Software-Konzern Wie SAP seine Standort-Konsolidierung vorantreibt

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Schließung von Göttingen als mögliche Blaupause

Diese fällt dafür umso beträchtlicher aus: So hat der SAP-Vorstand Ende Juni beschlossen, den Standort Göttingen zum 31. Dezember 2017 schließen zu wollen. „Der Vorstandsbeschluss wurde getroffen, ohne vorher den Betriebsrat zu informieren“, sagt ein Mitglied des später gebildeten Verhandlungsteams der Göttinger Beschäftigten. Laut seiner Aussage sei es das erste Mal in der SAP-Geschichte, dass ein ganzer Entwicklungsstandort dicht gemacht werde.

Betroffen sind rund 100 Angestellte. Sie waren erst 2011 mit der Übernahme von Crossgate, einem deutschen Anbieter von Integrationssoftware, zu SAP gekommen. 2012 kaufte SAP mit Ariba einen Anbieter ähnlicher Lösungen. „Inzwischen liegt unser alleiniger Fokus auf Ariba-Lösungen, die Crossgate-Produkte werden daher nicht mehr weiter entwickelt“, sagt SAP auf Anfrage der WirtschaftsWoche. „Im Zuge dieser Maßnahmen wird auch der Standort Göttingen geschlossen.“

Den Mitarbeitern will der Konzern eine neue Beschäftigung vor allem am immerhin gut 320 Kilometer entfernten Hauptsitz Walldorf anbieten. Das freilich ist für viele der in Niedersachen ansässigen Entwickler mit Familie schwierig.

Die Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat über die Details laufen noch; dem Vernehmen nach hat sich inzwischen auch die lokale Politik eingemischt. Ob es den Beschäftigten noch gelingt, das Management umzustimmen, scheint vor dem Hintergrund der Vorab-Festlegung fraglich.

Hoffen auf Heimarbeitsplätze

Die Mitarbeiter hoffen jetzt vor allem auf den Einsatz moderner Arbeitsmethoden: „Ein Technologiekonzern wie SAP sollte Dinge wie Heimarbeitsplätze doch hinbekommen, damit die Menschen nicht alle pendeln oder umziehen müssen“, sagt ein Mitglied des Verhandlungsteams.

Doch schon erwarten Beteiligte neues Ungemach: „Das Vorgehen in Göttingen könnte eine Blaupause für andere Standorte sein“, sagt ein Arbeitnehmervertreter aus Walldorf, der ungenannt bleiben will. Für besonders gefährdet hält er - aus denselben Gründen wie Göttingen - den einstigen Crossgate-Stammsitz München. Den sicherten Verträge allerdings noch bis Ende 2019.

Nicht ganz so dramatisch ist die Situation für mehrere kleinere SAP-Standorte in Hessen: „Die Verlagerung der Standorte Bensheim, Raunheim, Mörfelden-Walldorf und Darmstadt nach Eschborn wird schon verhandelt“, heißt es in einem Intranet-Beitrag der IG-Metall-nahen SAP-Betriebsratsgruppe ProMitbestimmung von Ende Juni, welcher der WirtschaftsWoche vorliegt.

Von der geplanten Schließung der vier südhessischen Standorte bis Ende 2017 sind insgesamt 420 SAPler betroffen – allerdings müssen sie nach Abschluss der Verlagerung nur entweder nach Eschborn oder nach Walldorf pendeln – statt wie die Göttinger Kollegen schlimmstenfalls umzuziehen. „Die Maßnahme wirkt sich nicht auf die Zahl der Mitarbeiter aus“, beteuert auch SAP gegenüber der WirtschaftsWoche.

Auch international achtet der Konzern aus Walldorf weiterhin auf die Kosten – allerdings ist der Druck zur Konsolidierung dort nicht so groß wie hierzulande: Die vielen kleinen Niederlassungen in Deutschland gehen zurück auf einstmals selbstständige IT-Service-Töchter, die SAP längst integriert hat.

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