Software als Zukunftsgeschäft Blackberry ohne Blackberrys

Blackberry erfindet sich neu – mit dem Scheckbuch: Der einstige Smartphone-Pionier hat mehrere Firmen übernommen, um sein Softwaregeschäft zu stärken. Geld für weitere Zukäufe wäre da, lässt der Konzern wissen.

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Die Gegenwart, aber auch die Zukunft? Ob Blackberry noch dauerhaft Smartphones baut, ist ungewiss. Chen setzt auf das Softwaregeschäft. Quelle: Reuters

Düsseldorf Das neue Gerät von Blackberry hat keine Tasten – und man kann damit auch nicht telefonieren. Radar, so der Name, richtet sich allerdings auch nicht an Banken, Behörden und Beratungsfirmen, sondern an Logistikspezialisten: Die kleine Box meldet per Funk, wo sich Container und Trucks befinden, und wie warm und feucht es in deren Inneren ist. Kleine Sensoren erheben diese Werte in Echtzeit. So haben die Manager von überall aus ihre Flotte im Blick.

In einem Pilotprojekt sind erste Trucks mit dem System auf amerikanischen Straßen unterwegs. Es ist ein Beispiel dafür, wofür das neue Blackberry stehen soll: Der einst größte Smartphone-Hersteller der Welt verabschiedet sich Schritt für Schritt aus dem Hardwaregeschäft und setzt auf Software. Die Absicherung und Verwaltung von Smartphones zählt genauso dazu wie die Vernetzung von Fahrzeugen.

Dafür nimmt das kanadische Unternehmen viel Geld in die Hand. Fünf Übernahmen standen allein in den vergangenen zwei Jahren an, weitere sind nicht ausgeschlossen. „Wir haben Mittel von mehr als einer Milliarde Dollar zur Verfügung“, sagt Vertriebschef Carl Wiese gegenüber dem Handelsblatt. Der Konzern will sich eine bessere Zukunft zusammenkaufen. Darauf hoffen allerdings auch andere Unternehmern.

Dass die Zukunft nicht in den Smartphones liegt, ist längst klar. Der Marktanteil ist auf unter ein Prozent gerutscht, im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2015/2016 verkaufte der Hersteller nur 600.000 Geräte. Auch das Modell Priv, das statt des Blackberry-Betriebssystems BB10 Android nutzt, hat das Geschäft offenbar kaum belebt. Konzernchef John Chen redet offen darüber, dass die Sparte zur Disposition steht, sollte sie bis zum Herbst nicht profitabel werden.

In der Zwischenzeit baut das Unternehmen an einem neuen Geschäftsmodell. So übernahm es 2015 für 425 Millionen US-Dollar die Firma Good Technology, die auf das Enterprise Mobility Management (EMM) spezialisiert ist. Experten bezeichnen damit die Einbindung, Verwaltung und Absicherung von Mobiltelefonen, Tablets und anderen Geräten in einer Firma. Im Zeitalter der Vernetzung ist das ein wachsender Markt, dessen Volumen der Marktforscher IDC im Jahr 2015 auf 1,4 Milliarden Dollar schätzte. Hier ist Blackberry durch die Übernahme die Nummer 1.

Der Zukauf von Good Technology war ein kluger Schritt: Er habe geholfen, eine Reihe wichtiger Lücken in Sachen EMM zu schließen, erklärt IDC-Berater Mark Alexander Schulte. Das kombinierte Angebot verspreche das, was sich viele Kunden erhofft hätten: Vom Management der Geräte über die Absicherung von Apps bis hin zum Schutz von mobilen Inhalten aus einer Hand.

Derzeit arbeiten die Entwickler daran, die Technologie beider Firmen zu verbinden. So hat Good Technology ein System entwickelt, um vertrauliche Firmendaten in einem geschützten Bereich auf dem Smartphone abzulegen. Dieses Containersystem soll künftig auf der Blackberry-Plattform laufen. Auch andere Funktionen werden integriert. „Die Integration ist dieses Jahr eine wesentliche Aufgabe“, sagt Wiese.

