist.

Bestehen die von Virtual Solution mit zusätzlichen Sicherheitsfunktionen hochgerüsteten iPhones und iPads diesen letzten Test, könnte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr altes „Merkel-Handy“ gegen ein neues „Merkel-iPhone“ eintauschen.

Virtual Solution drängt in einen Markt, den bisher schon vier als besonders „vertrauenswürdig“ eingestufte deutsche Unternehmen mit teuren Speziallösungen quasi als Hoflieferanten besetzt halten.

Secusmart, eine in Düsseldorf ansässige Tochter des kanadischen Smartphone-Herstellers Blackberry, liefert abhörgeschützte Blackberrys, unter anderem das aktuelle Merkel-Telefon. Die Secunet Security Networks AG in Essen, ein Tochterunternehmen des Banknotendruckers Giesecke & Devrient, verkauft ihre für stationäre Computer entwickelte Verschlüsselungstechnik Sina inzwischen auch in Kombination mit zwei Laptops von Microsoft und Lenovo.

Die dümmsten Passwörter der Welt
"Dadada"Nein, die Rede ist hier nicht von dem Neue-Deutsche-Welle-Song von Trio, sondern dem Passwort des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg in Netzwerken wie Twitter, LinkedIn und Pinterest - zumindest wenn man den Hackern Glauben schenkt, die im Anfang Juni 2016 mehrere seiner Profile gehackt haben. Beim Foto-Dienst Pinterest gelang es den Hackern mithilfe des Passworts, das sie nach eigener Auskunft in den gestohlenen des Karriere-Netzwerks LinkedIn gefunden haben, den Profiltext für kurze Zeit durch den Text „gehackt vom OurMine Team“ zu ersetzen. Bei Twitter gab es eine verdächtige Aktivität auf Zuckerbergs Account mit dem Namen „@finkd“, in dem er seit Januar 2012 nichts mehr veröffentlicht hatte. Und bei Pinterest wurde das angebliche Passwort sogar öffentlich gemacht: "dadada". Damit wählte der Facebook-Entwickler scheinbar nicht nur ein ziemlich simples Passwort (übrigens nicht besser als "12345" oder "password"), sondern benutzte das Passwort gleich für mehrere Profile - ebenfalls absolute No-Gos, die aber immer wieder vorkommen, wie die folgenden Beispiele zeigen. Quelle: Screenshot
Simple Zahlen- oder BuchstabenfolgenSicherheitsforscher des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) haben 2015 fast 35 Millionen geraubte Identitätsdaten aufgespürt. Wie die Potsdamer Sicherheitsforscher anhand der gesammelten Daten analysierten, stehen bei den Internetnutzern in aller Welt immer noch Zahlenreihen oder Zeichenfolgen auf der Tastatur (z.B. qwerty auf der amerikanischen Tastatur) an der Spitze der Beliebtheitsskala bei Passwörtern. Gern werden auch Vornamen oder andere simple Begriffe verwendet, etwa das Wort "password". "Unangefochten weltweit auf Platz 1 liegt leider nach wie vor die Zahlenreihe 123456, obwohl automatische Cracker solche simplen Passwörter als erstes und blitzschnell ermitteln", sagte HPI-Direktor Christoph Meinel. Dass Passwörter dieser Art überhaupt nicht sicher sind, ändert nichts an ihrer Beliebtheit: Schon 2014 wurden mehr als 3,3 Millionen Passwörter geknackt, auf dem ersten Platz landet auch da schon "123456". Auch wenn die Länge variiert wird, hilft das nicht: Auf dem dritten und vierten Platz finden sich "12345" und "12345678". "123456789" landet auf Rang sechs, gefolgt von "1234" auf Platz sieben. Auf Rang elf liegt "1234567". Nachfolgend ein Überblick der meistgeknackten Passwörter 2014: Quelle: dpa
Passwort: "Password"Wer sich für ganz schlau hält und einfach "password" als Zugangscode verwendet sei hiermit gewarnt: Die vermeintlich simple und sichere Lösung liegt auf Rang zwei der meistgeknackten Passwörter. Quelle: dpa
FantasiewörterSie denken sich, kein Mensch weiß was "qwerty" ist? Falsch gedacht. Die Buchstabenfolge, die auf einer amerikanischen Tastatur nebeneinander liegt, landet auf Platz fünf. Auf deutschen Tastaturen wäre es übrigens "qwertz". Quelle: REUTERS
Das sportliche PasswortSport-Fans müssen sich etwas besseres einfallen lassen, als nur den Namen ihrer Lieblingssportart: Auf Platz acht der meistgeknackten Passwörter landet "baseball". Quelle: AP
Mystische GestaltenAuch Drachen-Fans gibt es einfach zu viele. Das Passwort "dragon" ist jedenfalls alles andere als originell. Es findet sich auf Rang neun. Quelle: REUTERS
Sport, die zweiteAnhänger des Football sind auch nicht besser dran als Baseball-Freunde: Das Passwort "football" findet sich auf Rang zehn der gehackten Zugangsdaten. Quelle: AP

Und Rohde & Schwarz, ein in München ansässiger Spezialist für Mess- und Funktechnik, entwickelte mit dem Verschlüsselungsstick TopSec Mobile eine zusätzliche, externe Verschlüsselungshardware, die – über Bluetooth-Funk mit dem Handy gekoppelt – alle ein- und ausgehenden Telefonate chiffriert. Auch die Führungsriege der Deutschen Bundesbank in Frankfurt setzt 30 TopSec-Mobile-Sticks bei besonders vertraulichen Handytelefonaten ein.

Sicherheitssysteme sind teuer

Jedes dieser drei Sicherheitssysteme kostet 2300 bis 2500 Euro pro Gerät – und ist damit so teuer, dass die Budgets von Ministerien und Bundesbehörden nur für Technik für einen kleinen Kreis besonders gefährdeter Regierungsmitglieder und Spitzenbeamter reichen. Etwas mehr als 6000 Behördencomputer hat etwa Secunet bis heute mit ihrer Sina-Verschlüsselung ausgerüstet. 4600 Blackberrys konnte Secusmart inzwischen an Bundesbehörden verkaufen.

Wie mühsam dieses Geschäft ist, zeigt sich am Zickzackkurs der Deutschen Telekom, die dem Bund mit ihren Simko-Geräten auch ausgefeilten Abhörschutz bietet. Erst vor drei Jahren gründete der Exmonopolist die Tochter Trust2Core, um ein noch abhörsichereres Handy, quasi ein „Merkel-Smartphone“, zu entwickeln. Dazu kam es nicht, Trust2Core gibt es nicht mehr. Viele Mitarbeiter wechselten in den vergangenen Wochen zum Konkurrenten Virtual Solution.

Das vorläufig letzte Telekom-Gerät, das Simko3, steht zwar noch auf der Liste der für Verschlusssachen zugelassenen Technik. Das BSI aber empfiehlt die Anschaffung nicht mehr. „Läuft aus“, heißt es lapidar in den Unterlagen einer neuen Kampagne, mit der die Behörde bei den „Very Important Persons“ (VIP) in Berlin gerade für einen stärkeren Einsatz von Verschlüsselung wirbt.

Nach den Spionageangriffen auf Merkels Handy und den Deutschen Bundestag wächst die Bereitschaft, Verschlüsselungstechnik einzusetzen. Das BSI will es nicht mehr allein den Herstellern überlassen, den schleppenden Verkauf von Verschlüsselungsgeräten anzukurbeln. Für die Telekom allerdings kommt diese Offensive zu spät.

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