Software-Gigant SAP zunehmend von Cyberattacken betroffen

Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine stellt der Softwarekonzern SAP sein Geschäft in Russland teilweise ein. Quelle: dpa

SAP ist seit Beginn des russischen Kriegs zunehmend von Cyberangriffen betroffen. Der Softwarekonzern plant eine zentrale Europa-Cloud in Brüssel.

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Der Softwarekonzern SAP ist seit Beginn des russischen Kriegs zunehmend von Cyberangriffen betroffen. „In der Ukraine führt Russland einen schrecklichen Krieg, es gibt aber gleichzeitig auch einen Cyberkrieg über die Grenzen hinweg. Die Anzahl der Attacken hat in den vergangenen Wochen sehr stark zugenommen“, sagte SAP-Chef Christian Klein in einem Interview mit der WirtschaftsWoche.

Woher die Attacken auf den Walldorfer Konzern kommen, „lässt sich zwar ein Stück weit lokalisieren, aber ich möchte da jetzt nicht ins Detail gehen“, erklärte Klein. Der Konzern tue „alles, um unsere Netze so sicher wie möglich zu machen“, und stehe „in enger Abstimmung mit den deutschen Sicherheitsbehörden“.

SAP will zentrale Europa-Cloud in Brüssel aufbauen

Der Softwarekonzern will in Brüssel eine zentrale Europa-Cloud aufbauen, um die EU unabhängiger von amerikanischen Anbietern wie Google, Amazon und Microsoft zu machen. „Es ist denkbar, dass in Brüssel eine Cloud gebaut wird, an die sich die deutsche und französische Cloud anbinden und die dann anderen Mitgliedsstaaten offensteht. Dazu bin ich im Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dem französischen Regierungschef Emmanuel Macron und der deutschen Bundesregierung“, sagte Klein.

