
WirtschaftsWoche: Herr Schreiber, erst der Telekom-Hack, jetzt der Angriff auf Thyssenkrupp: Müssen wir uns an solche Schlagzeilen gewöhnen?
Sebastian Schreiber: Die Zahl der Angriffe nimmt zu, ja. Bei der Telekom ließ sich die Attacke wegen den Ausfällen bei den Kunden nicht verheimlichen. Ich selbst rate aber keinem meiner Kunden, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
Warum?
Es zeigt nach außen, dass man einen wichtigen Teil seines Unternehmens nicht unter Kontrolle hat. Das Vertrauen in ein Unternehmen und seine Produkte kann dadurch leiden.
Nicht jeder hat so große Sicherheitsteams wie die Telekom oder Thyssenkrupp. Wie kann man sich dennoch wirkungsvoll schützen?
In erster Linie, indem man eine saubere IT betreibt, seine Systeme aktuell hält und die Mitarbeiter für einen sicheren Umgang mit Daten sensibilisiert. Wenn ich meine Daten sicher halten will, bedeutet das in der Regel Einbußen beim Komfort. Natürlich ist es bequem, wenn ich Mails, Fotos und Dateien über einen neuen Cloud-Dienst verschicken oder synchronisieren kann. Aber in diesem Moment habe ich keine Kontrolle mehr über die Sicherheit. Hier gehen viele Menschen zu sorglos mit den Daten um – egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld.
Wird in der deutschen Wirtschaft schon genug getan?
Nein. Datensicherheit wird nicht hinreichend ernst genommen. Entwendete Daten und Geschäftsgeheimnisse sind eine große Bedrohung für Unternehmen, dennoch greifen sie oft zu der günstigsten und bequemsten Lösung. Doch diese ist meistens nicht die beste.
Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen
Im Dezember 2015 fiel für mehr als 80.000 Menschen in der Ukraine der Strom aus. Zwei große Stromversorger erklärten, die Ursache sein ein Hacker-Angriff gewesen. Es wäre der erste bestätigte erfolgreiche Cyberangriff auf das Energienetz. Ukrainische Behörden und internationale Sicherheitsexperten vermuten eine Attacke aus Russland.
Im Februar 2016 legt ein Erpressungstrojaner die IT-Systeme des Lukaskrankenhauses in Neuss lahm. Es ist die gleiche Software, die oft auch Verbraucher trifft: Sie verschlüsselt den Inhalt eines Rechners und vom Nutzer wird eine Zahlung für die Entschlüsselung verlangt. Auch andere Krankenhäuser sollen betroffen gewesen sein, hätten dies aber geheim gehalten.
Ähnliche Erpressungstrojaner trafen im Februar auch die Verwaltungen der westfälischen Stadt Rheine und der bayerischen Kommune Dettelbach. Experten erklären, Behörden gerieten bei den breiten Angriffen eher zufällig ins Visier.
In San Francisco konnte man am vergangenen Wochenende kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil die rund 2000 Ticket-Automaten von Erpressungs-Software befallen wurden. Laut einem Medienbericht verlangten die Angreifer 73 000 Dollar für die Entsperrung.
Im Mai 2015 fallen verdächtige Aktivitäten im Computernetz des Parlaments auf. Die Angreifer konnten sich so weitreichenden Zugang verschaffen, das die Bundestags-IT ausgetauscht werden. Als Urheber wird die Hacker-Gruppe APT28 vermutet, der Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden.
Die selbe Hacker-Gruppe soll nach Angaben amerikanischer Experten auch den Parteivorstand der Demokraten in den USA und die E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampf-Stabschef John Podesta gehackt haben. Nach der Attacke im März wurden die E-Mails wirksam in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 2016 veröffentlicht.
APT28 könnte auch hinter dem Hack der Weltdopingagentur WADA stecken. Die Angreifer veröffentlichen im September 2016 Unterlagen zu Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme von Medikamenten, mit einem Fokus auf US-Sportler.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte im November für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurden E-Mails aus mehreren Jahren erbeutet. Es war das erste Mal, dass ein Unternehmen durch eine Hackerattacke zu Papier und Fax zurückgeworfen wurde. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Bei dem bisher größten bekanntgewordenen Datendiebstahl verschaffen sich Angreifer Zugang zu Informationen von mindestens einer Milliarde Nutzer des Internet-Konzerns. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter. Der Angriff aus dem Jahr 2014 wurde erst im vergangenen September bekannt.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers Target macht Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, erschütterten die Enthüllungen das Leben vieler Kunden.
Im Frühjahr 2016 haben Hacker den Industriekonzern Thyssenkrupp angegriffen. Sie hatten in den IT-Systemen versteckte Zugänge platziert, um wertvolles Know-how auszuspähen. In einer sechsmonatigen Abwehrschlacht haben die IT-Experten des Konzerns den Angriff abgewehrt – ohne, dass einer der 150.000 Mitarbeiter des Konzerns es mitbekommen hat. Die WirtschaftsWoche hatte die Abwehr begleitet und einen exklusiven Report erstellt.
Im Mai 2017 ging die Ransomware-Attacke "WannaCry" um die Welt – mehr als 200.000 Geräte in 150 Ländern waren betroffen. Eine bislang unbekannte Hackergruppe hatte die Kontrolle über die befallenen Computer übernommen und Lösegeld gefordert – nach der Zahlung sollten die verschlüsselten Daten wieder freigegeben werden. In Großbritannien und Frankreich waren viele Einrichtungen betroffen, unter anderem Krankenhäuser. In Deutschland betraf es vor allem die Deutsche Bahn.
Oft werden Cyber-Attacken nur durch Zufall erkannt. Wie kann ich selbst erkennen, ob mein Unternehmen gehackt wurde?
Die dringlichere Frage ist, wie ich ein Eindringen in meine Systeme verhindere. Wenn ich die Attacke erkenne, ist es meistens schon zu spät und es sind bereits Daten abgeflossen. Sicherheitssysteme, egal ob eigene oder von einem externen Dienstleister, sind der beste Schutz! Zudem müssen regelmäßige Sicherheitstest stattfinden und die Qualität der betriebenen IT gesteigert werden.