Doch es geht nicht nur um die Verwaltung von Geräten. „Blackberry will Firmen helfen, ihr Geschäft mobil zu machen“, nennt Wiese das Ziel. Wie können Personaler sicher Zeugnisse austauschen, wie können Vertriebler gemeinsam ein Konzept bearbeiten? Wie können Vorstände vertrauliche Verhandlungen führen, ohne Mithörer fürchten zu müssen? Und wie lassen sich Beruf und Freizeit auf einem Gerät vereinen? Gerade in diesen Aufgaben stecken Chancen für Blackberry.


Marketing mit dem Kanzlerinnenhandy

Das kanadische Unternehmen hat zudem seit 2014 neben Good Technology vier Unternehmen gekauft, die das Softwareangebot verbessern sollen. Watchdox beispielsweise ermöglicht den sicheren Austausch von Dokumenten in der Cloud, mit der Produkt von Movirtu lassen sich auf einem Gerät mehrere Telefonnummern nutzen. Und At Hoc soll Behörden und großen Unternehmen bei der internen Krisenkommunikation helfen.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Softwareschmiede Secusmart aus Düsseldorf: Ihre Technologie erleichtert die verschlüsselte Kommunikation von unterwegs. Auf dem Kanzlerinnenhandy kommt sie bereits zum Einsatz. „Wir wollen diese Funktion anderen Regierungen anbieten“, sagt Wiese. Der Anpassungsaufwand sei nach der strengen Zertifizierung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) überschaubar. Seit dem Jahreswechsel gibt es auch eine Version für Unternehmen.

Bei diesen fünf Übernahmen wird es vermutlich nicht bleiben. Vertriebschef Wiese nennt zwar keine konkreten Pläne, aber Kriterien für interessante Unternehmen: Sie müssen auf mobile Sicherheit spezialisiert sein, Software für verschiedene Plattformen schreiben und in ihrer Kategorie führend sein. Einfach Umsatz kaufen sei nicht das Ziel.

Hoffnung setzt Blackberry außerdem in das Internet der Dinge. Das Betriebssystem QNX kommt bereits in 60 Millionen vernetzten Fahrzeugen zum Einsatz. Hier sieht der Konzern Chancen auf weiteres Wachstum, etwa durch zusätzliche Dienste: „Wir werden ins Infotainment und andere Bereiche expandieren“, sagt Wiese. Auch Spezialanwendungen will das Unternehmen entwickeln – zum Beispiel für die Überwachung von Containern.

Der Wettbewerb ist allerdings auch hier groß. In diesem Markt seien viele Akteure, sagt Wiese – viele aber ohne Geschäftsmodell. „Wir haben einen anderen Ansatz: Wir wollen Probleme der Industrie lösen.“ Konkrete Lösungen für Logistiker, etwa Bahnunternehmen oder Luftflotten, abgesichert mit Blackberry-Technologie, sollen bald Geld in die Kassen spülen.

Die Bemühungen im Softwaregeschäft zeigen Wirkung: Der Umsatz mit Software und Dienstleistungen ist im abgelaufenen Quartal um 106 Prozent auf 153 Millionen US-Dollar gewachsen, das entspricht fast einem Drittel des Konzernumsatzes. Im gesamten Geschäftsjahr waren es 527 Millionen Dollar. Allerdings ist die Konkurrenz groß, neben jungen Firmen wie Mobile Iron und VM Ware buhlen auch IBM und Microsoft um die Kunden. „Diese haben zum Teil ähnliche Integrationen bereits hinter sich und werden das neue Blackberry-Good-Angebot natürlich herausfordern“, betont IDC-Experte Schulte. Zudem hätten sie ihren Kundenstamm ausgebaut, während Blackberry die Akquisition abwickelte. „Zeit ist ein essentieller Faktor, um in diesem wettbewerbsintensiven Markt zu bestehen.“

Das EMM-Geschäft wächst schnell, ist aber umkämpft, das Internet der Dinge ist noch am Anfang: Der Teil von Blackberry, der ohne die Blackberry-Geräte auskommt, hat noch viel zu tun.

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