Diese Unternehmen wenden sich von Russland ab
LindeAngesichts der Sanktionen gegen Russland stehen beim Gasekonzern Linde Anlagenbau-Projekte im Volumen von bis zu zwei Milliarden Dollar zur Disposition. Per Ende März habe Linde Verträge in dieser Höhe, etwa für Anlagen zur Gasverflüssigung, in Russland in den Büchern gehabt, teilte der amerikanisch-deutsche Konzern am 28. April bei Vorlage der Quartalszahlen mit. Von Sanktionen nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine seien im ersten Quartal bereits Projekte im Volumen von rund 350 Millionen Dollar betroffen gewesen oder seien voraussichtlich betroffen. Linde hatte das Neugeschäft in Russland gestoppt und ist dabei, die Aktivitäten dort nach und nach zurückzufahren: Bestimmte Kunden würden nicht mehr beliefert, zumindest von einem Teil der Anlagen wolle man sich trennen. Für das zweite Halbjahr hat Linde keine Umsätze aus Russland mehr in seinen Planungen berücksichtigt. Quelle: dpa
BASFDer Chemiekonzern BASF stoppt wegen des Krieges in der Ukraine seine Aktivitäten in Russland und Belarus. Eine Ausnahme sei das Geschäft zur Unterstützung der Nahrungsmittelproduktion, teilte der Ludwigshafener Konzern am 27. April mit. Seit März schließt BASF bereits keine neuen Geschäfte mehr in den Ländern ab. Wegen der jüngsten Entwicklungen in dem Krieg und den von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland habe der Konzern nun entschieden, auch die bestehenden Aktivitäten in Russland und Belarus bis Anfang Juli einzustellen. Derzeit hat BASF 684 Beschäftigte in den beiden Ländern, diese sollen bis zum Jahresende weiter unterstützt werden. Die Geschäfte in Russland und Belarus machten im vergangenen Jahr rund ein Prozent des Konzernumsatzes aus, in der Ukraine waren es 0,2 Prozent.Mehr dazu lesen Sie hier: BASF stoppt Neugeschäft in Russland. Quelle: dpa
SAPDer Softwarekonzern gab am 19. April bekannt, den russischen Markt endgültig zu verlassen. Das Unternehmen kündigte zwei weitere Schritte „für den geordneten Ausstieg aus unserem Geschäft in Russland“ an. Hinsichtlich seiner Cloud-Dienste hatte SAP nicht von Sanktionen betroffene Unternehmen bereits vor die Wahl gestellt, Daten löschen zu lassen, diese in Eigenregie zu übernehmen oder sie in ein Rechenzentrum außerhalb von Russland zu überführen. SAP kündigte nun an, die Verträge russischer Firmen, die sich für eine Migration der Daten ins Ausland entschieden hätten, nach Ablauf der Abonnementlaufzeit nicht zu verlängern. Zudem beabsichtige SAP, den Support und die Wartung für Produkte, die auf lokalen Servern in Russland installiert sind (On-Premise), einzustellen. „Wir prüfen derzeit verschiedene Optionen, wie sich diese Entscheidung umsetzen lässt“, teilte das Unternehmen mit. Das Hauptaugenmerk liege darauf, den rechtlichen Verpflichtungen gegenüber nicht-sanktionierten Kunden weiter nachzukommen. Bereits Anfang März hatte SAP erklärt, sich den Sanktionen anzuschließen und das Neugeschäft in Russland wie auch Belarus einzustellen. Das beinhaltete allerdings nicht Dienstleistungen gegenüber Bestandskunden wie Wartungen oder Cloud-Dienste, die zunächst weiter angeboten wurden. Medienberichten zufolge soll diese Entscheidung intern von Mitarbeitern kritisiert worden sein. Mehr dazu lesen Sie hier. SAP macht nicht öffentlich, wie groß das Geschäft in Russland ist. Aus dem Integrierten Bericht 2019 – den letzten verfügbaren Daten – geht hervor, dass die russische Tochtergesellschaft unkonsolidiert im Jahr knapp 483 Millionen Euro umsetzte. Quelle: imago images/photothek
HenkelDer Konsumgüterkonzern gibt sein Russland-Geschäft nun doch auf. Das Unternehmen hinter Marken wie Persil, Schwarzkopf und Fa kündigte am 19. April an, es habe angesichts der aktuellen Entwicklung des Ukraine-Krieges beschlossen, seine Aktivitäten in dem Land einzustellen. „Der Umsetzungsprozess wird nun vorbereitet.“ Henkel werde mit seinen Teams in Russland an den Details arbeiten, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten, hieß es. Währenddessen würden die 2500 Beschäftigten von Henkel in Russland weiterbeschäftigt und -bezahlt. Die mit der Entscheidung verbundenen finanziellen Auswirkungen des geplanten Ausstiegs für Henkel könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher quantifiziert werden. Henkel hatte mit dem Schritt lange gezögert. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar hatte der Konzern zwar entschieden, alle geplanten Investitionen in Russland zu stoppen sowie Werbung und Sponsoring einzustellen. Die dortige Produktion sollte jedoch weiterlaufen. Dafür gab es auf der Hauptversammlung Anfang April Kritik von Aktionären, die etwa einen Reputationsschaden für Henkel fürchteten. Quelle: REUTERS
Dr. OetkerAuch der Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker zieht sich wegen des Ukraine-Krieges komplett aus Russland zurück. Das Familienunternehmen teilte am 8. April mit, dass es alle Anteile an seiner Russlandtochter an die bisherigen russischen Geschäftsführer verkaufe und damit sämtliche Aktivitäten in dem Land beende. Das Unternehmen hatte bereits direkt nach dem russischen Überfall auf die Ukraine alle Exporte nach Russland, alle Investitionen in die russische Schwestergesellschaft sowie sämtliche nationalen Marketingaktivitäten gestoppt. Das von Dr. Oetker in der Stadt Belgorod betriebene Nährmittelwerk produzierte seitdem nach Unternehmensangaben nur noch Grundnahrungsmittel wie Hefe und Backpulver für die russische Bevölkerung. Quelle: imago images
IntelDer Chip-Hersteller Intel stellt ab dem 6.April alle Geschäfte in Russland ein. Es seien Vorkehrungen getroffen worden, dass das weltweite Geschäft dadurch so gering wie möglich beeinträchtigt werde, teilt der Chip-Hersteller mit. Quelle: dpa
DecathlonDer französische Sportausrüster Decathlon stellt sein Geschäft in Russland ein. Das teilte das Unternehmen am 29. März mit. Die Lieferbedingungen unter strikter Beachtung der internationalen Sanktionen ließen eine Fortsetzung der Aktivitäten nicht mehr zu, teilt der Konzern mit. Decathlon ist im Besitz der französischen Unternehmerfamilie Mulliez, der unter anderem auch die Supermarktkette Auchan gehört. Zuletzt war der Druck auf die Familie gewachsen, ihre Geschäfte in Russland einzustellen. Auchan erklärte jedoch kürzlich, dort präsent zu bleiben. Andernfalls würden ein Verlust von Vermögenswerten und juristische Probleme für Auchan-Manager befürchtet. Auchan hat rund 30.000 Angestellte in Russland, Decathlon etwa 2500. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte heimische Konzerne vor Reputationsschäden gewarnt, wenn sie in Russland bleiben. Quelle: imago images

In Deutschland arbeite SAP bereits an der „Sovereign Cloud“, einer souveränen Cloud für den deutschen öffentlichen Sektor. „Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland im Bereich der Digitalisierung Nachholbedarf hat – aber statt agil voranzugehen, wird häufig lieber der nächste Arbeitskreis gegründet und theoretisch diskutiert. Darauf können wir nicht warten“, sagte Klein. SAP baue in Berlin deshalb bereits Rechenzentren auf, die Daten aus der „Sovereign Cloud“ sollen dort verarbeitet und gespeichert werden. „Leider sind die Entscheidungswege in der Politik oft zu lang. Das hat die Entwicklung der Corona-Warn-App gezeigt“, kritisierte Klein.

Die Unterbrechungen in den globalen Lieferketten und die Frage der Energieversorgung würden zeigen, dass der Standort gestärkt werden müsse. „Wir sind ein globales Unternehmen, das seine globalen Netzwerke pflegt. Aber teilweise zeigen die Abhängigkeiten, dass wir mehr ,Germany first‘ brauchen – etwa, wenn es darum geht, Lieferketten zu lokalisieren“, sagte Klein der WirtschaftsWoche. Lohnkosten seien bei einer solchen Strategie jedoch ein großes Thema. „Wir können als Unternehmen nicht von heute auf morgen entscheiden, die Logistik komplett aus Deutschland zu machen – umso wichtiger ist es, noch stärker auf Technologien und eine höhere Automatisierung zu setzen. Da entstehen gerade auch wieder neue Chancen für den Standort Deutschland“, sagte Klein.

Lesen Sie hier das vollständige Interview mit SAP-Chef Klein.

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